Die angestrebte Entspannung der Lage auf dem Jerusalemer Tempelberg durch Videoüberwachung hat zu neuem Streit geführt. Die für die Verwaltung des Geländes zuständige islamische Stiftung beschuldigte die israelische Polizei, die Anbringung von Kameras zu verhindern.
Mitarbeiter der Frommen Stiftung (Wakf) hätten «am Montagmorgen mit der Installation der Kameras begonnen, aber die israelische Polizei schritt ein und stoppte die Arbeiten», erklärte die Wakf in einer Protestnote.
Zwei Tage zuvor hatte US-Aussenminister John Kerry in Amman angekündigt, die Konfliktparteien seien sich einig, mittels permanenter Videoüberwachung die Spannungen auf dem Hochplateau abzubauen. Dort stand bis zur Zerstörung durch die Römer im Jahr 70 der Zweite Jüdische Tempel; vor 1300 Jahren wurden der islamische Felsendom und die Al-Aksa-Moschee errichtet.
«Wir verurteilen entschieden die israelische Einmischung in die Arbeit der Wakf und werten dies als Beweis dafür, dass Israel nur eigene Kameras zulassen will, die lediglich seinen Interessen und nicht der Wahrheit und Gerechtigkeit dienen», heisst es in der Erklärung weiter. Die israelische Polizei wollte dazu zunächst keine Stellungnahme abgeben.
Der Vorschlag zur 24-stündigen Videoüberwachung des Geländes kam von Jordaniens König Abdullah II., dessen Aufsicht die Fromme Stiftung für die muslimischen Stätten in Jerusalem unterstellt ist. Die Kameras sollen als Abschreckung dienen, um auf dem Tempelberg Provokationen sowohl von radikalen Palästinensern als auch von nationalreligiösen Juden, die das für nicht-Muslime geltende Gebetsverbot missachten, zu unterbinden oder zu ahnden.
Der Direktor der Wakf, Scheich Asam al-Chatib, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Entscheidung, bereits am Montag Kameras anzubringen, sei von König Abdullah II. selbst gekommen. «Denn nur die jordanische islamische Wakf hat das Recht, diese Massnahme auszuführen.»
Der Konflikt um den Tempelberg ist ein wichtiger Auslöser der seit Monatsbeginn nahezu täglichen Attacken von Palästinensern auf Israelis mit Messern und in Einzelfällen mit Schusswaffen. So verletzte bei Hebron am Montag erneut ein Palästinenser einen 19-jährigen Israeli mit einem Messer schwer im Nacken, bevor er von Soldaten erschossen wurde.
Seit Monatsbeginn wurden acht Israelis bei Anschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum starben bei Attacken oder Protesten 54 Palästinenser und ein arabischer Israeli. Etwa die Hälfte von ihnen waren erwiesene oder mutmassliche Attentäter.
Zugleich wurden laut einer Statistik des Palästinensischen Gefangenen-Klubs bei Razzien seit dem 1. Oktober mehr als tausend Palästinenser und arabische Israelis festgenommen, die meisten zwischen 15 und 25 Jahren alt. Schwerpunkt war demnach Hebron mit 221 Festnahmen, gefolgt von Ost-Jerusalem (201) und Ramallah (138). Im Zuge der Unruhen seien in Israel selbst 160 Angehörige der arabischen Minderheit festgenommen worden.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bekräftigte am Montag, Israel werde sich «dem Terror nicht beugen». Bei einer zentralen Gedenkveranstaltung für den vor 20 Jahren ermordeten damaligen israelischen Regierungschef Izchak Rabin bezeichnete Netanjahu die Tat als «eine nicht verheilte Wunde».
Ein rechtsradikaler jüdischer Fanatiker hatte Rabin am 4. November 1995 nach einer Friedensdemonstration in Tel Aviv erschossen, um Gebietsabtritte an die Palästinenser zu verhindern. In dieser Woche sind mehrere Rabin-Gedenkveranstaltungen geplant. Bei einer Demonstration am Samstagabend in Tel Aviv wird auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton als Redner erwartet. (sda/afp)