Mehr als eine Woche nach Beginn einer Grossoffensive gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) steht die irakische Armee nach eigenen Angaben vor der Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Tikrit. Demnach sind die Truppen erstmals seit Beginn der Kämpfe vor zehn Tagen ins Zentrum der Stadt vorgerückt.
Die Armee und mit ihr verbündete schiitische Milizen hätten Gebiete im Norden und Westen Tikrits unter ihre Kontrolle gebracht, darunter auch das Militärkrankenhaus, sagte ein örtlicher Gouverneur. An dem Einsatz im Norden Tikrits waren Soldaten, Polizisten und schiitische Milizen beteiligt. Die Nachrichtenseite Al-Mada meldete, Bagdads Kämpfer seien nach heftigen Gefechten auch von Süden her in die Stadt vorgestossen und hätten auf mehreren Gebäuden die irakische Flagge gehisst.
Wegen Dutzender Sprengfallen des IS kam der Vormarsch nur langsam voran. Sollte der IS Tikrit verlieren, wäre es die schwerste Niederlage für die sunnitischen Extremisten seit Beginn ihres Vormarsches im Irak vor neun Monaten. Tikrit ist die südlichste irakische Stadt, die der IS eingenommen hat.
30'000 Mann kämpfen in Tikrit gegen den IS
Tikrit, rund 170 Kilometer nördlich von Bagdad, liegt an einer Verbindungsstrasse zwischen der Hauptstadt und der IS-Hochburg Mossul im Nordirak. Die Extremisten hatten die Heimatstadt des früheren Langzeitherrschers Saddam Hussein im vergangenen Juni eingenommen. Tikrit gilt auch als Hochburg sunnitischer Gegner der von Schiiten dominierten Regierung in Bagdad. Der grösste Teil der Einwohner soll aus der Stadt geflohen sein.
Für die Offensive hat die irakische Regierung 30'000 Mann mobilisiert. Rund zwei Drittel der Kämpfer gehören nach US-Angaben zu schiitischen Milizen, die eng mit der ebenfalls schiitischen Islamischen Republik Iran zusammenarbeiten. Die Einnahme der Stadt gilt auch als Test für einen geplanten Angriff auf Mossul, die zweitgrösste Stadt des Landes.
IS startet Grossoffensive auf kurdische Dörfer in Syrien
Etwa 180 Kilometer südlich von Tikrit rissen IS-Kämpfer bei einer Reihe von Selbstmordanschlägen am Mittwoch mindestens zehn Menschen mit in den Tod. In Ramadi, der Hauptstadt der Provinz Anbar, liessen die Dschihadisten nach Polizeiangaben beinahe zeitgleich sieben mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge hochgehen. Ersten Erkenntnissen zufolge wurden ausserdem 30 Menschen verletzt. In IS-nahen sozialen Netzwerken hiess es, unter den Selbstmordattentätern seien ein Belgier, ein Syrer und ein Kämpfer aus dem Kaukasus gewesen.
Im Nordosten des Nachbarlandes Syrien rückte der IS weiter vor und startete eine Offensive auf eine von Kurden kontrollierte Region an der Grenze zur Türkei. Rund tausend Kämpfer der Extremisten hätten zwei Orte südlich der Grenzstadt Ras al-Ain angegriffen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Dutzende seien gestorben. In der Region hatten IS-Kämpfer Ende Februar mehrere Dörfer überrannt und mehr als 200 assyrische Christen verschleppt.
Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, Gegner der Extremisten hätten mithilfe von Luftschlägender Anti-IS-Koalition eine wichtige IS-Verbindungsroute zwischen Syrien und dem Nordirak abgeschnitten. In der Region nordöstlich der Stadt Al-Hasaka hatte es zuletzt heftige Kämpfe zwischen Kurden und Dschihadisten gegeben.
anr/AFP/Reuters/dpa