Recep Tayyip Erdogan, langjähriger Premierminister der Türkei und seit Ende August deren Präsident, zeigt zusehends autokratische Züge. Immer öfter wird der ehemalige Istanbuler Bürgermeister mit einem Sultan verglichen. Auf Kritik reagiert Erdogan allergisch; sein aufbrausendes Wesen lässt ihn des öftern peinliche Dinge tun und sagen. Das sind seine gesammelten Tritte ins Fettnäpfchen:
Man könne Frauen und Männer nicht gleichstellen, behauptet Erdogan. Sie sei zum einen «gegen die Natur», sagte der Präsident diese Woche vor dem Frauenverband Kadem in Istanbul. Und zum andern habe der Islam für die Frau die Rolle der Mutter vorgesehen. Erdogan bleibt sich treu: Schon 2010 hatte er den Vertreterinnen von Frauenorganisationen gesagt: «Ich glaube nicht an die Gleichheit von Mann und Frau.»
Geschichtsunterricht mit Erdogan: Vor einer Konferenz von Muslimen aus Lateinamerika in Istanbul sagte der türkische Präsident am 15. November, muslimische Seefahrer hätten Amerika im Jahr 1178 entdeckt – mehr als drei Jahrhunderte vor Kolumbus.
Mit Frauen hat der konservative Erdogan offenbar ein Problem. Im August beleidigte er die Journalistin Amberin Zaman. Sie hatte in einer Fernsehsendung gefragt, ob muslimische Gesellschaften ein Autoritätsproblem hätten. Erdogan kanzelte sie als «schamlose Frau» ab und empfahl ihr: «Erkenne deinen Platz.» Zaman, eine Muslima, wurde darauf prompt als «Judenschlampe» beschimpft.
Im Mai starben bei einem Bergwerksunglück im westtürkischen Soma über 300 Bergleute. Erdogan wies jede Verantwortung der Regierung zurück. Solche Unfälle passierten überall auf der Welt; in England seien «im 19. Jahrhundert auch Bergarbeiter zu Hunderten gestorben», so seine zynische Ausrede. Bei seinem Besuch am Unglücksort bedrängte eine wütende Menge den Regierungschef. Im Gedränge packte Erdogan einen jungen Mann am Nacken. Er soll ihn angeschrien haben: «Warum rennst du weg, du israelische Brut?» Danach versetzte er dem Mann einen leichten Schlag mit der linken Hand.
Was tun, wenn man als Premierminister unter Korruptionsverdacht steht? Am besten sperrt man das Medium, auf dem die Vorwürfe am schnellsten die Runde machen. Ende März, kurz vor den Kommunalwahlen, erliess Erdogan ein Twitter-Verbot, das ihm im In- und Ausland viel Kritik und Spott einbrachte. «Wir werden Twitter mit Stumpf und Stiel ausrotten», drohte er. «Was die internationale Gemeinschaft dazu sagt, interessiert mich nicht.»
ONLY IN #Turkey -#Erdogan Prosecutes Twitter Users & Hosts Internet Freedom Forum at the same time... http://t.co/sJDcKFBqVk via @mashable
— mithat demir (@mithatdemir) 13. November 2014
Aus den Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks in Istanbul im Mai und Juni 2013 wurde schnell eine Protestbewegung gegen die autoritäre Regierung von Erdogan. Dieser qualifizierte die Demonstranten als «çapulcu» («Lumpen», «Plünderer») ab: «Wir können nicht einfach zuschauen, wie einige ‹çapulcu› unser Volk aufhetzen.» Aus Empörung über Erdogans Wortwahl übernahm die Protestbewegung den Begriff: «Everyday I’m çapuling» wurde zu ihrem Slogan.
Erdogans selbstherrliche Art duldet keine Kritik. Die Gegner eines neuen Gesetzes gegen Alkohol – der Verkauf alkoholischer Getränke in Supermärkten und an Kiosken zwischen 22 und 6 Uhr sollte verboten werden – nannte er «Besoffene». Demonstrierende Studenten an der Middle Technical University Ankara bezeichnete er als «Terroristen». Und einen Bauern, der sich bei ihm beklagte, verjagte er mit den Worten: «Hau ab, und nimm deine Mutter gleich mit.»
In der Türkei sinkt die Geburtenrate. Das gefällt Erdogan nicht, der wie sein früherer Mentor Necmettin Erbakan nicht nur fromm, sondern auch nationalistisch ist. Sein Ziel ist eine Türkei, die im Jahr 2023, dem 100. Geburtstag der Republik, 90 Millionen Einwohner hat. So forderte er 2008 in einer Rede zum Weltfrauentag die «lieben Schwestern» im Publikum dazu auf, mindestens drei, besser aber fünf Kinder zu gebären.
Am 28. Dezember 2011 bombardierte die türkische Luftwaffe den Ort Uludure, um vermeintliche PKK-Terroristen zu treffen. Die Bomben töteten jedoch 34 kurdische Zivilisten. Kritik an diesem Massaker bean mit einer makabren Gleichsetzung: «Ihr redet immer von Uludere – jede Abtreibung ist wie ein Uludere!» twortete Erdogan
2009 führte sich Erdogan am WEF in Davos wie ein Wüterich auf. Bei einer Podiumsdiskussion mit Israels Präsident Schimon Peres über den Krieg in Gaza verlangte er, obwohl die Zeit abgelaufen war, das Wort: «One minute, one minute!» Der Moderator erteilte es ihm widerstrebend, worauf Erdogan zu einer Rede ausholte. Als der Moderator ihn unterbrechen wollte, verliess der türkische Premier wütend die Bühne. Im Juli 2014, als in Gaza erneut ein Krieg tobte, sagte Erdogan, Israel habe Hitler in Sachen Barbarei übertroffen.