Auf Instagram und Tiktok sind sie omnipräsent, auch wenn man sie nicht abonniert hat: Kurz-Workouts, präsentiert von Fitness-Influencern, die einem den schnellen Erfolg versprechen. Gerade trendet beispielsweise Wand-Pilates. Die Botschaft dazu lautet: «Mache es zwei Wochen lang und du wirst nie gesehene Erfolge verbuchen. Und das Beste: Du benötigst nicht mal eine Matte, eigentlich reicht die Wand neben dem Bürotisch.»
Selbst Yoga-Influencerinnen bieten unterdessen vermehrt kurze Klassen an, im Wissen darum, dass Zeit ein limitiertes Gut ist und man die Menschen kaum mehr mit 60- oder 90-minütigen «Sessions» gewinnen kann. Kurze Workouts für zu Hause scheinen die Antwort der Stunde auf die gestresste Gesellschaft. Und damit lässt sich – via Werbung – gutes Geld verdienen, selbst wenn viele der Angebote für die Nutzerinnen und Nutzer kostenlos sind.
Auf Youtube finden sich ebenfalls zahlreiche Videostrecken von Fitness-Influencerinnen zur freien Nutzung, ihre Trainings sind meist Abfolgen von Übungen mit dem eigenen Körpergewicht und ohne Geräte, die ohne Pausen aneinandergehängt werden.
Im deutschsprachigen Raum sind Pamela Reif, Sophia Thiel und Kaya Renz die bekanntesten sogenannten Fitfluencerinnen. Reif folgen allein auf Youtube über 10 Millionen Menschen. Sie hat Bücher veröffentlicht und einen eigenen Podcast.
Machten noch vor ein paar Jahren die sogenannten 7-Minuten-Workouts auf sich aufmerksam (siehe Kasten), bieten Influencerinnen wie die drei genannten Frauen heute zehnminütige Workouts an und versprechen damit einen flachen Bauch, einen starken Rücken, schlanke Beine oder einen runden Po. Doch halten diese Trainings, was sie versprechen?
Jan Seiler, Krafttrainingsexperte beim Bundesamt für Sport, sagt, auf den sozialen Medien beworbene Fitnessübungen seien oft von einem Trend getrieben und die damit verbundenen Versprechen aus wissenschaftlicher Sicht schwer haltbar. Wie effektiv ein Training tatsächlich sei, hänge von der Kombination von Dauer und Intensität ab. «Dabei gilt in der Regel: Je kürzer das Training, desto intensiver muss es sein.»
Bei einem Kurz-Workout sei die maximale Ausbelastung entscheidend, sagt Seiler. Damit gemeint ist die subjektiv empfundene körperliche Belastungsgrenze. Wenn man nur zehn Minuten trainiere, müsse man ans Limit gehen, egal ob man Kraft oder Ausdauer trainiere. Die Trainingswirksamkeit für Einsteigerinnen und Einsteiger sei dabei grundsätzlich grösser.
Je höher das Fitnesslevel, desto eher stossen die Kurz-Workouts an ihre Grenzen. Man erreicht ein Leistungsplateau, das im gegebenen Setting – nur mit Eigengewicht und in der begrenzten Zeitdauer – kaum zu überwinden ist. «Ich würde behaupten, dass man relativ schnell keine Fortschritte mehr macht, aber das ist abhängig von der Intensität.» Die Frage sei also auch: «Will ich mich physisch weiterentwickeln, oder geht es um reines Erhaltungstraining?»
Während ein kurzes Ausdauertraining eigentlich immer als unangenehm empfunden wird, kann Kraft auch in kurzen Übungszyklen ohne zwingenden Muskelschmerz trainiert werden, wie Seiler sagt. Gemeint sind kurze Sätze mit hohen Gewichten.
Die 10-Minuten-Workouts, die Seiler gesichtet hat, gehen hier einen anderen Weg: Fitfluencerin Pamela Reif zum Beispiel trainiert mit Trinkflaschen, also kleinen Gewichten, minutenlang ihre Schultermuskulatur. Das ist schmerzhaft, und bezogen auf die Anpassung respektive das Muskelwachstum mittelfristig ineffizient.
Ausdauertraining in kurzer Zeit laufe auf HIIT hinaus, sagt Seiler. Die Abkürzung steht für High Intensity Interval Training. Darunter wird heute vieles zusammengefasst. Typisch wäre beispielsweise ein Wechsel von Sprints und kurzen aktiven Pausen, in denen man also eine Kraftübung macht. «HIIT ist sehr schmerzhaft und intensiv, sprich unangenehm für den Kreislauf und kann bis an den Punkt gehen, an dem es zu Übelkeit kommt.» Diese Intensität allerdings erreichen die wenigsten der zehnminütigen Workouts, die in den sozialen Medien angeboten werden.
Christina Spengler, stellvertretende Leiterin des Instituts für Bewegungswissenschaften und Sport an der ETH Zürich, kommt zu einem fast identischen Fazit. Problem der Kurz-Workouts als einziges Workout und mit ausschliesslich Körpergewicht sei der Plateau-Effekt, der eigentlich nur durch den Einbau von Gewichten oder die Verlängerung des Trainings überwunden werden könne.
Bezogen auf die Ausdauer dürfe man nicht zu viel erwarten, zwar ist mit HIIT ein effizientes Ausdauertraining möglich, Zeitfenster von zehn Minuten sind aber sehr kurz gefasst. Denn die Ausdauerleistung basiert auf dem aeroben Stoffwechsel. Um die Ausdauer zu steigern, seien unter anderem mehr Enzyme nötig, welche die sauerstoffverbrauchenden Stoffwechselwege verbessern würden. Spengler empfiehlt deswegen, sich vor dem Training aufzuwärmen.
Seiler sieht die Vorteile der Kurz-Workouts vor allem in ihrer Zugänglichkeit, im minimalen Aufwand an Zeit und Ressourcen. Das könne sich auch positiv auf die Motivation auswirken. Spengler sagt: «Ein Vorteil der Programme ist, dass sich die Leute mit ihrer Gesundheit und dem Thema Fitness beschäftigen. Sportphysiologisch sind aber keine grossen Effekte zu erwarten.» (aargauerzeitung.ch)