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Von der Leyen schlägt EU-Budget von zwei Billionen Euro vor

epa12240927 EU Commission President Ursula von der Leyen rings the bell to officially start the EU Commissioners College in Brussels, Belgium, 16 July 2025. EPA/OLIVIER MATTHYS
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den langfristigen Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union aufstocken.Bild: keystone

Von der Leyen schlägt EU-Budget von zwei Billionen Euro vor – betrifft auch die Schweiz

16.07.2025, 16:2716.07.2025, 20:39
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den langfristigen Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union deutlich aufstocken, um zusätzliche Investitionen in Sicherheit und Verteidigung zu ermöglichen. Wie sie in Brüssel mitteilte, soll der Etat für die Jahre 2028 bis 2034 rund 2 Billionen Euro umfassen - das sind etwa 700 Milliarden Euro mehr als derzeit für die laufende siebenjährige Budgetperiode veranschlagt sind.

Fast die Hälfte des Haushalts soll nach Willen der Kommission in die Mitgliedsstaaten fliessen und etwa an die Landwirtschaft und die strukturschwächsten Regionen gehen, so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. «Die Landwirtschaft und der Zusammenhalt stehen weiterhin im Mittelpunkt unseres Haushalts.»

Mehr als 400 Milliarden Euro sind für einen Fonds zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vorgesehen. Allein 131 Milliarden Euro sollen in den Bereich Verteidigung und Raumfahrt fliessen. «Das ist das Fünffache dessen, was wir heute haben», erklärte von der Leyen.

Zudem sind Mittel etwa für das EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon und das Bildungsprogramm Erasmus+ vorgesehen. Für die Unterstützung der Ukraine will die Behörde 100 Milliarden Euro bereitstellen - zusätzlich zu bereits laufenden Hilfsprogrammen.

Als wirtschaftsstärkster Mitgliedsstaat steuert Deutschland in der Regel knapp ein Viertel der Mittel bei. Die vorgeschlagene Budgeterhöhung könnte allerdings zumindest teilweise auch über neue Einnahmequellen finanziert werden.

Um den Druck auf die nationalen Haushalte zu verringern, will die EU-Kommission die vorgeschlagene Budgeterhöhung auch über neue Einnahmequellen finanzieren: Sogenannte neue Eigenmittel sollen jährlich 58,5 Milliarden Euro einbringen, teilte sie mit. Konkret schlägt die EU-Kommission unter anderem eine Abgabe für grosse Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro und eine Abgabe auf nicht für das Recycling gesammelten Elektroschrott vor. Auch ist vorgesehen, dass ein Teil der Einnahmen aus Tabaksteuern aus den Hauptstädten nach Brüssel fliessen soll.

Mit dem Haushaltsplan wird grob festgelegt, wofür die EU Geld ausgeben will - und wie viel. Die Kommission unter der Leitung der Deutschen von der Leyen versucht mit ihrem Vorschlag, unterschiedliche Interessen und Faktoren unter einen Hut zu bringen. Denn während mehr Geld für die Sicherheit und Verteidigung ausgegeben werden soll, Bauern gegen mögliche Kürzungen Sturm laufen und Darlehen des Corona-Aufbaufonds zurückgezahlt werden müssen, sind die Kassen der Mitgliedsländer leer. Und finanzstarke EU-Staaten wie Deutschland oder die Niederlande wollen nicht tiefer in die Tasche greifen.

Weniger Geld soll fest verplant werden

Neben zusätzlichem Geld für die Aufrüstung gegen Russland will die Kommission auch, weniger Mittel fest zu verplanen - um schnell und wirksam auf neu auftretende Entwicklungen reagieren zu können, wie es heisst. Auch soll es insgesamt weniger spezifische Ausgabenprogramme geben. Während es bislang etwa separate Töpfe für die EU-Agrarpolitik und die Strukturförderung für Regionen gibt, sollen diese Posten künftig aus lediglich einem grossen Fonds finanziert werden. Auch EU-Einrichtungen wie die Grenzschutzagentur Frontex und die Polizeibehörde Europol sollen hier Geld bekommen.

