Die deutsche Regierungskoalition hat sich auf ein Paket neuer Massnahmen verständigt, um den Zuzug von Flüchtlingen besser zu kontrollieren und die Asylverfahren zu beschleunigen.
Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstagabend in Berlin. Zuvor hatte sie mit den Chefs der Koalitionsparteien SPD und CSU, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer, über das weitere Vorgehen in der Flüchtlingspolitik beraten.
Die neuen Massnahmen zielen besonders auf jene Flüchtlinge ab, die aus sicheren Herkunftsstaaten kommen und kaum Aussicht auf Annahme ihres Asylantrags haben.
Die EU-Kommission erwartet bis 2017 die Ankunft von drei Millionen weiteren Flüchtlingen in Europa. Das erklärte die Brüsseler Behörde am Donnerstag in ihrem Wirtschaftsausblick für die Jahre 2015 bis 2017. Nach Angaben von Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici wird der Flüchtlingsandrang eine «schwache, aber positive» Wirkung auf das Wirtschaftswachstum in der EU haben.
Die EU-Kommission rechnet in ihrer Herbstprognose, die sich erstmals mit den Auswirkungen der Flüchtlingskrise befasst, mit der Ankunft von einer Million Flüchtlingen im laufenden Jahr. 2016 wird mit einem Anstieg auf 1,5 Millionen Flüchtlinge gerechnet, bevor die Zahl im Jahr 2017 auf eine halbe Million zurückgeht.
Das Bruttoinlandsprodukt könne durch die Zuwanderung um «0,2 bis 0,3 Prozent bis 2017 steigen», erklärte die EU-Kommission. Zusätzliche öffentliche Ausgaben würden das Wachstum kurzfristig ankurbeln.
Weil mit den Flüchtlingen auch neue Arbeitskräfte in die EU kämen, sei aber auch ein mittelfristiger Aufschwung möglich. Dazu müssten die Mitgliedsländer aber für einen verbesserten Zugang der Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt sorgen, mahnte die EU-Kommission.
In diesem Jahr sind nach UNO-Angaben schon mehr als 752'000 Bootsflüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa geflohen. Fast 3500 Menschen kamen auf dem gefährlichen Weg ums Leben.
Bislang seien die Flüchtlingszahlen auf dem Mittelmeer im Winter immer stark zurückgegangen, erklärte das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. In diesem Jahr sei damit aber nicht zu rechnen.
Wie aus einem in Genf veröffentlichten Bericht zum Finanzbedarf für diesen Winter hervorgeht, rechnet das UNHCR bis Februar mit der Ankunft von durchschnittlich 5000 Flüchtlingen pro Tag. Die EU müsse sich in diesem Zeitraum daher auf die Ankunft von 600'000 neuen Flüchtlingen einstellen.
Auf der vom Flüchtlingsandrang stark betroffenen griechischen Insel Lesbos gab es am Donnerstag Proteste gegen die Politik der EU in der Flüchtlingskrise. Anlass war ein Besuch von Griechenlands Regierungschefs Alexis Tsipras und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auf der Insel.
Unterdessen fliehen über die Balkanroute täglich weiterhin tausende Menschen in Richtung Deutschland und Österreich. Slowenien wurde zu einer Station auf der Balkanroute, nachdem Ungarn Mitte Oktober die Grenze zu seinem südlichen Nachbarn Serbien geschlossen hatte. Seitdem sind knapp 150'000 Menschen nach Slowenien eingereist. (dwi/sda/afp/dpa/reu)