An den von einem neuartigen Coronavirus ausgelösten Atemwegserkrankungen sind in China inzwischen mindestens neun Menschen gestorben. Insgesamt ist die Zahl der mit dem Erreger infizierten Menschen in der Volksrepublik auf 440 gestiegen.
Das teilte die chinesische Regierung am Mittwoch mit. Die bisherige Bilanz der Ausbreitung des Virus in China hatte bei sechs Toten und mehr als 300 Infizierten gelegen. Der für Gesundheitspolitik zuständige Vizeminister Li Bin warnte, dass das Virus mutieren und sich weiter ausbreiten könnte.
Der Gesundheitsausschuss der chinesischen Regierung kündigte verstärkte Vorsorgemassnahmen während des dichten Reiseverkehrs rund um den chinesischen Neujahrstag am kommenden Samstag an, darunter zusätzliche Desinfizierungen von Flughäfen und Bahnhöfen sowie in Einkaufszentren. Falls nötig, könnten in Zonen mit dichtem Andrang auch Temperaturmessungen bei Menschen vorgenommen werden.
Mit der Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest wächst die Gefahr einer Übertragung des Virus. Bei der grössten jährlichen Völkerwanderung sind einige hundert Millionen Chinesen unterwegs.
In den USA gibt es derweil den ersten Fall einer Infektion mit dem Virus aus China. Zuerst hatten der US-Sender CNN und die Zeitung «New York Times» darüber berichtet.
Die Infektion sei bei einem Reisenden aus China in Seattle nachgewiesen worden, teilte die für Seuchen zuständige US-Behörde CDC am Dienstag mit.
Laut der «New York Times» war der Patient vergangene Woche mit einer Lungenentzündug in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Er sei kürzlich in der chinesischen Provinz Wuhan gewesen.
Der Mann habe bei der Rückreise noch keinerlei Symptome bemerkt, sich dann aber zur Untersuchung in ein Krankenhaus begeben, hiess es. Er sei in gutem Zustand. Es bestehe nur ein sehr geringes Risiko, dass er weitere Menschen anstecken könne.
Gesundheitsexperten warnten vor besonders ansteckenden Patienten, die das Virus schneller streuen könnten. Fälle der so genannten «Super-Spreader» hatte es in China auch während der Sars-Pandemie gegeben, der in den Jahren 2002 und 2003 rund 800 Menschen in China zum Opfer gefallen waren.
Die meisten Infizierten leben in der zentralchinesischen Metropole Wuhan. Einzelne Infektionsfälle wurden auch aus Thailand, Japan, Südkorea und Taiwan gemeldet. Zudem gab die US-Gesundheitsbehörde CDC am Dienstag den ersten Fall einer Infektion mit dem neuartigen Virus in den USA bekannt.
Analysen des Erbguts der neuen Krankheiten haben laut dem Berliner Virusforscher Christian Drosten ergeben, dass es sich um eine Sars-Virus-Variante handelt. «Es ist dieselbe Virusart, nur in einer anderen Variante», sagte der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin.
Unterschiede gebe es vor allem bei den Proteinen, mit denen das Virus an menschliche Zellen andocke, sagte Drosten. Sars-Viren gehören zu den Coronaviren, die oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen verursachen. Allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie Mers dazu.
Bei Menschen in China ist die neue Erkrankung zum allgegenwärtigen Thema geworden. Erinnerungen an den Sars-Ausbruch wurden geweckt. Während der Pandemie war das Land praktisch zum Stillstand gekommen, Schulen blieben über Wochen geschlossen.
In Peking waren am Dienstag und Mittwoch ungewöhnlich viele Menschen mit Schutzmasken unterwegs. In einigen Geschäften waren die Masken bereits ausverkauft. Familien diskutierten, ob geplante Reisen über die Feiertage abgesagt werden sollten.
Das Nachbarland Nordkorea schloss wegen des Virus nach Angaben von Reiseagenturen vorerst seine Grenzen für ausländische Touristen. Nordkorea lasse von Mittwoch an keine Touristen mehr einreisen, teilten die in China ansässigen Agenturen Young Pioneer Tours und Koryo Tours mit. Von Nordkorea gab es zunächst keine offizielle Bestätigung.
Bisher ist nichts von einem eingeschleppten Fall der durch ein neuartiges Coronavirus ausgelösten Lungenerkrankung bekanntgeworden. Nordkorea hatte in der Vergangenheit schon einige Male aus Furcht vor der Einschleppung von Viruskrankheiten, etwa im Fall des Sars-Virus 2003 oder gegen Ebola 2014, vorübergehend seine Grenzen dichtgemacht.
Die WHO befasst sich am Mittwoch in einer Krisensitzung mit dem Virus. Nach einer Risikobewertung will sie darüber entscheiden, ob sie angesichts der sprunghaft gestiegenen Fallzahlen einen internationalen Gesundheitsnotstand ausruft. (sda/afp/dpa)