Einst schwor J. K. Rowling, nie wieder einen Roman über Harry Potter zu schreiben. Doch mit ihrem Zauberuniversum hat sie alles andere als abgeschlossen. Im Gegenteil: Die britische Erfolgsautorin legt gerade erst richtig los. «Fantastic Beasts and Where to Find Them» ist der Auftakt zu einer fünfteiligen Kinoserie, in der uns Rowling eine ganz neue Generation von Zauberern vorlegt.
Für den Film hat die 51-Jährige erstmals selbst das Drehbuch verfasst. Es spielt in New York im Jahr 1926 – also ganze sieben Jahrzehnte vor Harry Potters Geburt. Rowlings neuer Zauberheld heisst Newt Scamander und ist wie Harry ein scheuer, aber sympathischer Aussenseiter. Newts einzige Freunde sind die magischen Kreaturen, die er erforscht und in einem Zauberkoffer auf all seine Reisen mitnimmt.
Gespielt wird Newt vom britischen Oscargewinner Eddie Redmayne, den wir zusammen mit den anderen Darstellern am Tag vor der Weltpremiere in London zum Gespräch treffen. «Ich liebe Rowlings Romane; während meiner Unizeit sprach ich sogar mal für die Rolle des jungen Voldemort vor», erinnert sich Redmayne mit einem Grinsen zurück. «Ich traf den Assistenten des Assistenten der Castingbeauftragten und schaffte es bis zur dritten Dialogzeile, bevor ich wieder rausgeschickt wurde.»
Rund zwei Jahre nach dem Ende der «Harry Potter»-Kinoserie lief es für Redmayne bedeutend besser. Als ihn die Produzenten für die «Fantastic Beasts»-Hauptrolle ins Auge fassten, gab Rowling, die bei solchen Entscheidungen das letzte Wort hat, ihren Segen. «Sie beschrieb mir Newt als eine Art Buster-Keaton-Figur», erzählt Redmayne über sein erstes Gespräch mit der Autorin. «Er ist ein stiller Beobachter, der Mühe im Umgang mit anderen Menschen hat, sich aber umso besser mit seinen nicht ungefährlichen Kreaturen versteht.»
Gleich zu Beginn des Films trifft Newt auf den nicht magischen Bäcker Jacob Kowalski (gespielt von Dan Fogler) – der unglücklicherweise einen ähnlich aussehenden Koffer mit sich herumträgt. Eine folgenschwere Verwechslung später treiben Newts entwichene Kreaturen in New York ihr Unwesen. Auf der Jagd nach ihnen geraten Newt und Kowalski in etliche herrlich irrsinnige Situationen. «Die beiden sind ein bisschen wie Dick und Doof», findet Fogler. «In den Rollen steckt sehr viel Slapstick, das war ein grosser Spass.»
Weil neben einem kleptomanischen Schnabeltier auch gefährlichere Kreaturen plötzlich auf freiem Fuss sind, werden im Film zwei Schwestern von der magischen Sicherheitsbehörde auf den Plan gerufen: Tina und Queenie vervollständigen das Hauptquartett des Films. Für Queenie-Darstellerin Alison Sudol ist dabei ein Traum in Erfüllung gegangen. «J. K. Rowling ist meine Heldin. Als sie beim Dreh vorbeikam, war es, als würde ich die Queen treffen.»
Die vier Darsteller mögen etwas älter sein als das Darstellertrio aus den «Harry Potter»-Filmen und der Grundtenor von «Fantastic Beasts» etwas erwachsener: Trotzdem gelingt dem neuen Film ein erstaunlich eleganter Spagat zwischen neu und altbewährt. Schon ab der ersten Sekunde, wenn wieder die berühmte Titelmelodie aus den «Harry Potter»-Filmen erklingt, sorgt die Rückkehr in Rowlings fantastische Zauberwelt für wohlige Nostalgie.
