Wenige Wochen vor dem Nato-Jubiläumsgipfel zum 70-jährigen Bestehen hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Militärbündnis massiv in Frage gestellt. «Was wir derzeit erleben, ist der Hirntod der Nato», sagte Macron der britischen Zeitschrift «The Economist» in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview.
Es gebe «keinerlei Koordination bei strategischen Entscheidungen zwischen den USA und ihren Nato-Verbündeten». «Wir finden uns das erste Mal mit einem amerikanischen Präsidenten wieder, der unsere Idee des europäischen Projekts nicht teilt», sagte Macron mit Blick auf Donald Trump und den Truppenabzug der USA aus Teilen Syriens.
Zugleich zeige das Nato-Land Türkei ein «unkoordiniertes, aggressives» Vorgehen in einem Bereich, in dem die Sicherheitsinteressen aller berührt seien. Damit spielte er auf die türkische Militäroffensive gegen die Kurden in Nordsyrien an, die bei den Verbündeten auf massive Kritik gestossen ist.
Auf die Frage, ob der Beistandsartikel fünf des Bündnisses angesichts der türkischen Offensive noch Bestand habe, antwortete Macron: «Ich weiss es nicht.» Wenn der syrische Präsident Baschar al-Assad beschliesse, «Vergeltung an der Türkei zu üben, werden wir uns dazu bekennen?», fragte Macron.
Artikel fünf besagt, dass ein Angriff auf ein Nato-Mitglied einem Angriff auf alle gleichkommt und die Partner dem betroffenen Land beispringen müssen. Er kam in der Geschichte des Bündnisses erst ein Mal zur Anwendung: Nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 und dem anschliessenden Nato-Militäreinsatz in Afghanistan.
Europa müsse seine militärische Souveränität wiedererlangen, forderte Macron in dem Interview, das der «Economist» im Pariser Elysée-Palast führte. Die internationale Sicherheitslage und die aufstrebende Macht China hätten zu einer «aussergewöhnlichen Schwäche Europas» geführt. «Wenn Europa sich nicht als Weltmacht sehen kann, wird es verschwinden», warnte Macron.
Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte in Berlin, die Nato bleibe «der Anker der Sicherheit Europas». Gemeinsames Ziel sei «ein handlungsfähiges Europa» und keine «Konkurrenz», wie sie unter Anspielung auf die USA betonte.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte davor, einen Keil zwischen die USA und Europa zu treiben. «Jeglicher Versuch, Europa von Nordamerika zu distanzieren, wird die transatlantische Allianz nicht nur schwächen», sagte er in Berlin. «Er birgt auch das Risiko, Europa selbst zu spalten.» Europäische Einheit könne «die transatlantische Einheit nicht ersetzen».
Die Veröffentlichung des Macron-Interviews fiel in eine Zeit intensiver diplomatischer Aktivität: Neben Stoltenberg ist derzeit auch US-Aussenminister Mike Pompeo in Deutschland zu Gast, der zum Gedenken an 30 Jahre Mauerfall anreiste und unter anderem mit Soldaten der US-Armee am Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern sprach.
Aus dem Umfeld Macrons verlautete, der Präsident habe mit dem Interview «nicht die Nato in ihrer Gesamtheit in Frage stellen wollen, wohl aber die Strategie und Politik der Institution». Der Jubiläumsgipfel des Bündnisses findet am 3. und 4. Dezember in London statt.
Frankreich hat ein spezielles Verhältnis zur Nato: Das Land war 1949 zwar Gründungsmitglied, zog sich aber nach dem Aufstieg zur Atommacht 1966 aus der militärischen Integration zurück, weil Präsident Charles de Gaulle keine Unterordnung seiner Truppen unter US-Kommando akzeptieren wollte. Erst unter Präsident Nicolas Sarkozy wurde das Land 2009 wieder vollständig in die Nato integriert. (aeg/sda/afp)
leider...
Die Linken sind - wiedermal - mit internen Richtungskämpfen beschäftigt, die Bürgerlichen sind seid Jahren schon lobbyverseucht gekauft oder so dumm, sich mit Faschisten ins Bett zu legen.