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Frankreich

Französische Parlamentswahl im Überblick

Frankreich wählt ein neues Parlament – die laufende Entwicklung im Überblick

12.06.2022, 08:48
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Die erste Runde der französischen Parlamentswahl hat offiziell begonnen. Auf der kleinen französischen Inselgruppe Saint-Pierre und Miquelon vor der kanadischen Ostküste öffneten am Samstagmittag (8.00 Uhr Ortszeit) die drei ersten Wahllokale, wie eine Sprecherin des Rathauses in Saint-Pierre der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Der Grossteil der Französinnen und Franzosen kann am Sonntag wählen. Wegen der Zeitverschiebung wird in einigen Überseegebieten aber bereits am Samstag abgestimmt.

Ausgangslage

Kurz nach der Wiederwahl von Präsident Emmanuel Macron für eine zweite Amtszeit wählen die Französinnen und Franzosen ein neues Parlament. Abgestimmt wird über die 577 Sitze der Nationalversammlung. Für den Mitte-Politiker Macron geht es darum, sich wieder eine Parlamentsmehrheit zu sichern. Ansonsten wäre er gezwungen, eine Regierung mit Politikern und einem Premierminister anderer Lager zu ernennen.

In diesem Fall hätte der Premierminister eine deutlich wichtigere Position im Staat. Insbesondere das neue linke Bündnis aus Linkspartei, Sozialisten, Grünen und Kommunisten unter Anführerschaft des Linkspolitikers Jean-Luc Mélenchon hofft auf deutlich mehr Sitze im Parlament.

Bei der Wahlbeteiligung zeichnete sich bereits ein Tiefstand ab, weniger als jeder Zweite wollte nach Umfragen seine Stimme abgeben. Die zweite Runde der Parlamentswahl ist am Sonntag in einer Woche.

Mélenchons Coup

Dem linken Urgestein Jean-Luc Mélenchon war der Coup gelungen, das zersplitterte linke Lager hinter sich zu vereinen und zum Angriff auf Macron überzugehen. Als gewiefter Redner und Stratege profilierte er sich in einem Wahlkampf, aus dem Macron sich bis kurz vor Schluss heraushielt. Nun muss er um seine absolute Parlamentsmehrheit bangen.

Als Drittplatzierter schied Mélenchon trotz starker 22 Prozent bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl aus, gab sich aber nicht geschlagen. «Wählt mich zum Premierminister», verkündete der 70-Jährige prompt, und erklärte die Parlamentswahl kurzerhand zur dritten Wahlrunde, um über die Machtverhältnisse in Frankreich zu entscheiden. Dabei wird die Parlamentswahl eigentlich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl gesehen und liegt bewusst kurz danach.

Die Umfragen sehen das neue Linksbündnis enorm im Aufwind. Erhielte es eine Mehrheit, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier und eine Regierung dieses Lagers zu ernennen. Und auch bei einer relativen Mehrheit für sein Lager müsste Macron Kompromisse eingehen. Um wenig Angriffsfläche zu bieten, wartete er lange mit der Ernennung der neuen Regierung und hielt sich, obwohl er sonst um eloquente Reden und Visionen nicht verlegen ist, zu seinen konkreten Plänen bedeckt. In die Defensive trieben dann das Regierungslager Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen neuen Minister, dann folgte das Chaos am Stade France beim Champions League-Endspiel, nach dem der Innenminister patzte. Kein guter Start für Macron.

Le Pens Problem

Und weshalb ist es so ruhig geworden um Marine Le Pen, die es in der Stichwahl ums höchste Staatsamt auf über 40 Prozent brachte? Grund dafür ist kein plötzlicher Stimmungswandel in Frankreich - die Rechte hat weiter viel Unterstützung - sondern die Besonderheit der Parlamentswahl. Im Gegensatz zur Präsidentschaftswahl zählt hier auch die lokale Verankerung, und die ist keine Stärke Le Pens. Vergeben werden die 577 Parlamentssitze nach einem komplizierten Mehrheitswahlrecht. Ins Gewicht fallen am Ende nur die Stimmen für den Gewinner im jeweiligen Stimmbezirk. Und dabei wird für Le Pen nur ein moderater Zuwachs an Sitzen vorausgesagt.

Tiefe Stimmbeteiligung zeichnet sich ab

Unterdessen zeichnet sich ein Tiefstand bei der Wahlbeteiligung ab, nur noch 45 bis 49 Prozent der Menschen wollen ihre Stimme abgeben, sagte der Direktor des Umfrageinstituts Ipsos, Brice Teinturier, am Samstag der Zeitung «Le Parisien». «Für die Franzosen ist die Präsidentschaftswahl die entscheidende Abstimmung», sagte Teinturier. Sie sähen kaum einen Nutzen darin, die Karten bei der Parlamentswahl gleich wieder neu zu mischen. Dennoch könne Macron sich darauf nicht stützen, denn das Vertrauen in die Regierung sei gering. Bei der Absicherung der Kaufkraft - dem Kernthema von Mélenchon - handele sie aus Sicht der Bevölkerung zu langsam, sagte der Ipsos-Chef. (sda/dpa)

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