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Israel will Gaza-Stadt erobern – das Wichtigste in 5 Punkten

From aboard a Jordanian Air Force C-130, smoke is seen rising from Gaza City during an aid airdrop, Thursday, Aug. 7, 2025. (AP Photo/Raad Adayleh)
Jordan Israel Palestinians Gaza
Gaza-Stadt liegt bereits in Trümmern – nun will Israel das Gebiet vollständig erobern und temporär kontrollieren.Bild: keystone

Israel will Gaza-Stadt erobern – das Wichtigste in 5 Punkten

Rund 22 Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich Israels Führung für eine weitere Verschärfung der Kämpfe in dem Küstenstreifen entschieden – die Regierung will als erstes Gaza-Stadt erobern.
08.08.2025, 06:0508.08.2025, 11:21
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Darum geht es

Das israelische Sicherheitskabinett stimmte einem Plan zur Einnahme der Stadt Gaza zu, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am frühen Morgen mitteilte. Das Gremium billigte nach stundenlangen Beratungen einen entsprechenden Militäreinsatz.

Das Sicherheitskabinett beschloss nach Angaben des Büros des Ministerpräsidenten zudem fünf Prinzipien, um den Krieg im Gazastreifen zu beenden. Dazu gehörten unter anderem die militärische Kontrolle des Küstengebiets durch Israel und die komplette Entwaffnung der islamistischen Hamas sowie die Entmilitarisierung des Gazastreifens. Anschliessend solle dort ausserdem eine alternative Zivilregierung aufgebaut werden.

Israel kontrolliert gegenwärtig nach Medienberichten rund drei Viertel des weitgehend zerstörten Küstenstreifens, in dem insgesamt etwa zwei Millionen Palästinenser leben. Seit Anfang der Woche war über eine komplette Einnahme des Gazastreifens durch Israel spekuliert worden. Die nun beschlossenen Pläne gehen der offiziellen Mitteilung zufolge vorerst nicht so weit.

Der TV-Sender N12 berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten, der nun beschlossene Einsatz fokussiere sich ausschliesslich auf die Stadt Gaza im Norden des Küstengebiets. Ziel sei die Evakuierung der Bewohner in Flüchtlingslager im zentralen Abschnitt des Gazastreifens – dies solle bis Anfang Oktober geschehen. Offizielle Details gab es dazu zunächst nicht.

Angriff als mögliche Verhandlungstaktik in Waffenruhe-Gesprächen

Monatelange indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas über eine neue Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln waren zuvor ergebnislos geblieben.

«Ich verstehe genau, was die Hamas will. Sie will keinen Deal», hatte der Netanjahu zuletzt in einer Video-Botschaft erklärt. Er sei nun noch entschlossener, die Geiseln zu befreien, die Hamas zu zerschlagen und sicherzustellen, dass vom Gazastreifen unter der Herrschaft der Terrororganisation nie wieder eine Gefahr für den Staat Israel ausgehe.

Medien spekulierten zuvor, dass die nun konkrete Ankündigung einer Ausweitung der Kämpfe auch Teil einer Verhandlungstaktik sein könnte, um die Hamas in den Verhandlungen um eine Waffenruhe massiv unter Druck zu setzen. Israelische Politiker deuteten eine solche Strategie an. Der N12-Sender berichtete, die Vermittlerstaaten Katar und Ägypten würden bereits Druck auf die Hamas ausüben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Netanjahu rückt wieder von dauerhaften Besetzungsplänen ab

In einem Interview mit dem US-Sender Fox News kurz vor Beginn der Sitzung des Sicherheitskabinetts sagte Netanjahu, Israel wolle die Kontrolle über den gesamten Gazastreifen übernehmen, das Gebiet aber nicht dauerhaft besetzen. Es solle von der Hamas befreit werden, um es schliesslich an andere Kräfte zu übergeben. Dies müssten Kräfte sein, die nicht wie die islamistische Terrororganisation Hamas zur Vernichtung Israels aufriefen.

Netanjahu sagte weiter:

«Wir wollen ihn (den Gazastreifen) nicht behalten. Wir wollen eine Sicherheitsgrenze haben. Wir wollen ihn nicht regieren.»

Konkret sagte Netanjahu, den Gazastreifen an «arabische Kräfte» übergeben zu wollen.

Weiter Geiseln in Gaza festgehalten

Nach israelischer Einschätzung befinden sich derzeit noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen etwa 20 noch am Leben sein sollen. Medienberichten zufolge hatte die Armeeführung Bedenken gegen den ursprünglichen Plan zur Komplett-Eroberung des Gazastreifens geäussert.

Immer wieder wurde gewarnt, ein solcher Vorstoss könnte die Geiseln gefährden. Auch Angehörige der Entführten hatten sich gegen militärische Befreiungsversuche ausgesprochen und auf eine Einigung zur Beendigung des Kriegs gedrängt. Kritiker werfen Netanjahu vor, den Krieg aus politischen Gründen zu verlängern, um seine Koalitionspartner zufriedenzustellen.

Tausende Menschen gingen in Jerusalem und Tel Aviv auf die Strasse. Sie demonstrierten gegen die geplante Ausweitung im Gazastreifen:

Video: extern/CH Media Video Unit

Ausgelöst wurde der Gaza-Krieg durch den Überfall der Hamas und weiterer islamistischer Terrororganisationen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1'200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seither sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 61'000 Menschen getötet worden.

Warnung vor Hungersnot und Plünderungen in Gaza

Die Vereinten Nationen hatten eine weitere Verschärfung der Kämpfe als «zutiefst alarmierend» bezeichnet. Ein solcher Schritt könne «katastrophale Folgen für Millionen Palästinenser» haben, warnte der UN-Diplomat Miroslav Jenca vor wenigen Tagen. Nach UN-Angaben anhand von Satellitenaufnahmen sind im Gazastreifen rund 70 Prozent der Häuser zerstört oder stark beschädigt. In Chan Junis und Teilen von Rafah sollen es 80 bis 90 Prozent sein.

Die UN und internationale Hilfsorganisationen warnen bereits eindringlich vor einer Hungersnot im umkämpften Gazastreifen, in dem rund zwei Millionen Menschen unter katastrophalen Bedingungen leben. Zwar erlaubt Israel wieder die Einfuhr grösserer Mengen an Hilfsgütern in das blockierte Gebiet. Viele dieser Lieferungen erreichen jedoch nicht die Bedürftigsten, da sie bereits vor ihrer Verteilung geplündert werden – von Zivilisten und bewaffneten Gruppen. (sda/dpa/con)

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92 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FACTS
08.08.2025 07:50registriert April 2020
"Ziel sei die Evakuierung"

Ethnische Säuberung ist schon sehr euphemistisch für die gewaltsame Vertreibung aus der Heimat, aber das Vokabular der israel. Regierung treibt es auf die Spitze. Neben dem Eingangs genannten ist mein unrühmlicher Favorit: "zur freiwilligen Ausreise bewegen", wobei "bewegen" anzeigt, dass die Ausreise alles andere alsfreiwillig erfolgen soll - ausser man erachtet es als freiwillig, wenn man nach Zerstörung aller Lebensgrundlagen und Bedrohung mit dem Tod das Heimatland verlässt.
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Gitzipeter
08.08.2025 06:29registriert August 2023
Die sind wahnsinnig und verbrecherisch.
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Rumpelstilz
08.08.2025 07:37registriert Mai 2014
Also ich weiss, welche Partei weiteres Blutvergiessen verhindern könnte...
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