Die Ermittler im Fall der erschossenen Abgeordneten Jo Cox konzentrieren sich derzeit auf die rechtsextreme Spur des mutmasslichen Täters. Die Polizei geht zudem davon aus, dass es sich um ein gezieltes Attentat gehandelt hatte.
Die 41-jährige Labour-Parlamentarierin Cox sei am Donnerstag in einem gezielten Angriff getötet worden, sagte die Polizeichefin von West Yorkshire, Dee Collins, am frühen Freitagabend. Der am Tatort festgenommene Mann bleibe in Untersuchungshaft und die Verhöre gingen weiter.
Neonazi-Unterstützer
Nun würden allfällige rechtsextreme Verbindungen des 52-jährigen Tatverdächtigen untersucht, teilte die Polizei weiter mit. Auch die möglichen psychischen Probleme des Mann seien Gegenstand der Ermittlungen.
Nach dem tödlichen Attentat auf Cox wenige Tage vor dem EU-Referendum in Grossbritannien rätselt das Land über das Motiv des Angreifers. Nach Medienberichten soll der mutmassliche Täter allerdings psychisch krank sein und Sympathien für Neonazis hegen.
Er sei längere Zeit Unterstützer der US-Neonazi-Gruppe Nationale Allianz gewesen, schrieb die «Washington Post» unter Berufung auf das Southern Poverty Law Center. 1999 habe er sich ein Handbuch bestellt, in dem auch eine Gebrauchsanweisung zum Bau einer Pistole enthalten gewesen sei.
Täter psychisch krank?
Die britische Zeitung «Daily Telegraph» berichtete, der aus Schottland stammende Tatverdächtige habe früher eine Zeitung abonniert, die von einer südafrikanischen Pro-Apartheid-Organisation herausgegeben worden sei.
Brüder des mutmasslichen Attentäters äusserten allerdings Zweifel an einer politischen Motivation hinter dem Verbrechen. «Mein Bruder ist nicht gewalttätig, und er ist nicht besonders politisch.» Er sei psychisch krank, aber in Behandlung gewesen, sagte ein Bruder dem «Daily Telegraph».
Die 41-jährige Labour-Abgeordnete Jo Cox war am Donnerstag in der nordenglischen Grafschaft Yorkshire auf offener Strasse niedergestochen und niedergeschossen worden. Sie starb Stunden später im Spital. Politiker aller Parteien äusserten sich schockiert.
Drohungen erhalten
Britische Medien berichteten unter Berufung auf Augenzeugen, der Täter habe «Britain first» gerufen - das ist der Slogan der Brexit-Befürworter und auch der Name einer rechtsradikalen Partei. Cox war vehement für den Verbleib Grossbritanniens in der EU eingetreten.
Wie die Polizei mitteilte, hatte die Labour-Politikerin bereits vor Monaten gegen sie gerichtete Drohungen erhalten. Demnach beschwerte sie sich über «bösartige Mitteilungen», woraufhin ein Mann festgenommen und verwarnt wurde. Dabei habe es sich aber nicht um den mutmasslichen Angreifer vom Donnerstag gehandelt.
Sowohl die Verfechter des EU-Austritts als auch das Lager derer, die in der EU verbleiben wollen, setzten nach der Tat ihre Kampagnen aus. Diese sollten eigentlich am Wochenende wieder aufgenommen werden. Am Freitagnachmittag wurde aber entschieden, auch alle für Samstag geplanten Veranstaltungen abzusagen.
Fahnen auf Halbmast
Premierminister David Cameron bezeichnete den Mord als Tragödie. Er legte am Freitag zusammen mit Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn Blumen in Birstall nieder.
Corbyn nannte das Verbrechen einen «Anschlag auf die Demokratie». Am kommenden Montag werde das Parlament zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um der Toten zu gedenken, sagte Corbyn.
Im ganzen Land wurden Fahnen auf halbmast gesetzt. Vor dem Parlamentsgebäude in London wurden Blumen für Cox niedergelegt und Kerzen aufgestellt.
(sda/reu/afp)