Der Iran verschärft seine Gesetze zur Einhaltung der Kopftuchpflicht erneut und schränkt die Rechte von Frauen weiter ein.
Künftig sollen auch Menschen bestraft werden, die Frauen ermutigen, ihr Kopftuch abzulegen, zitierte die halbamtliche Nachrichtenagentur «Mehr» den stellvertretenden Generalstaatsanwalt Ali Dschamadi am Samstag.
Berufung gegen entsprechende Urteile könne nicht eingelegt werden.
«Die Strafe für das Verbrechen, andere zu ermutigen, den Hidschab abzulegen, ist härter als die Strafe für das Verbrechen an sich, den Hidschab abzunehmen», sagte Dschamadi. Was genau unter den Tatbestand zur Ermutigung fällt und wie hoch das bestraft werden soll, sagte er nicht.
Zur Kontrolle der Kopftuchvorschrift hat die Polizei am Samstag Medienberichten zufolge damit begonnen, an öffentlichen Plätzen Kameras zu installieren. Damit sollen Frauen ohne Kopftuch entdeckt und identifiziert werden. Die Massnahme wurde vor einer Woche angekündigt.
Im Iran zeigen sich Frauen auch nach der gewaltsamen Niederschlagung der Protestkundgebungen immer wieder ohne das vorgeschriebene Kopftuch in der Öffentlichkeit – als Zeichen ihres Widerstands gegen die Regierung.
In sozialen Medien gibt es immer mehr Videos von Frauen ohne Kopftuch, die sich gegen die Sittenpolizei wehren. Die Verschärfungen der Gesetze kann also als ein weiterer Schritt der Einschüchterung der protestierenden Frauen gewertet werden.
Die Proteste richten sich aktuell auch gegen die systematischen Vergiftungen von Schülerinnen. In der Stadt Shahin Shahr in der Region Isfahan versammelten sich die Menschen am Samstag beispielsweise vor dem Gebäude der Bildungsverwaltung und riefen «Wir wollen kein kindermordendes Regime», berichtet das Portal 1500tasvir. Das Regime soll mit Tränengas gegen die Demonstrierenden vorgehen. Währenddessen gab es laut 1500tasvir einen weiteren Anschlag mit chemischem Gas auf eine Schule in Izeh, einer Stadt im Südwesten des Landes.
Ausgelöst wurden die Proteste durch den Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini, die Mitte September in Polizeigewahrsam gestorben war. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch falsch getragen haben soll.
Nach der 1979 im Zuge der islamischen Revolution eingeführten Scharia sind Frauen verpflichtet, ihr Haar zu bedecken und lange, locker sitzende Kleidung zu tragen, um ihre Figur zu verbergen. Wer dagegen verstösst, muss mit Geldstrafen oder Verhaftung rechnen. Die aktuellen Proteste richten sich gegen das Regime und die Einschränkung der Frauenrechte.
Schon seit Monaten war die berüchtigte Moralpolizei, die den Kopftuchzwang mit Patrouillen durchsetzte, fast gänzlich von den Strassen verschwunden. Viele Frauen in Irans Metropolen trugen inzwischen kein Kopftuch mehr.
Mehr als sechs Monate nach Beginn der jüngsten Protestwelle im Iran steht die politische und geistliche Führung des Landes weiter unter massivem Druck.
(t-online/dsc)