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Vergewaltigungen und Zwangsprostitution: Frauenverbände kritisieren unhaltbare Zustände in deutschem Asylzentrum

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Auffanglager in Giessen
Diese Flüchtlinge kommen aus Afghanistan und Pakistan.
quelle: x00446 / kai pfaffenbach
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Vergewaltigungen und Zwangsprostitution: Frauenverbände kritisieren unhaltbare Zustände in deutschem Asylzentrum

Die Lage im Auffangzentrum für Flüchtlinge im deutschen Giessen ist «äusserst unbefriedigend und nicht haltbar», wie Frauenverbände in einem offenen Brief an die Behörden klagen. Allein reisende Frauen seien «Freiwild».
19.09.2015, 11:22
Daniel Huber
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16'500 Flüchtlinge sind derzeit in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) in Giessen untergebracht. Die Zustände in einem der grössten deutschen Auffangzentren für Flüchtlinge, das aus über 20 Standorten besteht, sind prekär: Besonders allein reisende Frauen mit und ohne Kinder können sich dort offenbar nicht sicher fühlen – es soll zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. 

«Frauen und Kinder sind die schutzbedürftigste Gruppe unter den Flüchtlingen.»
Aus dem Brief der Giessener Frauenverbände 

Das geht aus einem offenen Brief hervor, den drei Giessener Frauenverbände an den hessischen Sozialminister Stefan Grüttner und den Regierungspräsidenten Lars Witteck geschrieben haben. Sie beklagen darin – wie der «Giessener Anzeiger» berichtet –, es fehle jegliche Intimsphäre, besonders bei der Unterbringung in Zelten, aber auch in gemischt belegten Häusern. Es gebe «nicht zu leugnende sexuelle Übergriffe auf Frauen und Kinder». 

«Frauen und Kinder sind die schutzbedürftigste Gruppe unter den Flüchtlingen», heisst es in dem Schreiben. Die Verfasserinnen fordern daher, diese Gruppe solle in Häusern untergebracht werden, zu denen männliche Flüchtlinge keinen Zugang haben. Zimmer, Duschen und Toiletten sollten überdies abschliessbar sein.

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Frauen als «Freiwild»

Bei dem offenen Brief der Verbände handelt es sich nicht um die erste öffentliche Kritik an den Zuständen in der HEAE. Schon vor Monatsfrist hatten mehrere Frauenvereine die Missstände in einem Schreiben an die frauenpolitischen Sprecherinnen der Landtagsfraktionen in drastischen Worten angeprangert. Weil dieser Brief danach in Neonazi-Foren herumgeboten wurde, entfernten ihn die Verfasserinnen unter Verweis auf die «missbräuchliche Verwendung» von der Seite

In dem Schreiben war die Rede von «zahlreichen Vergewaltigungen», «sexuellen Übergriffen» und «zunehmender Zwangsprostitution» im Lager. Frauen und Kinder litten unter der Unterbringung in Grosszelten, den nicht getrennten sanitären Einrichtungen und fehlenden Rückzugsräumen. Diese Verhältnisse spielten «denjenigen Männern in die Hände, die Frauen ohnehin eine untergeordnete Rolle zuweisen und allein reisende Frauen als ‹Freiwild› behandeln.» 

«Sitzblockaden, Bedrohungen, tätliche Angriffe und Selbstmorddrohungen gehören zum Alltag.»
Peter Wadakur, Gewerkschaft Verdi

Der «Giessener Anzeiger» schreibt, der Polizeisprecher habe bestätigt, «dass der Polizei Erkenntnisse und Anzeigen wegen sexueller Übergriffe vorliegen würden, aber nicht in dem beschriebenen drastischen Masse.» Möglicherweise sei aber das «mangelnde Anzeigeverhalten der Opfer» dafür verantwortlich. 