Für Geld aus dem Fonds soll nach dem Willen der Kommission jeder EU-Staat einen sogenannten Nationalen Reform- und Investitionsplan (NRP) erstellen. Darin würde das Land zeigen, welche Reformen und Investitionen es von 2028 bis 2034 umsetzen und wofür es EU-Geld verwenden möchte. Bei der Erstellung des Plans sollen etwa auch regionale Behörden mitwirken.

Für die Rückzahlung des Corona-Aufbaufonds sieht die Kommission jährlich 24 Milliarden Euro zu derzeitigen Preisen vor - das bedeute Gesamtkosten in Höhe von 168 Milliarden Euro, teilte sie mit. Der Topf wurde 2021 geschaffen, um die wirtschaftlichen Schäden durch die Corona-Pandemie zu bewältigen und gleichzeitig die Wirtschaft zu modernisieren. Dafür wurden in der EU erstmals im grossen Stil gemeinsam Schulden aufgenommen. Die Rückzahlung beginnt 2028 und soll bis 2058 andauern.

Lange und komplizierte Verhandlungen erwartet

Der Vorschlag muss nun von den EU-Ländern und dem Europäischen Parlament beraten werden. Dann muss das EU-Parlament durch eine Mehrheitsentscheidung zustimmen, die EU-Länder müssen den Haushalt einstimmig annehmen. Es werden lange und komplizierte Verhandlungen erwartet. Über den aktuellen Finanzrahmen diskutierten die EU-Staats- und Regierungschefs 2020 bei einem Gipfeltreffen vier Tage und Nächte lang.

Der grösste Teil des langfristigen EU-Haushalts wird aus Beiträgen der Mitgliedsstaaten gestemmt - jeder EU-Staat zahlt einen bestimmten Prozentsatz seines Bruttonationaleinkommens (BNE). Als sogenannte Eigenmittel fliessen bislang vor allem Zolleinnahmen und die Erträge einer Plastiksteuer nach Brüssel.

Von der Bundesregierung gab es nicht unmittelbar eine Reaktion auf den Vorschlag der Kommission. Bislang hatte Deutschland allerdings nie infrage gestellt, dass es die höchsten nationalen Beiträge leisten muss. In Berlin wird darauf verwiesen, dass die Bundesrepublik als grosses Exportland auch am meisten vom gemeinsamen Binnenmarkt profitiert.

Kritik aus dem Parlament

Aus dem EU-Parlament kam bereits Kritik an dem Vorschlag - insbesondere an den geplanten Nationalen Reform- und Investitionsplänen, nach denen in den Mitgliedsstaaten über die Verwendung von Geldern entschieden werden soll. In einem gemeinsamen Papier der Fraktionsvorsitzenden des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP, der sozialdemokratischen S&D, der liberalen Renew und der Grünen heisst es, das Parlament werde keine Einschränkung seiner Aufsichtspflicht und demokratischen Kontrolle über EU-Ausgaben akzeptieren – «oder, noch schlimmer, eine Renationalisierung zentraler EU-Politiken».

EU-Budget betrifft die Schweiz

Die Budgetpläne der Europäischen Kommission haben auch Auswirkungen auf die Schweiz. Einerseits sieht die Brüsseler Behörde mehr Geld für das Forschungsprogramm Horizon Europe und das Bildungsprogramm Erasmus plus vor. Andererseits will sie eine Steuer auf grosse Unternehmen erheben. Auch Schweizer Unternehmen dürften davon betroffen sein.

Die Schweiz ist seit Anfang 2025 an Horizon Europe als Drittstaat assoziiert. Das bedeutet, dass Forschende in der Schweiz sich um die Gelder aus dem Forschungstopf bewerben können. Ob die Schweiz ihre finanzielle Beteiligung auch dementsprechend erhöhen müsse, konnte Séjourné auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht sagen.

Auf der Einnahmeseite möchte von der Leyen neue Quellen anzapfen. Geplant sei unter anderem eine Abgabe für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Diese Abgabe würde auch für Schweizer Unternehmen fällig werden, die im EU-Raum diese Schwelle erwirtschaften. (sda/dpa)

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