Muss man sich diesen Namen wirklich merken? Schon beim Lesen bereitet er Mühe, vom Reden ganz zu schweigen. But-i-tschitsch – so ungefähr wird der Nachname von Pete Buttigieg ausgesprochen. Ende Januar hatte der 37-jährige Bürgermeister der Stadt South Bend im Bundesstaat Indiana sein Interesse an einer Kandidatur für die US-Präsidentschaft angekündigt.
Besonders ernst nahm man ihn nicht. Was sollte ein junger Provinzpolitiker im ohnehin überfüllten, mit bekannten Gesichtern bestückten Präsidentschaftsfeld der Demokraten ausrichten können? Eine ganze Menge, darf man mittlerweile konstatieren. Pete Buttigieg ist derzeit der heisseste Name unter den vielen Möchtegern-Nachfolgern von Donald Trump.
Am Montag gab «Mayor Pete», wie er sich wegen des schwierigen Nachnamens auch nennen lässt, eine bemerkenswerte Zahl bekannt: Im ersten Quartal 2019 hat er mehr als sieben Millionen Dollar Spendengelder gesammelt, überwiegend von «kleinen» Donatoren. Damit dürfte der «Nobody» Hochkaräter wie Senatorin Elizabeth Warren übertroffen haben.
«Das ist ein enormer Betrag», schrieb Buttigieg in einem Mail an seiner Anhänger. «Wir sind nicht Teil der nationalen Politmaschinerie. Wir sind mit nur etwa 20'000 Namen auf unserer E-Mail-Liste gestartet, und nicht viele Leute wussten überhaupt, wer ich bin.» Das starke Sammelergebnis kommt jedoch nicht von ungefähr, denn Pete Buttigieg hat bis jetzt fast alles richtig gemacht.
Auf der Suchliste von Google Trends belegt er derzeit den zweiten Rang der demokratischen Kandidaten, hinter Joe Biden – der seinen Spitzenplatz wohl nicht nur erfreulichen Gründen zu verdanken hat – und vor Bernie Sanders. Sein raketenhafter Aufstieg begann Mitte März, nach einem von CNN übertragenen Townhall-Auftritt an einem Festival in Texas.
Der redegewandte und telegene Buttigieg überzeugte dermassen, dass er allein in den ersten 24 Stunden nach der Sendung 600'000 Dollar einnahm. Beeindruckt zeigte sich auch David Axelrod, der «Mastermind» hinter Barack Obamas brillanter Wahlkampagne 2008. Er habe «selten einen Kandidaten gesehen, der das Townhall-Format so gut anwenden kann», schrieb er auf Twitter.
I have rarely seen a candidate make better use of televised Town Hall than @PeteButtigieg is on @CNN tonight. Crisp, thoughtful and relatable. He’ll be a little less of a long shot tomorrow.
— David Axelrod (@davidaxelrod) 11. März 2019
Seither ist Buttigieg in weiteren nationalen TV-Shows aufgetreten, so in Stephen Colberts «Late Show» und bei «Morning Joe» auf MSNBC. Moderator Joe Scarborough – ein ehemaliger republikanischer Kongressabgeordneter und scharfer Trump-Kritiker – vermeldete danach, er habe seit Barack Obamas Auftritt vor zwölf Jahren nie mehr so viele Reaktionen auf einen Gast erhalten.
Mika and I have been overwhelmed by the reaction @PeteButtigieg got after being on the show. The only other time in twelve years that we heard from as many people about a guest was after @BarackObama appeared on Morning Joe. pic.twitter.com/PoEK4Obtul
— Joe Scarborough (@JoeNBC) 21. März 2019
Das schlägt sich in den neusten Umfragen nieder, in denen Pete Buttigieg ebenfalls auf einen vorderen Platz unter den demokratischen Bewerberinnen und Bewerbern vorgerückt ist. Dabei befindet er sich offiziell noch immer in der Sondierungsphase. Seine Kandidatur deponiert hat er noch nicht. Das aber ist nach den neusten Entwicklungen nur eine Frage der Zeit.
Wer aber ist Peter Paul Buttigieg? Sein Vater stammt aus Malta – daher der ungewöhnliche Name – und war Professor an der katholischen, von einem französischen Priester gegründeten Universität Notre Dame in South Bend. Buttigieg junior schloss die High School als Jahrgangsbester ab, unter anderem mit einem Aufsatz über Bernie Sanders.