«Ausnahmezustand» im Lager

Scharfe Kritik an den Zuständen in der HEAE hatte zudem Ende Juli Peter Wadakur geäussert. Der Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Mittelhessen geisselte die hygienischen Verhältnisse und die Arbeitsbedingungen des Personals in der HEAE. In dem Lager herrsche seit Wochen «der Ausnahmezustand», sagte Wadakur laut dem «Giessener Anzeiger»

«Viele Vergewaltigungen werden nicht angezeigt, aber ich weiss von Organisationen wie ProFamilia, dass diese Probleme auflaufen.»
Klaus-Dieter Grothe, Grünen-Politiker

Flüchtlinge müssten auf Matratzen, in Garagen und unter freiem Himmel schlafen. Bei den Fahrten zwischen den verschiedenen Standorten komme es «häufig zu Diebstählen, Bedrohungen und Handgreiflichkeiten unter den Asylbewerbern. Die Beschäftigten stehen dem hilflos gegenüber.»

Bereits vor einem Jahr war die Rede von Platzproblemen in der HEAE.  
YouTube/rheinmaintv

Eine vernünftige Betreuung sei nicht mehr möglich: «Sitzblockaden, Bedrohungen, tätliche Angriffe und Selbstmorddrohungen gehören zum Alltag. Immer öfter benötigen die Mitarbeiter die Unterstützung von Security und Polizei.»

Ins gleiche Horn stiess Mitte August auch der Mediziner und Lokalpolitiker der Grünen, Klaus-Dieter Grothe. In einem Interview mit hessenschau.de bemängelte er, die Situation sei wie in Lampedusa. Es gebe einfach zu viele Menschen in den Unterkünften. Dies führe zu Gewalt, auch gegen Frauen: «Viele Vergewaltigungen werden nicht angezeigt, aber ich weiss von Organisationen wie ProFamilia, dass diese Probleme auflaufen.»

Das staatliche Gewaltmonopol sei unter diesen Umständen kaum mehr aufrechtzuerhalten, moniert Grothe. Es würden sich «informelle Machtstrukturen» bilden. «Und es sind dann selten die Hilfsbedürftigen, die die Macht übernehmen.»

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Flüchtlinge nach Nationalitäten trennen

Um die Probleme in den Griff zu bekommen, schlägt Grothe vor, mehr Lager und kleinere Einheiten einzurichten. Auch er fordert Räume ausschliesslich für allein reisende Frauen und Kinder. Ausserdem ist er dafür, die Flüchtlinge stärker nach Nationalitäten zu trennen, um Konflikte zu vermeiden.  

Die Pressesprecherin des Regierungspräsidiums Giessen, Gabriele Fischer, konnte gegenüber watson dagegen nicht bestätigen, dass es in der HEAE häufig zu sexuellen Übergriffen komme. Das Sicherheitspersonal sei angehalten, «jedwede strafbare Handlung bei der Polizei anzuzeigen». Die Polizei sei überdies mit einer mobilen Wache vor Ort in Giessen und «bestreife die Einrichtung in regelmässigen Abständen». 

Auf dem Weg in ein besseres Leben: Hunderte Flüchtlinge treffen mit dem Zug in München ein

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Auf dem Weg in ein besseres Leben: Hunderte Flüchtlinge treffen mit dem Zug in München ein
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quelle: epa/dpa / sven hoppe
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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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atomschlaf
19.09.2015 12:02registriert Juli 2015
Aha. Offenbar waren die ähnlich lautenden Berichte, die ausserhalb der Mainstream-Medien schon länger kursieren, doch keine rassistische Propaganda. Die Realität beginnt ihr hässliches Gesicht zu zeigen.
Aber das ist nun mal das zu erwartende Resultat, wenn man Männer aus frauenverachtenden Kulturen und mit nur rudimentärster Bildung unkontrolliert einreisen lässt.
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Chlinae_Tigaer
19.09.2015 12:05registriert Mai 2015
Zitat;

Diese Verhältnisse spielten «denjenigen Männern in die Hände, die Frauen ohnehin eine untergeordnete Rolle zuweisen und allein reisende Frauen als ‹Freiwild› behandeln.» Zitatende.


Wieso nur denk ich da an den Islam?

Wieso kann man die Dinge, die sind, nicht benennen?

Angst?
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Pipapo
19.09.2015 11:46registriert September 2015
Aber das sind doch alles ganz Liebe und Nette, die in Europa Schutz suchen... Wie kann das sein?
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