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Nach Ausschreitungen im Kosovo: Nato schickt Truppen, EU appelliert

Nach Ausschreitungen im Kosovo: Nato schickt Truppen, EU appelliert

30.05.2023, 19:2930.05.2023, 22:07
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Nach den jüngsten Ausschreitungen im Kosovo verstärkt die Nato ihre Truppenpräsenz um mehrere Hundert Soldaten. Das zuständige Kommando im italienischen Neapel kündigte am Dienstag an, mehrere Verbände aus der Bereitschaft in das kleine Balkanland zu entsenden, um die Nato-geführte Kosovo-Schutztruppe KFOR zu verstärken. Aus Militärkreisen in Brüssel hiess es, es handele sich um ein Kontingent von etwa 700 Soldaten. Die Europäische Union (EU) verurteilte die Gewalt gegen KFOR-Truppen aufs Schärfste.

Am Montag war es im serbisch bevölkerten Norden des Kosovos zu schweren Ausschreitungen gekommen. Militante Serben griffen in der Ortschaft Zvecan KFOR-Truppen mit Brandsätzen und Steinen an. Diese setzten Tränengas und Blendgranaten ein. 30 italienische und ungarische Soldaten sowie mehr als 50 Serben erlitten Verletzungen.

Nato-Generalsekretär bestätigt deutliche Truppenaufstockung im Kosovo
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die deutliche Aufstockung der Friedensmission für das Kosovo wegen des jüngsten Gewaltausbruchs in dem Land bestätigt. «Wir haben beschlossen, 700 weitere Soldaten aus der Einsatzreserve für den westlichen Balkan zu entsenden», sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstagabend bei einer Pressekonferenz in der norwegischen Hauptstadt Oslo.

Zusätzlich werde noch ein weiteres Bataillon mit Reservekräften in höhere Einsatzbereitschaft versetzt, um es bei Bedarf ebenfalls schnell verlegen zu können. Zahlen dazu nannte Stoltenberg nicht. In der Regel besteht ein Bataillon aus etlichen Hundert Soldaten.

Stoltenberg sagte am Dienstag, Angriffe auf die KFOR-Truppen seien inakzeptabel und müssten sofort beendigt werden. Die Truppe werde «alle erforderlichen Massnahmen ergreifen, um ein sicheres und stabiles Umfeld für alle Bürgerinnen und Bürger im Kosovo zu gewährleisten». Sie werde im Einklang mit ihrem UN-Mandat weiterhin unparteiisch handeln.

Die Regierungen in Pristina und Belgrad rief Stoltenberg zu konkreten Schritten zur Deeskalation auf. Die Gewalt werfe das Kosovo und die gesamte Region zurück und gefährde die Bestrebungen nach einer weiteren Einbindung in den euroatlantischen Raum, warnte er.
sda/dpa

Die Serben im Nord-Kosovo protestieren seit Tagen gegen die Einsetzung neuer Bürgermeister in drei Gemeinden. Das heute fast ausschliesslich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Serbien erkennt diesen Schritt bis heute nicht an und verlangt die Rückgabe seiner ehemaligen Provinz.

«Gewalttaten gegen Bürger, gegen Medien, gegen Strafverfolgungsbehörden und die KFOR-Truppen sind absolut inakzeptabel», sagte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag in Brüssel. Sie führten «zu einer sehr gefährlichen Situation». Beide Parteien müssten unverzüglich alles dafür tun, um zu deeskalieren und wieder für Ruhe zu sorgen.

Bereits am vergangenen Freitag war es in Zvecan zu Unruhen gekommen, als die kosovarische Polizei den neuen Bürgermeister ins Gemeindeamt eskortierte. Die KFOR-Truppen traten schliesslich an die Stelle der Kosovo-Polizei, um die Amtsgebäude im Nord-Kosovo zu sichern. In Zvecan eskalierte die Situation am Montag, als die KFOR-Einheiten die gewalttätig gewordene Menge aufzulösen begannen.

EU-Vertreter und die Aussenministerien von fünf westlichen Ländern, darunter Deutschland, hatten bereits den Einsatz der Kosovo-Polizei am Freitag in Zvecan verurteilt. Ihnen zufolge hat der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti damit die Lage unnötig angeheizt.

Kurti machte wiederum das Nachbarland Serbien für die Unruhen verantwortlich. Bei den Demonstranten im Norden handle es sich zum Grossteil um «einen Haufen Extremisten unter Anleitung des offiziellen Belgrads», sagte er am späten Montagabend nach Angaben seines Amtes in einem Gespräch mit den Botschaftern der fünf westlichen Länder.

EU-Chefdiplomat Borrell forderte die kosovarischen Behörden am Dienstag auf, die Polizeieinsätze im Norden des Landes einzustellen. Von den militanten Serben verlangte er, sich zurückzuziehen. «Wir haben schon jetzt zu viel Gewalt in Europa. Wir können uns keinen weiteren Konflikt leisten», sagte er. Borrell versucht derzeit, zwischen den Regierungen Serbiens und des Kosovos zu vermitteln.

Im Nord-Kosovo blieb es am Dienstag ruhig. Mehrere Tausend Serben demonstrierten in den Orten Zvecan, Leposavic und Zubin Potok gegen den Amtsantritt der neuen Bürgermeister, die aus der albanischen Volksgruppe kommen. Sie waren im Vormonat gewählt worden, wobei fast alle Serben die Gemeindewahlen boykottierten, weshalb die Wahlbeteiligung unter vier Prozent lag.

Die KFOR war 1999 nach einer Nato-Intervention gegen Serbien mit rund 50 000 Mann ins Kosovo eingerückt. Aufgrund eines Mandats des UN-Sicherheitsrats ist sie für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Heute gehören ihr noch etwa 3800 Soldaten an, die meisten von ihnen kommen aus Italien, den USA, Ungarn und der Türkei. Deutschland nimmt noch mit etwa 70 Soldaten am KFOR-Einsatz teil. (sda/dpa)

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