Er studierte Geschichte und Literatur in Harvard und anschliessend mit einem Rhodes-Stipendium im englischen Oxford – wie einst Bill Clinton. Mit erst 29 Jahren wurde er 2011 zum Bürgermeister seiner Heimatstadt South Bend gewählt. Diese ist vor allem bekannt für die Universität und deren College-Footballteam, das in den USA einen fast mythischen Ruf geniesst.
South Bend gehört aber auch zum «Rust Belt» und hat lange unter der Deindustrialisierung gelitten. Diese Herkunft sieht Buttigieg als Vorteil im Wahlkampf, denn in diesen Gefilden hat Donald Trump die Wahl 2016 gewonnen. Im Unterschied zum Präsidenten aber verspricht «Mayor Pete» nicht die aussichtslose Rückkehr der alten Industriejobs, sondern neue, moderne Arbeitsplätze.
Als Stadtpräsident hat er es vorgemacht. Er riss Fabrikruinen ab oder sanierte sie und siedelte neue Unternehmen an. Zwischenzeitlich nahm Buttigieg eine siebenmonatige Auszeit, um im Afghanistankrieg zu dienen, als Nachrichtenoffizier der Marine. Eine Militärkarriere macht sich in den USA immer gut, vor allem als Kontrast zum Vietnam-«Drückeberger» Donald Trump.
Die Wähler von South Bend honorierten seine erfolgreiche Politik. Sie bestätigten Buttigieg 2015 mit mehr als 80 Prozent im Amt als Bürgermeister. Nur wenige Monate zuvor hatte er mit einer spektakulären Erklärung für Furore sorgte: Er outete sich als homosexuell. Im Juni 2018 heiratete er seinen langjährigen Lebenspartner Chasten Glezman in einer kirchlichen Zeremonie.
Nun setzt Pete Buttigieg zum ganz grossen Sprung an, vom Oberhaupt einer Stadt mit etwas mehr als 100'000 Einwohnern direkt ins Weisse Haus. Mit seinen 37 Jahren bezeichnet er sich selbst als Millenial. Falls er die Wahl gewinnt, würde er die Präsidentschaft im Januar 2021 genau einen Tag nach seinem 39. Geburtstag übernehmen. Er wäre damit der jüngste Präsident der Geschichte.
Seine Eignung anerkennt selbst das linke Magazin «Jacobin», das Zentralorgan der Berniecrats: «Er scheint Medicare für alle und einen Green New Deal im Grundsatz zu befürworten. Er hat in South Bend in die Infrastruktur investiert. Er hat sein Amt als offen schwuler Mann im Land von [Vizepräsident] Mike Pence erobert und besitzt einen Draht zu Trump-Wählern. Und er wäre fraglos ein besserer Präsident als Trump oder einige seiner demokratischen Rivalen.»
Gleichzeitig äussert «Jacobin» Vorbehalte zum Kult um den «Smart Dude». Ein solcher ist Pete Buttigieg in jeder Beziehung. Er hat zwei der renommiertesten Hochschulen der Welt besucht, für McKinsey gearbeitet und spricht nicht weniger als acht Sprachen, darunter so «exotische» wie Dari – eine Art afghanisches Persisch – und Norwegisch.
Einfach ist seine Aufgabe trotz des aktuellen Hypes nicht. Die Wahlkampf-Friedhöfe sind voll mit Kandidaten, die kurzzeitig für Furore sorgten und bald wieder verschwanden. Je ernster man Buttigieg nimmt, umso kritischer wird er beleuchtet. Kann ein «Kleinstadt»-Bürgermeister das riesige und vielfältige Land regieren, geschweige denn auf der Weltbühne bestehen?
Gleichzeitig werden nicht nur evangelikale Betonköpfe Mühe haben mit der Vorstellung, dass ein Ehemann die Bibel halten würde, wenn er den Amtseid als Präsident ablegen sollte. Und doch: Für einen klaren Aussenseiter hat Pete Buttigieg einen bemerkenswerten Start hingelegt. Man sollte ihn im Auge behalten. Und sich die Aussprache seines Namens merken.