Es ist das härteste Urteil seit Jahren gegen Angehörige der linksextremen Szene in Deutschland: Vor dem Sächsischen Oberlandesgericht in Dresden standen die 28-jährige Lina E. und zwei weitere Angeklagte. E. wurde am Mittwoch zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, die mitangeklagten Männer zu drei Jahren und drei Monaten beziehungsweise zwei Jahren und fünf Monaten. Die drei hätten eine kriminelle Vereinigung gebildet, hielt das Gericht in seinem Urteil fest.
Für Lina E. hatte die deutsche Bundesanwaltschaft eine Haftstrafe von acht Jahren gefordert. Für Teile der linken Szene ist die frühere Studentin, die seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, eine Heldin: An Häuserwänden in deutschen Grossstädten ist der Aufruf «#FreeLina» zu lesen; im Gerichtssaal in Dresden wurde E. von ihren zahlreich angereisten Unterstützern mit Applaus empfangen. «Scheiss Klassenjustiz» und «Schweinesystem» riefen einige von ihnen nach der Urteilsverkündung; die Verhandlung musste zeitweise unterbrochen werden.
Der Prozess gegen E. und ihre Mitstreiter rückt ein Problem ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, das bisher relativ wenig Beachtung fand: Im Schatten des Rechtsextremismus ist vor allem im Osten des Landes ein gewaltbereiter Linksextremismus herangewachsen, der verglichen mit dem Neonazismus zwar nur eine kleine Szene umfasst, dessen Brutalität jener der rechten Radikalen aber kaum noch nachsteht.
Lina E. und ihr Freund Johann G., der untergetaucht ist, gelten als Rädelsführer der linksextremen Szene. Zwischen 2018 und 2020 sollen sie an mehreren Überfällen auf Neonazis beteiligt gewesen sein. So sollen sie im Februar 2020 auf dem Bahnhof der sächsischen Kleinstadt Wurzen mehrere Neonazis mit Schlagstöcken und Bierflaschen angegriffen haben; ein 15-Jähriger erlitt dabei lebensgefährliche Kopfverletzungen. Unumstritten ist das Urteil gegen E. nicht: Kein Opfer oder Zeuge konnte die vermummten Angreifer erkennen, und abgesehen von einem Angriff im thüringischen Eisenach gab es keine eindeutigen Indizien.
«Auch ein gewalttätiger Nazi wird nicht durch seine Taten vogelfrei», sagte der vorsitzende Richter am Mittwoch. Dass linksextreme Täter den Kampf gegen Rechts selbst in die Hand nehmen, kommt im Osten Deutschlands allerdings immer häufiger vor. So wurde im Frühjahr 2021 Paul Rzehaczek, ein Funktionär der rechtsextremen NPD, in seiner Wohnung im sächsischen Eilenburg überfallen; seine Fussgelenke traktierten die Täter mit Notfallhämmern. Zwei Monate später schlugen als Polizisten verkleidete Täter in Erfurt mit Hämmern auf einen Neonazi ein; über seine schwangere Freundin schütteten sie eine chlorhaltige Flüssigkeit aus.
Lina E. beschäftigte sich mit dem Rechtsextremismus offenbar zunächst auf wissenschaftliche Weise: Ihre Bachelorarbeit schrieb die Erziehungswissenschafterin über den «Umgang mit Neonazismus in der Jugendarbeit». Dabei befasste sie sich mit einem Jugendklub in Jena, in dem die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds verkehrten, einer neonazistischen Terrorgruppe, die zwischen 2000 und 2007 neun Bürger mit Migrationshintergrund und eine Polizistin ermordete. Radikalisiert haben soll sich E., die aus Hessen stammt und zum Studium nach Leipzig zog, unter dem Einfluss ihres Freundes Johann G.
Gewalttätiger Extremismus ist in Deutschland seit Jahren auf dem Vormarsch: 2022 war die Zahl der politisch motivierten Straftaten mit knapp 60'000 so hoch wie noch nie seit Einführung der Statistik. Die meisten Delikte wurden dabei von Rechtsextremisten sowie von Tätern verübt, die sich wegen der staatlichen Corona-Massnahmen radikalisiert hatten. Dabei ging die Zahl der linksextremistisch motivierten Taten gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent auf 842 zurück, während jene der rechtsextremen Delikte um 12 Prozent auf 1170 anstieg.
Die Hemmschwelle, politische Gegner mit äusserster Brutalität anzugreifen, sei unter den Linksextremen allerdings gesunken, sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser am Mittwoch. Ähnlich sieht es Thomas Haldenwang, der Chef des Inlandsgeheimdienstes: «Wenn sich die Radikalisierungsspirale weiterdreht und die Taten immer brutaler und hemmungsloser werden, dann rückt der Moment näher, in dem man auch von Linksterrorismus sprechen muss», kommentierte er das Urteil.
Anzunehmen ist, dass die Politik darauf hofft, von dem Richterspruch möge Signalwirkung ausgehen: auf potenzielle Täter, aber auch auf die Bevölkerung. Laut zahlreichen Umfragen ist die rechtsradikale AfD gerade dabei, zur stärksten Partei in Ostdeutschland aufzusteigen. Bliebe unter den Bürgern der Eindruck zurück, Politik und Justiz seien auf dem linken Auge blind, würde dies den Rechten wohl helfen. (aargauerzeitung.ch)
Z.B. „ich konnte keine Frau unter den Tätern erkennen“, oder „die hatten alle Masken auf, war ja Corona!“ Die Tat fand im April 2019 statt.
Die Zeugen, allesamt verurteilte Nazis, oder V-Männer. 🤡
Die Beweislast ist insgesamt sehr sehr dünn!
Lina wurde mit dem Helikopter zu Verhandlung geflogen. Das macht man normalerweise nur mit Terroristen. Wird ja gar nicht künstlich aufgeblasen, das Ganze.
"Links um 30 Prozent auf 842 zurück rechts um 12 Prozent auf 1170 hoch"
War also 2021 noch umgekehrt.
Und die anderen 57988?
Wusste gar nicht, dass die Mitte so aggressiv auftritt...