Die katholischen Seelsorger quält die eigene Seele: Sie zweifeln am Zölibat, aber auch beruflicher Stress und Unzufriedenheit mit ihren Chefs lasten schwer auf vielen Priestern in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am Abend in der Katholischen Akademie in Berlin vorgestellt wurde. Verfasst hat sie eine Wissenschaftler-Gruppe unter Leitung des Jesuiten Eckhard Frick, Professor für Spiritual Care an der Münchner Universitätsklinik.
Die Autoren befragten zwischen 2012 und 2014 insgesamt 8600 Seelsorger aus fast allen Diözesen, darunter 4200 Priester. Bei den weiteren Seelsorgern handelt es sich etwa um Diakone oder Pastoralreferenten. Die Studie wurde aus privaten Stiftungsgeldern finanziert. Sie erfolgte nicht im Auftrag der Bischofskonferenz.
Frick machte eine «erstaunliche Offenheit» der Priester aus, über ihre Probleme zu reden, und auch über Unterstützungsbedarf. «Wir beginnen einen Diskussionsprozess, der noch Jahre andauern wird», sagte er. Mit den gesammelten Daten solle eine Debatte provoziert werden. «Solche Zahlen brauchen ja eine Deutung» - diese müsse nun in der Kirche stattfinden.
Die Ergebnisse sind vielschichtig, sie beziehen sich auf allgemeine Fragen zur Lebenszufriedenheit oder zum Glücksempfinden durch den Beruf. Insgesamt zeigen die Priester laut Frick erstaunlich hohe Zufriedenheitsraten, vergleichbar mit anderen Akademikern. Aber die Studie offenbart auch Aspekte, die den Kern des Selbstverständnisses im Priesteramt berühren.
Der Untersuchung zufolge würde sich nur etwa jeder zweite Priester wieder für eine zölibatäre Lebensform entscheiden, wenn er nochmals die Wahl hätte. Ein Viertel würde nicht wieder zölibatär leben wollen, ein weiteres Viertel ist unentschlossen. Diese Hälfte könnte aber nach dem geltenden Kirchenrecht nicht Priester werden.
Dass Sex für katholische Priester kein Tabuthema ist, zeigen auch andere abgefragte Themen. Über die Hälfte der Priester nannte den Verzicht auf körperlich praktizierte Sexualität, partnerschaftliche Bindung und auf Kinder eine besondere Herausforderung.
Im Gegensatz zu Diakonen sowie Pastoral- und Gemeindereferenten litten Priester stärker unter «emotionaler Einsamkeit», weil ihnen eine dauerhafte Beziehung zu einem anderen Menschen fehle. Priester haderten auch häufiger mit ihrer Sexualität und in einigen Fällen mit der eigenen sexuellen Orientierung.
In vielen Punkten zeigt sich, dass die Seelsorger ganz ähnlich denken wie viele ihrer Gemeindemitglieder: So mögen sie etwa ihr Kirchenleben vor Ort, sind aber eher unzufrieden mit den Strukturen und der Leitung der Kirche. Auch in Bezug auf ihre Sünden sind die katholischen Priester inzwischen sehr weltlich geworden. 54 Prozent von ihnen gehen laut der Studie höchstens einmal pro Jahr zur Beichte. (tat/wif/AFP/dpa)