Die Fans werden aufatmen: Weil hinter der Kamera etliche «Potter»-Veteranen zurückgekehrt sind, fügt sich «Fantastic Beasts and Where to Find Them» nahtlos ins bisherige Kinouniversum ein. Auch der neue Film sieht toll aus und ist vollgespickt mit liebenswerten Details und verschrobenen Figuren. Rowlings gewaltige Vorstellungskraft sucht immer noch ihresgleichen.
Das ist auch die Krux von «Fantastic Beasts and Where to Find Them». Rowling lässt im Film immer wieder anklingen, dass sich da am Horizont etwas Grosses zusammenbraut, das spannender ist, als was wir gerade sehen. Neben all den verheissungsvollen Hinweisen verkommt Newts Abenteuer beinahe zur banalen Nebensache.
Kein Wunder: Rowling will ihr Pulver nicht zu früh verschiessen. Die «Fantastic Beasts»-Reihe wird insgesamt fünf Filme umfassen und soll dereinst in einem epischen Duell zwischen dem bösen Zauberer Gellert Grindelwald (gespielt von Johnny Depp, der hier bereits in einem Kurzauftritt zu sehen ist) und Harry Potters späterem Mentor Professor Dumbledore gipfeln (siehe Interview).
«Rowling hat uns eine Ahnung davon vermittelt, was als Nächstes kommt – aber wenn wir etwas verraten, gibt's Ärger», sagt Eddie Redmayne. Und Tina-Darstellerin Katherine Waterston ergänzt: «Ich finde es nicht schlimm, dass wir in diesem Film erst so wenig über unsere Figuren erfahren. Umso mehr sind wir auf die Fortsetzungen gespannt!»
Nun, das wird sich nach dem Film auch manch ein Zuschauer denken. «Fantastic Beasts and Where to Find Them» ist eher Vorspeise als Hauptgang – macht aber definitiv Lust auf mehr.
David Heyman und David Yates, stimmt es, dass in den späteren Filmen ein junger Albus Dumbledore zu sehen sein wird?
David Heyman: Das ist richtig. Im zweiten Film
kehrt Dumbledore zurück, er wird gemeinsame Szenen mit Newt Scamander
haben. Wir sind gerade auf der Suche nach einem Darsteller für die
Rolle.
Was hat Ihnen Rowling sonst noch über die nächsten Filme verraten?
David Yates: Sie schreibt gerade das Drehbuch
zum zweiten Film, der im Jahr 1928 in Paris angesiedelt ist. Sie verriet
uns noch keine spezifischen Details, skizzierte uns aber einen groben
Umriss über die ganze Serie, die insgesamt 19 Jahre umfassen wird.
Das heisst, der letzte Film spielt im Jahr
1945. In diesem Jahr kam es gemäss den «Harry Potter»-Romanen zum
grossen Duell zwischen Dumbledore und dem bösen Zauberer Grindelwald.
Yates: (vorsichtig) Ich weiss nur, dass die
späteren Filme zur Zeit des Zweiten Weltkriegs angesiedelt sind. Aber
Rowlings Schreibprozess ist ein flüssiger, da kann sich noch viel ändern.
Grindelwald ist schon im ersten Film kurz zu sehen, gespielt von Johnny Depp. Warum fiel Ihre Wahl auf ihn?
Yates: Wir suchten jemanden, der mit der Figur
etwas Unerwartetes anstellen würde. Johnny Depp ist ein fantastischer
Schauspieler, der schon so viele unvergessliche Filmfiguren erschaffen
hat. Rowling war ganz aufgeregt, als er zusagte. Wir drehten seine
Szenen im Januar und waren völlig überrascht, dass wir seine Beteiligung
so lange geheim halten konnten!
Ist «Fantastic Beasts and Where to Find Them» der Titel der gesamten Filmreihe oder nur des ersten Films?
Heyman: Nur des ersten Films. Die Fortsetzungen
werden aber alle «Fantastic Beasts and...» heissen. Es ist wichtig, zu
verstehen, dass sich die «Beasts» im Titel nicht nur auf die Kreaturen
in Newts Koffer beziehen, sondern auch auf die Bestie, die im Innern
jeder Person schlummert.
«Fantastic Beasts and Where to Find Them»: Jetzt im Kino!