In Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) offiziell ihre Bereitschaft angekündigt, erneut für den CDU-Vorsitz und auch für die Kanzlerkandidatur 2017 anzutreten.
Die Menschen hätten in diesen Zeiten wenig Verständnis, «wenn ich jetzt nicht noch einmal meine ganze Erfahrung und das, was mir an Gaben und Talenten gegeben ist, in die Waagschale werfen würde, um meinen Dienst für Deutschland zu tun», sagte Merkel am Sonntagabend in Berlin. Die 62-Jährige kündigte an, für die volle Legislaturperiode anzutreten - «wenn die Gesundheit es zulässt».
Über die Entscheidung für eine erneute Kandidatur als CDU-Chefin und für das Kanzleramt habe sie «unendlich viel» nachgedacht. «Die Entscheidung für eine vierte Kandidatur ist nach elf Amtsjahren alles andere als trivial. Weder für das Land, noch für die Partei, noch - und ich sag's ganz bewusst in dieser Reihenfolge - für mich persönlich.»
Zuvor hatte sich Merkel bei einer Sitzung von CDU-Präsidium und Vorstand erklärt. Die Parteispitze beriet über einen auf Merkel zugeschnittenen Leitantrag für den Bundesparteitag im Dezember in Essen. Darin geht es um Stabilität in unsicheren Zeiten.
Merkel erwartet im kommenden Bundestagswahlkampf Anfechtungen von allen Seiten. «Diese Wahl wird wie keine zuvor - jedenfalls seit der deutschen Wiedervereinigung nicht - schwierig.» Sie erwarte nicht nur Herausforderungen von Rechts und von Links und eine starke Polarisierung der Gesellschaft. Auch europäisch und international drohten Anfechtungen «für unsere Werte» und «unsere Art zu leben».
CDU-Spitzenpolitiker äusserten sich durchweg erleichtert über Merkels Ankündigung. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte: «In einer immer unübersichtlichen Welt ist sie ein Garant der Stabilität.»
CDU-Vize Armin Laschet sagte vor dem CDU-Treffen, Merkel habe in den vergangenen Tagen und Wochen viel aussenpolitisches Lob erfahren. «Ich finde es wichtig, dass wir jemanden haben, der die Gesellschaft im Inneren zusammenhalten kann.»
Trotz unüberbrückbarer Differenzen - wie bei der Forderung nach einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme - stellte sich auch CSU-Chef Horst Seehofer hinter Merkel. «Es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht und dass sie sich entschieden hat», sagte er in München.
Nun werde man klären, mit welchen Themen man gemeinsamen in den Wahlkampf gehe - und wo es bei Differenzen bleibe. Aber an der «gemeinsamen Kanzlerkandidatin» könne man ja jetzt nicht ernsthaft zweifeln.
DGB-Chef Reiner Hoffmann begrüsste im «Tagesspiegel» (Montag), dass Merkel Klarheit geschaffen hat. «Wir benötigen jetzt aber auch Klarheit bei der SPD.» Deshalb sei es an der Zeit, dass sich SPD-Chef Sigmar Gabriel erkläre.
Mit Merkels Entscheidung rund zehn Monate vor der Bundestagswahl könnte Gabriel unter Druck geraten, nun die Kanzlerkandidatur in seiner Partei zu klären. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der Nachrichtenagentur dpa in Berlin: «Die Bundestagswahl ist offen, Angela Merkel ist nicht mehr unschlagbar.»
Gabriel hat bisher offen gelassen, ob er als Kanzlerkandidat antritt. Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz werden Ambitionen nachgesagt.
Die Linke prophezeite für den Fall einer weiteren Amtszeit der Kanzlerin die Fortsetzung einer «Politik der sozialen Spaltung». Die Grünen kündigten einen harten Wahlkampf über Klimaschutz und gesellschaftlichen Zusammenhalt an. FDP-Chef Christian Lindner hielt Merkel eine «angegrünte» Innenpolitik vor und sagte der dpa: «Die Union zieht ihren letzten Trumpf und weiss nicht, ob er noch sticht.»
Merkel ist seit April 2000 CDU-Vorsitzende und seit November 2005 Kanzlerin. Sollte sie 2017 zum vierten Mal gewinnen, hat sie die Chance, CDU-Mitbegründer Konrad Adenauer und auch Rekordhalter Helmut Kohl einzuholen. Adenauer war 14 Jahre, Kohl 16 Jahre Bundeskanzler.
Nach einer Emnid-Umfrage für die «Bild am Sonntag» wünschen sich 55 Prozent der Bürger eine weitere Amtszeit Merkels, 39 Prozent nicht. Selbst 54 Prozent der traditionellen SPD-Wähler wollten Merkel.
Die CDU will im Wahlkampf enttäuschte Wähler zurückgewinnen und ihre Politik stärker auf Familien und Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen ausrichten. Nach dem Entwurf eines Leitantrags für den Parteitag soll sich eine Flüchtlingskrise wie 2015 nicht wiederholen. Integrationsverweigerer sollen mit Sanktionen bis hin zu Leistungskürzungen und Ausweisung rechnen. (sda/dpa)