Nach einem neuen Massenprotest in Hongkong ist es wieder zu Zusammenstössen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Sicherheitskräfte setzten am Sonntag Tränengas ein, um Aktivisten zu vertreiben, die Strassen blockierten.
Erstmals richtete sich der Protest nicht mehr nur gegen die Hongkonger Regierung, sondern auch direkt gegen Pekings Vertretung. Nach dem Protestmarsch zogen Hunderte Menschen zum Verbindungsbüro der chinesischen Führung. Einige bewarfen das Gebäude mit Eiern und schwarzer Farbe. Auch das Emblem der Volksrepublik wurde beschmutzt.
Chinas Staatsmedien reagierten empört. «Das ist ein Aufruhr», schrieb die «Global Times». Das Verbindungsbüro verurteilte den Angriff als Herausforderung der Autorität der Pekinger Zentralregierung und des Grundsatzes «ein Land, zwei Systeme», nach dem die chinesische Sonderverwaltungsregion autonom mit eigenen Freiheiten regiert wird.
Police use tear gas & rubber bullets during clashes with protesters in #HongKong pic.twitter.com/4d8xZ2nBib
— RT (@RT_com) July 21, 2019
Die Hongkonger Regierung kritisierte den Angriff als Verstoss gegen Recht und Ordnung, wie der Hongkonger Rundfunk RTHK berichtete.
Zu den Zwischenfällen kam es nach einem Protestmarsch, an dem nach Angaben der Organisatoren 430'000 Menschen teilgenommen hatten. Nach Schätzungen der Polizei, die in Hongkong in der Regel sehr niedrig ausfallen, sollen es nur 138'000 Teilnehmende gewesen sein.
Demonstranten blockierten Strassen in der Nähe des Regierungssitzes und des Parlaments, die jeweils mit massiven, zwei Meter hohen Absperrungen abgesichert worden waren.
Es gab auch Zusammenstösse zwischen regierungsfreundlichen Gruppen und Demonstranten. Schläger in weissen T-Shirts schlugen am U-Bahnhof Yuen Long mit Stöcken auf heimkehrende Demonstranten und Reporter ein, wie in Videos in sozialen Medien zu sehen war. Augenzeugen vermuteten, dass chinesische Triaden hinter den Angriffen der vermutlich angeheuerten Schläger steckten.
Die Demonstranten forderten einen förmlichen Rückzug des umstrittenen Auslieferungsgesetzes und auch eine unabhängige Untersuchungskommission, die die Polizeigewalt bei Zusammenstössen am Rande früherer Demonstrationen beleuchten soll.
Im Vorfeld hatte die Polizei ein Waffenlager in einem Lagerraum einer Unabhängigkeitsgruppe gefunden. Die Polizei stellte zwei Kilogramm Sprengstoff, Brandsätze, Säure, Messer und Metallstangen sicher. Ausser einem 27-Jährigen nahm die Polizei am Samstagabend zwei 25-Jährige fest. Die Ermittler untersuchten nach eigenen Angaben, ob ein Zusammenhang mit den Protestaktionen besteht.
Der Lagerraum war von der Hongkonger National Front gemietet worden, die für die Unabhängigkeit des chinesischen Territoriums eintritt. Die Gruppe beteuerte aber nach Medienberichten, nichts von dem Sprengstoff gewusst zu haben. Es seien dort nur Lautsprecheranlagen und Informationsmaterial gelagert worden. Der festgenommene 27-Jährige gehöre der Organisation an.
Die Polizei hatte auf «Geheimdienstinformationen» reagiert, als sie das Lager am Freitagabend entdeckte, wie die «South China Morning Post» berichtete. Bei dem Sprengstoff handelte es sich demnach um hochexplosives TATP (Triacetontriperoxid), das auch schon von Islamisten bei Anschlägen in Europa verwendet wurde. «Ich denke, es ist ohne Zweifel die grösste Menge, die wir jemals in Hongkong gefunden haben», wurde Superintendent Alick McWhirter zitiert.
Die frühere britische Kronkolonie kommt seit Wochen nicht zur Ruhe. Der Protest richtet sich gegen die Peking-treue Regierung und auch Chinas wachsenden Einfluss. Nach einer Demonstration am 1. Juli stürmten Aktivisten sogar das Parlament.
Auslöser der Proteste war das inzwischen auf Eis gelegte Gesetz für Auslieferungen von Personen an China, die von der chinesischen Justiz beschuldigt werden. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat den Gesetzentwurf seither ausgesetzt und für «gestorben» erklärt. Einen formellen Rückzug des Entwurfs, wie von den Demonstranten gefordert, lehnt sie aber ab.
Der Widerstand unter den sieben Millionen Hongkongern ist gross, weil Chinas Justiz nicht unabhängig ist und als Werkzeug der politischen Verfolgung dient. Auch warnen Kritiker vor Folter und Misshandlungen in China. (sda/dpa)