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Europa ist zur Drehscheibe des Kokainhandels geworden – die Hochburgen

Europa ist zur Drehscheibe des Kokainhandels geworden – das sind die Hochburgen

Europa hat sich zur Drehscheibe des internationalen Kokainhandels entwickelt. Insbesondere Belgien und Spanien gelten als Einfallstor für das weisse Pulver. Die Zahl der Konsumenten steigt – das hat nicht zuletzt einen simplen Grund.
01.06.2022, 20:4115.06.2022, 15:03
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Die Verfügbarkeit von Kokain ist in Europa so hoch wie noch nie zuvor. Die Droge wird heute nicht nur vermehrt angeboten, sie ist für den Verbraucher auch erschwinglicher geworden. Und nicht nur das: Europa wird vermehrt als Transitdrehscheibe genutzt, um das verarbeitete weisse Pulver weiter zu schmuggeln.

Das stellen Europol und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht im neuesten Bericht über den Kokain-Markt fest. Welches Land bei der Kokain-Produktion aufrüstet – und wo das weissse Pulver in Europa am meisten zu finden ist:

Woher kommt der Stoff?

Zu den grössten Herstellern der Droge zählt Kolumbien. Schätzungen zufolge produziert das Land in Südamerika jährlich 2000 Tonnen Kokain – und somit viermal so viel wie zu Zeiten des berüchtigten Pablo Escobar. Dass das hiesige Kokain meist auf Kolumbien stammt, konnten durch beschlagnahmte und analysierte Kokainproben festgestellt werden.

Immer mehr in den Markt dränge sich Kokain aus Kolumbiens Nachbarland Peru. Die untersuchten Proben zeigten, dass das Kokain peruanischem Ursprungs stark zugenommen hat.

Kokain
Kokain wird aus den Blättern der beiden Kokapflanzen Erythroxylum coca und Erythroxylum novogranatense gewonnen. Die tropischen Sträucher sind in den Anden und Amazonasgebieten weit verbreitet. Bolivien, Kolumbien und Peru gelten als grösste Produzenten.

Kokain findet weltweit Anwendung als Rauschdroge mit hohem Abhängigkeitspotenzial. In Europa wird Kokain in zwei Formen angeboten – in Form von Pulver (Kokainpulver) und in Form kleiner Klumpen, die geraucht werden können (Crack). Das Pulver wird häufiger konsumiert, denn: Die rauchbare Free-Base-Form ist weniger leicht erhältlich.

In Südamerika sind weitere rauchbare Kokainprodukte verbreitet, die aus den Zwischenprodukten des Herstellungsprozesses, Kokapaste und Kokainbasis, gewonnen werden. Solche Produkte werden «Basuco», «Paco» und «PBC» genannt.

Wie und wohin wird Kokain geschmuggelt?

Per Flugzeug, Fracht und auf dem Seeweg – Kokain gelangt von den südamerikanischen Erzeugungsländern mit verschiedenen Methoden und über unterschiedliche Routen nach Europa.

Die grössten Mengen an beschlagnahmtem Kokain wurden versteckt in Frachtschiffen, hauptsächlich in Seeschiffscontainern, sichergestellt. Möglich ist der Handel durch die Häfen aufgrund von Korruption sowohl im Privatsektor als auch in der Regierung und mittels Einschüchterung von Hafenarbeitern.

Europa als Transitdrehscheibe

Die Routen starten in der Regel in Südamerika, hauptsächlich Brasilien, Kolumbien und Ecuador, und enden an grossen europäischen Häfen, insbesondere in Antwerpen und Rotterdam. Häufig gelten die Karibik, Nord- und Westafrika sowie die Inseln von Kap Verde als Transitzone, bevor die Droge nach Europa weiter geschmuggelt wird.

Wichtigste Schmuggelverbindungen zwischen lateinamerikanischen Häfen und EU-Häfen im Jahr 2020.
Wichtigste Schmuggelverbindungen zwischen lateinamerikanischen Häfen und EU-Häfen im Jahr 2020.grafik: emcdda

Laut Europol gebe es auch Hinweise darauf, dass Europa als Transit genutzt werde, um Kokainlieferungen in Nicht-EU-Länder, insbesondere solche in Osteuropa, Ozeanien und möglicherweise Asien, zu schleusen.

Wo wurde Kokain beschlagnahmt?

Seit 2017 werden in Europa jedes Jahr Rekordmengen an Kokain beschlagnahmt, meistens an Seehäfen. Der grösste Fund mit 214,6 Tonnen Kokain wurde 2020 in der Türkei sichergestellt.

