Als Terry Richardson gefragt wurde, ob es wirklich okay sei, eine 21-Jährige in einen Mistkübel zu stecken, «Slut» über ihre Brust zu schreiben und sie dabei zu fotografieren, wie sie ihm, Richardson, einen runterholt, sagte er: «Menschen machen Dinge, die sie dann bereuen, aber das hat nichts mit mir zu tun. Dann sollen sie halt einfach keine solchen Bilder machen ... Ich bin mit mir und allem im Reinen, das ist für mich das Wichtigste.»
Nun kann man sagen, dass die 21-Jährige von damals tatsächlich keine Probleme mit ihm hatte, sie ist heute, mit 34, seine Frau und die Mutter seiner Kinder. Für andere, sehr oft Jüngere, brach eine Welt zusammen, wenn der weltweit begehrte Modefotograf während eines Shootings seinen Schwanz auspackte, vor ihnen masturbierte, sie zwang, ihn zu befriedigen, mit ihnen Sex hatte. Das Sperma, mit denen seine Models auf den Fotos dekoriert sind, ist oft echt.
Richardson gibt freimütig alles zu, es war schliesslich immer alles out in the open, sein Team sei dabei gewesen (wie pervers ist das denn?), sagt er, alles sei «Arbeit» und einvernehmlich. Seit 16 Jahren treten immer wieder Models an die Öffentlichkeit und sagen: Nein, war es nicht. Die Reaktion? Ihr seid halt einfach alle zu jung, dumm und unerfahren, so ist es halt.
Wie beim Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein, wussten alle, was Sache war. Alle Fashion-Magazine, grossen Modehäuser und Model-Agenturen wollten, wie bei Weinstein, trotzdem mit Richardson arbeiten. Weil man mit ihm, wie mit Weinstein, zu Fame kam. Weil sich seine Bilder, wie Weinsteins Filme, verkauften. «Porn Chic», Pornoschick, hiess sein Stil. Die Welt war geil darauf. Weil die Bilder zwar sehr sexy, aber auch sehr ironisch waren. Ein lustiges Spiel mit der Lust. Irgendwie erfrischend.
Jetzt ist Schluss mit Lustigpornos. Condé Nast, der wichtigste Verlag für Hochglanz-Zeitschriften, hat Terry Richardson gefeuert. Alle Fotostrecken, die er für Magazine wie «Vogue», «GQ» und «Vanity Fair» bereits geschossen hat, werden versenkt. Die italienischen Modehäuser Valentino und Bulgari haben ihn ebenfalls gefeuert. Terry Richardson ist damit der erste, aber gewiss nicht der letzte Grüsel, mit dem die Modebranche endlich ihre Geduld verliert.
Wenige Tage vor Richardsons Fall lancierte das amerikanische Model Cameron Russell auf Twitter und Instagram den Hashtag #MyJobShouldNotIncludeAbuse. Und wie schon bei #metoo meldeten sich viel zu viele Frauen, jetzt mit Übergriffen aus der Fashion-Welt. Geschichten von Fotografen, Designern, Agenten, allzu ungeschützten Backstage-Räumen während Modeschauen. Geschichten von unzähligen Terry Richardsons. Unzähligen Harvey Weinsteins.
Genau. Es ist – zusammen mit Weinstein, #metoo und allen weiteren Protesten – der Anfang einer Machtverschiebung im Showbusiness. Das ja bekanntlich von «to show», von «zeigen», kommt. Gezeigt werden Kleider, Filme, Musik. Und die dazugehörigen Körper, die machen, dass wir dafür Geld bezahlen wollen vor lauter Begeisterung und Begehren. Oder wie meine Ballettlehrerin vor vielen Jahren einmal sagte: «Wenn die Leute euch auf der Bühne sehen, müssen sie euch kaufen wollen.» Äääähm ... ?!? Ja, sie sagte das wirklich.
Man kann den Sex nicht aus dem Showbusiness kriegen. Es wäre ja auch ein bisschen schade. Und Sex ist nicht Sexismus. Aber in den Arbeitsbeziehungen, die dahinterstecken, hat er nichts zu suchen. Am wenigsten zwischen Parteien, die durch ein hierarchisches Gefälle voneinander getrennt sind. Das gilt für alle. Immer.