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Polioviren in Deutschland und weiteren EU-Ländern entdeckt

epa11694255 A health worker administers polio vaccines to a child during a door-to-door vaccination campaign in Karachi, Pakistan, 31 October 2024. Pakistan has commenced a nationwide anti-polio campa ...
Kind in Pakistan wird gegen Polio geimpft – im Westen sind die Viren auf dem Vormarsch.Bild: keystone

«Ein Weckruf»: EU-Behörde entdeckt Polioviren in fünf europäischen Ländern

24.01.2025, 08:03
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Wie in verschiedenen Teilen Deutschlands sind in vier weiteren europäischen Ländern Polioviren nachgewiesen worden. Sie wurden Forschenden zufolge zwischen September und Dezember 2024 auch in Abwasserproben in Spanien, Polen, Grossbritannien und Finnland entdeckt.

Dies geht aus einem Artikel in der Fachzeitschrift «Eurosurveillance» der EU-Gesundheitsbehörde ECDC hervor.

Wie das Robert Koch-Institut (RKI) bereits im vergangenen Jahr mitgeteilt hatte, traten die Funde in Deutschland an allen sieben regelmässig untersuchten Städten auf, nämlich in München, Bonn, Köln, Hamburg sowie in Dresden, Düsseldorf und Mainz.

In Finnland und Spanien war dagegen nur jeweils eine von fünf beziehungsweise zwei Probeentnahmestellen betroffen. In Polen waren es zwei von acht, in Grossbritannien vier von zwölf. Mancherorts kam es bei verschiedenen Messungen zu wiederholten Funden.

Polio Kinderlähmung Virus Symbolbild
Die gefundenen Viren gehen auf die Schluckimpfung zurück.Bild: Shutterstock

«Ein Weckruf»

Alle Stämme der Erreger seien genetisch miteinander verbunden gewesen, schrieben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Instituten und Behörden der besagten Länder sowie dem Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation WHO. Man müsse anhand der gesammelten Erkenntnisse eine breitere geografische Ausbreitung über die betroffenen Messstellen hinaus in Betracht ziehen, schrieben die Forscher, die von «einem Weckruf» sprachen.

Bei den gefundenen Erregern handelt es sich nicht um den Wildtyp des Poliovirus, sondern um Viren, die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern zurückgehen. Diese Schluckimpfung wird in Deutschland und den anderen betroffenen Ländern nicht mehr genutzt. Die Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss, dass die Viren höchstwahrscheinlich aus anderen Ländern eingeschleppt wurden, in denen diese Impfungen eingesetzt werden. Das ist vor allem in Afrika und Asien der Fall.

Besorgniserregende Zahlen beim Impfschutz

Polio ist eine ansteckende Infektionskrankheit, die dauerhafte Lähmungen hervorrufen oder auch zum Tod führen kann. Sie wird auch Kinderlähmung genannt, weil der Erreger einst so häufig war, dass der Kontakt damit meist schon im Kindesalter erfolgte. Verbreitet wird das Virus oft über verunreinigtes Wasser. Eine Therapie dagegen gibt es bisher nicht. Die Krankheit konnte durch Impfkampagnen in den meisten Ländern der Welt ausgerottet werden.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) und das RKI machten angesichts der gefundenen Polioviren jüngst aber darauf aufmerksam, dass nur 21 Prozent der Einjährigen in Deutschland vollständig gegen Polio geimpft seien – und das, obwohl die Grundimmunisierung bis zum Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte. Versäumte Impfungen werden zwar oft nachgeholt, trotzdem haben den Fachleuten zufolge nur 77 Prozent der Kinder in einem Alter von zwei Jahren einen vollständigen Impfschutz.

Nicht oder nicht vollständig geimpfte Menschen können sich nach RKI-Angaben mit vom Schluckimpfstoff abgeleiteten Polioviren infizieren und in seltenen Fällen an Kinderlähmung erkranken. (leo/sda/dpa)

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So läuft die Impfkampagne in Pakistan
Video: srf
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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Magnum
24.01.2025 12:17registriert Februar 2015
Ob Polio oder Masern: Es gäbe eine einfache Methode, diese Krankheiten im Griff zu halten. Aber je mehr Menschen sich auf Socialmedia informieren und Meinung mit Ahnung verwechseln, desto geringer wird die Impfquote in der Bevölkerung ausfallen...
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