SPD, Grüne und FDP wollen über eine mögliche Regierungskoalition verhandeln. Nach mehreren bilateralen Gesprächen werden sie in einer ersten Dreierrunde an diesem Donnerstag Chancen für ein solches Bündnis ausloten. Dies hatte die Parteivorsitzende der Grünen Annalena Baerbock der FDP vorgeschlagen. Es sei sinnvoll, «mit Blick auf die Gemeinsamkeiten, die wir in den bilateralen Gesprächen mit der FDP festellen konnten, ein Ampel-Bündnis zu sondieren.»
FDP-Chef Christian Lindner verkündete wenig später, dass seine Partei den Vorschlag angenommen habe. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zeigte sich über die Entscheidung der potenziellen Partner sehr dankbar. Dennoch sah er sich nun auch in der Pflicht, «den Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, die Regierung zusammen zustande zubringen, auch umzusetzen.» Die SPD hatte die Parlamentswahl am 26. September mit 25,7 Prozent der Stimmen knapp gewonnen. Die Grünen erzielten 14,8 Prozent und damit ihr bisher bestes Ergebnis, die FDP errang 11,5 Prozent.
Die Bürger:innen haben Fortschritt gewählt. "Es ist jetzt an uns, das auch umzusetzen", sagt @OlafScholz vor Beginn der #Sondierungen mit FDP und Grünen. Gesprochen werde über die Modernisierung des Landes und den Klimaschutz. "Morgen geht's dann los." 🚀 https://t.co/01afwHex58
— SPD-Fraktion im Bundestag (@spdbt) October 6, 2021
Sowohl SPD als auch Grüne und FDP sind also an einer gemeinsamen Regierung interessiert. Dennoch müssen die Parteien erst über einen Koalitionsvertrag verhandeln und währenddessen erhebliche offene Stellen und Differenzen überwinden, wie Grünen-Co-Vorsitzender Robert Habeck sagte. CSU-Vorsitzender Markus Söder sieht die Chancen für eine andere Koalition aber sehr gering: «Es wird eine Ampel kommen.»
CDU-Chef Laschet sagte in Düsseldorf, die Union respektiere, dass es jetzt Gespräche zwischen SPD, Grünen und FDP gebe. «Die Ausgangslage für eine neue Bundesregierung ist seit dem 26. September klar: Wir liegen auf Platz 2.» Laschet sagte weiter, die FDP habe signalisiert, dass es in sehr, sehr vielen Punkten Übereinstimmung gebe mit der Union. «Wir stehen auch zu weiteren Gesprächen bereit, aber die Entscheidung, mit wem man in welcher Reihenfolge spricht, liegt bei FDP und Grünen.» Laschet war nach dem Wahldebakel innerparteilich unter Druck geraten.
Auch Habeck wollte sich noch nicht endgültig festlegen. Es handele sich nicht um eine komplette Absage an ein Bündnis mit FDP und Union, sagte Habeck. Die Union habe sich wirklich bemüht und sei den Grünen entgegengekommen. Es gebe aber grössere Differenzen in einem Jamaika-Bündnis «unsererseits».
Bayerns Ministerpräsident Söder sprach mit Blick auf die Entscheidung von Grünen und FDP zum Dreiergespräch mit der SPD indes von einer «klaren Vorentscheidung». In München sagte er: «FDP und Grüne haben sich entschieden für diesen Weg der Ampel. Den müssen sie jetzt auch konsequent gehen.» Die CSU respektiere die Entscheidung. Es müsse jetzt die Realität anerkannt werden. Man müsse sich damit vertraut machen, dass es sehr wahrscheinlich eine Regierung ohne die Union geben werde. Es gehe nun auch um «Selbstachtung und Würde».
Für diese Aussagen wurde Söder nun scharf kritisiert. Konstantin Kuhle beschuldigte den CSU-Chef für das Scheitern der Jamaika-Koalition verantwortlich zu sein. Der innenpolitische Sprecher der FDP im Bundestag schrieb auf Twitter: «Ohne die permanenten CSU-Blutgrätschen gegen Armin Laschet könnten wir morgen Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition beginnen.» Besonders das vorzeitige Ausschliessen einer Regierung unter Laschet gemeinsam mit den Grünen und der FDP, welche diese Variante beide offen liessen, sei fragwürdig.
Ohne die permanenten CSU-Blutgrätschen gegen Armin Laschet könnten wir morgen Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition beginnen. Dass Söder heute gegen Jamaika schießt, obwohl FDP und Grüne diese Variante explizit offen lassen, setzt seiner Obstruktion die Krone auf.
— Konstantin Kuhle (@KonstantinKuhle) October 6, 2021
Söder gilt bereits seit Längerem als Konkurrent Laschets innerhalb der eigenen Partei. Der 54-Jährige wurde sogar als potenzieller Kanzlerkandidat der CDU ins Spiel gebracht, bevor sich diese für Armin Laschet entschied. Zu den Stimmen aus der CDU, die nach der Wahlniederlage eine Neuaufstellung fordern, wollte sich Söder nicht äussern. Dennüch kündigte er einen neuen Zeitabschnitt für die Union an, auf den man sich nun vorbereiten müsse.
Eine gemeinsame Jamaika-Sondierung mit FDP und Grünen wäre fair gewesen. Aber die beiden haben sich entschieden, ohne die Union die Ampel zu sondieren. Wir bedauern, aber respektieren diese Entscheidung. Jamaika wäre eine Chance zur Modernisierung des Landes gewesen.
— Markus Söder (@Markus_Soeder) October 6, 2021
Die wichtigsten Themen für den Kanzlerkandidaten Scholz sind die wirtschaftliche und industrielle Modernisierung und der verstärkte Kampf gegen den Klimawandel. Es gehe um den Fortschritt Deutschlands. Auch Grünen-Chefin Baerbock sprach von grossen Herausforderungen für Deutschland, die rasch angepackt werden müssten. Deshalb seien die Grünen der Überzeugung, «dass sich dieses Land keine lange Hängepartie leisten kann».
Christian Lindner stellte aber auch klare Anforderungen an die beiden linksgerichteten Verhandlungspartner und sagte, seine Partei trete nur in eine Regierung der Mitte ein, die den «Wert der Freiheit» stärke und einen echten Impuls für die Erneuerung des Landes leiste. Es komme auf liberale Inhalte an. (nih/sda/dpa)