Genaue Auskunft darüber, wo Drogenfunde am häufigsten sichergestellt werden, gibt der Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht aus dem Jahr 2019. Demnach haben Spanien, Belgien, das Vereinigte Königreich und Frankreich in den vergangenen Jahren am meisten Kokain beschlagnahmt.

Wo und wie oft Kokain beschlagnahmt wurde:

Der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht liegen keine Daten zu den Sicherstellungen in den Niederlanden vor.
Der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht liegen keine Daten zu den Sicherstellungen in den Niederlanden vor. grafik: emcdda

Wie viele Menschen konsumieren Kokain in Europa?

Europol schätzt, dass rund 14 Millionen Menschen in der Europäischen Union (im Alter von 15 bis 64 Jahren) im Laufe ihres Lebens einmal Kokain konsumiert haben – Tendenz steigend. Das entspricht rund 5 Prozent dieser Altersgruppe.

Laut des Europol-Berichts haben 60 Prozent der Kokainkonsumenten, die sich aufgrund ihrer Sucht in Behandlung begaben, angegeben, die Droge zwischen zwei und sieben Tagen pro Woche zu konsumieren.

Ist Kokain günstiger geworden?

Dem Bericht zufolge ist der Preis für reines Kokain in den EU-Verbrauchermärkten im Durchschnitt zwischen 2015 und 2022 um fast 40 Prozent gesunken. Die Droge ist somit deutlich erschwinglicher geworden.

Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf den Handel?

Europol geht davon aus, dass der Handel nur durch den starken Rückgang des Flugverkehrs gestört wurde. Die Kokainproduktion hingegen sei nicht unterbrochen und möglicherweise sogar weiter erhöht worden.

Welche Entwicklungen sind noch aufgefallen?

Europa als Kokainverarbeiterin

Bei Beschlagnahmungen von Chemikalien und Verfälschungsmitteln sei den Ermittlern aufgefallen, dass in Europa, insbesondere in den Niederlanden, Spanien und Belgien, Kokainverarbeitungen im grossen Stil stattfinden.

Dabei würden kriminelle Netzwerke aus der EU mit Personen aus der organisierten Kriminalität aus Lateinamerika zusammenarbeiten. Erst beziehe man reines Kokain aus diversen südamerikanischen Ländern, um es hierzulande zu strecken.

Europapol spricht von einer besorgniserregenden Entwicklung, denn: gestrecktes Kokain birgt für die Konsumierenden weitere Risiken.

Konsum von Crack steigt

In Europa nehme das Rauchen von Kokain als Verabreichungsweg zu. Auch die damit verbundenen Gesundheitsschäden haben sind in den letzten Jahren gestiegen. Die Konsumform gilt nach dem Spritzen als die gefährlichste.

Und was sagen die Abwasserproben?

Irgendwann fliesst alles ins Abwasser – so auch Kokain. Dort lässt sich dann mit den Resten im Urin ablesen, in welcher Stadt das weisse Pulver häufig konsumiert wird. Auf diese Wasserproben wird im Europapol-Bericht allerdings nicht eingegangen.

Ein Blick in die Abwasseranalyse der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht zeigt: Kokainrückstände im Abwasser waren in west- und südeuropäischen Städten am höchsten, insbesondere in Belgien, den Niederlanden und Spanien. Also genau in jenen Ländern, in denen auch am häufigsten Kokainfunde sichergestellt wurden.

Die Auswertung kommunaler Abwässer auf Drogen zur Schätzung des Konsums.
Die Auswertung kommunaler Abwässer auf Drogen zur Schätzung des Konsums.grafik: emcdda
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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Konserve
01.06.2022 21:38registriert Mai 2022
So beunruhigend dieser Artikel auch ist, er bot mir auch einen Grund zum Schmunzeln:

Chantal STÄUBLI berichtet über das weisse Pulver.

Einfach herrlich. :-)
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Glenn Quagmire
01.06.2022 21:32registriert Juli 2015
Antwerpen war schon immer ein Hotspot. Bei Bananenlieferungrn wird eine giftige Spinne oder Schlange „entdeckt“, alle müssen weg damit Spezialisten das Tier suchen können. dazwischen verschwinden die Drogen. Lief schon in den 80ern so.

Quelle: Drogenfahnder aus Belgien
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Peter Vogel
01.06.2022 20:56registriert Juni 2020
Yeah. Die Schweiz ist die nr. 1
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