Eine russische Internet-Aktivistin hat ihren ehemaligen Arbeitgeber verklagt, um nach eigenen Angaben auf Propaganda im Auftrag der russischen Regierung aufmerksam zu machen. Allerdings musste der Prozess gegen die «Agentur zur Erforschung des Internets» am Montag vertagt werden.
Es sei kein Vertreter der mysteriösen Agentur erschienen, teilte Ljudmilla Sawtschuk am Dienstag mit. Der nächste Gerichtstermin in St.Petersburg sei für den 23. Juni angesetzt.
Sie habe unter anderem wegen eines ausstehenden Monatsgehalts Klage eingereicht, aber vor allem wolle sie mit dem Prozess auf «dieses schändliche Phänomen» der Internet-Propaganda durch sogenannte Online-Trolle im Auftrag der russischen Führung unter Präsident Wladimir Putin aufmerksam machen, sagte die 34-Jährige.
Die junge Mutter war im April mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit gegangen und anschliessend entlassen worden. Laut Sawtschuk waren sie und ihre Kollegen damit beschäftigt, «im Sinne der Regierung zu schreiben, Putin und seine Politik zu loben und seine Gegner niederzumachen».
Sawtschuks Tätigkeitsfeld waren demnach Diskussionsforen und Newsgroups, Chatrooms und Blogs. Dort brachte sie am Tag – mal als angebliche Hausfrau, mal als Studentin oder Sportlerin – an die 100 Kommentare und Beiträge unter. Dabei spielte vor allem das Thema Ukraine (und der Konflikt mit Russland) eine Rolle.
Dafür gab es ein monatliches Salär von 40'000 bis 50'000 Rubel (700 bis 880 Franken) – mehr, als ein Journalist in Russland verdient.
Die Arbeitsstelle in St.Petersburg war nach Angaben Sawtschuks weitgehend abgeschottet und streng überwacht, unter den Mitarbeitern habe eine Atmosphäre der Angst geherrscht.
Als Trolle werden Internetnutzer bezeichnet, die durch ihre Kommentare bewusst Online-Diskussionen stören und die Atmosphäre in Chatrooms vergiften. Dadurch richten sie nicht nur inhaltliche Schäden an, sondern versuchen auch, Konflikte innerhalb der Internet-Gemeinde zu schüren.
Die Aktivitäten der russischen Online-Propagandisten haben schon mehrere russische Medien gezwungen, Kommentar-Foren auf ihren Websites zu schliessen. (dsc/sda/afp)