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Italien

Terrorist tarnt sich als Flüchtling: Erster Fall bekannt

Ein als Flüchtling getarnter Terrorist hat es nach Italien geschafft: Wie gefährlich ist der Tunesier Mehdi Ben Nasr?

10.11.2015, 08:4211.11.2015, 09:18
Kian Ramezani
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Zusammen mit 200 Flüchtlingen hatte ihn die italienische Marine am 4. Oktober in der Strasse von Sizilien gerettet und ins Auffanglager von Lampedusa gebracht. Dort gab der Tunesier laut dem «Corriere dell Sera» folgende Erklärung ab:

«Ich heisse Mohammed Ben Sar, bin ein politischer Flüchtling und bitte um Asyl, um nach Nordeuropa zu gehen, wo ich Verwandte habe. Helfen Sie mir.»

Drei Tage lang hielt er an dieser Lüge fest, bis er sich seine Fingerabrücke abnehmen lassen musste: Mohammed Ben Sar war in Wirklichkeit Mehdi Ben Nasr und ein verurteilter Terrorist. Die italienische Regierung entschied, die Sache zunächst geheim zu halten, um eine Panik zu vermeiden: Verschiedene Politiker warnen davor, dass sich Terroristen als Flüchtlinge tarnen und so unerkannt nach Europa gelangen. Innert weniger Tage wurde Ben Nasr in seine tunesische Heimat abgeschoben und dort den Behörden übergeben.

Die italienische Küstenwache bringt Flüchtlinge auf die Mittelmeer-Insel Lampedusa.
Die italienische Küstenwache bringt Flüchtlinge auf die Mittelmeer-Insel Lampedusa.
Bild: EPA/ANSA

«Alles ein grosses Missverständnis»

Mehdi Ben Nasr arbeitete unauffällig als Maurer, als er 2007 zusammen mit einem Dutzend anderen Dschihadisten von Spezialeinheiten der Carabinieri verhaftet wurde. Der heute 38-Jährige war damals über einen längeren Zeitraum abgehört worden. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, Selbstmordattentäter für den Irak und Afghanistan zu rekrutieren und Anschläge in diesen Kriegsregionen zu organisieren.

Wenige Tage vor seiner Verhaftung wurde etwa ein Anruf nach Damaskus aufgezeichnet – Syrien war während des Irakkriegs das Einfallstor für Dschihadisten. In dessen Verlauf gab Ben Nasr Instruktionen und Kontaktadressen durch. In seiner Wohnung wurden später Propagandamaterial sowie Anleitungen zum Bau von Sprengsätzen sichergestellt. 

Während der Gerichtsverhandlung stritt Ben Nasr alles ab. Es handle sich um ein grosses Missverständnis. Der Staatsanwalt fragte ihn, was er mit folgender Aussage meinte, die aufgezeichnet worden war:

«So Gott will, wirst du mit deinem Auto voller Sprengstoff als Märtyrer sterben.»

Das sei doch nicht ernst gemeint, sondern ein Witz gewesen, antwortete Ben Nasr. Das Gericht kaufte ihm das nicht ab und verurteilte ihn zu sieben Jahren Gefängnis, die er in der Hochsicherheitsanstalt von Benevento absass. Vergangenes Jahr war er nach Verbüssung seiner Strafe nach Tunesien abgeschoben und mit einem Wiedereinreiseverbot belegt worden.

Sein erneutes Auftauchen in Europa ist beunruhigend, zumal als Flüchtling getarnt. Mehdi Ben Nasr ist der erste bekannt gewordene Fall dieser Art. Er zeigt allerdings auch, dass die Abwehrmechanismen funktionieren.

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mal bist du der Hund, mal der Baum
10.11.2015 10:09registriert September 2015
Einige Comments sind an Naivität kaum zu überbieten! Wenn ein paar Tote durch einen potenziellen Anschlag hier zu rechtfertigen sind: Wer ist bereit, seine Kinder oder Angehörige zu opfern? Warum ist jemand, welcher für seine Überzeugung zu sterben bereit ist - nicht auch gewillt, in ein Flüchtlingsboot zu sitzen? Ich will eine möglichst sichere Schweiz, ich will weiterhin eine gute Lebensqualität für mich und meine Kinder! Und das steht nicht im Widerspruch zu humanitären Pflichten. Warum diskutiert man nicht endlich ernsthaft, wie effektiv VOR ORT geholfen werden kann?
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Marmot
10.11.2015 09:12registriert November 2015
"Er zeigt allerdings auch, dass die Abwehrmechanismen funktionieren."

Mutige Behauptung, denn man kann unmöglich wissen, wieviele Fälle nicht aufgedeckt werden.
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Caprice
10.11.2015 09:17registriert April 2014
Ich gehe mal schwer davon aus, dass es die grossen Terrornetzwerke nicht für nötig haben, einen der ihrigen auf die brandgefährliche Reise übers Mittelmeer zu schicken sondern viel einfachere Strategien haben (Rekrutierung übers Internet, Staatsbürger der europäischen Union welche Anschläge verüben können). Da macht mir dieser Fall nicht wirklich Sorgen und ich finde es richtig, haben die Italiener dies nicht aufgebauscht.
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