Mit ernster Miene steht er auf dem Deck eines Schiffes, die Sonne scheint ihm ins Gesicht, der Wind weht im durch das volle Haar. Seine Hand umklammert eine Stange, an der die jemenitische Flagge flattert – und die Internetgemeinde dreht durch. Sie nennen ihn den «Hot Huthi» oder «Jihadi Depp».
Dass die Videos eigentlich von ernsthaftem Inhalt sind, interessiert die verknallten Internetuserinnen und -user herzlich wenig. Sie haben nur noch Augen für den ihrer Meinung nach «Hot Houthi». Sein voluminöses Haar und die grünen Augen brachten ihm bereits den Übernamen «Timhouthi Chalamet», angelehnt an Hollywood-Schauspieler Timothy Chalamet, ein.
I might perhaps share his chapter with Timothée Chalamet, what do you think?
— راشد الحداد (@r42r43) January 18, 2024
قد ربما أشارك في بطوله معا تيموثي شالاميه ما رايكم ؟#راشد_الحداد pic.twitter.com/7wslqg0oos
Der «heisse Huthi» – der eigentlich Rashid Al-Haddad heisst, und von dem man gar nicht weiss, ob er wirklich ein Huthi ist – erinnerte am Dienstag auf Twitter daran, worum es ihm mit seinen Beiträgen wirklich geht. Auf X teilte er einen Screenshot eines von Newsweek publizierten Artikels und schrieb dazu:
انا لم اتحدث عن الجمال او عن اي شي اخر وانما قضيتنا فلسطين وليس هذا هو وقت التحدث عن الجمال اتمنى ان توصل رسالتي اليكم فلسطين حره ونحن سنشعلها على العدوان الإسرائيلي الذي ينتهك حقوق الإنسان #راشد_الحداد pic.twitter.com/9h0i9cLCDa
— راشد الحداد (@r42r43) January 16, 2024
Al-Haddad befindet sich auf den Aufnahmen nicht auf irgendeinem Schiff, sondern auf dem riesigen Autofrachter «Galaxy Leader». Dieser wurde von den jemenitischen Huthi-Rebellen am 19. November in einer filmreifen Aktion gekapert.
Seither steht er im jemenitischen Hafen von Hoediah, wo er gemäss Videos und Bildern in den sozialen Medien als Touristenattraktion genutzt wird. Die 25 Besatzungsmitglieder, zusammengesetzt aus verschiedenen Nationalitäten, befinden sich noch immer an Bord.
Die Videos vom «Hot Huthi» dürften kurz nach dem Kapern des Frachters entstanden sein. Am 29. November teilte er auf Instagram ein Video, das ihn und weitere Männer auf einem Boot zeigt, welches sich vom Frachter zu entfernen scheint. Darin rufen sie Israel dazu auf, mit dem Töten von Palästinensern aufzuhören.
Bereits seit November machen die jemenitischen Huthi-Rebellen das Rote Meer unsicher, um sich damit mit den Palästinensern im Gaza-Streifen zu solidarisieren. Im Dezember verkündeten sie, Schiffe auf dem Weg zu israelischen Häfen so lange zu blockieren, bis Israel die Einfuhr von Lebensmitteln und medizinischer Hilfe in den Gaza-Streifen erlaube.
Al-Haddad scheint der plötzlichen Aufmerksamkeit derweil nicht abgeneigt zu sein: Er macht fleissig Screenshots von allen Beiträgen, in denen er erwähnt wird, und postet auf seinen Social-Media-Kanälen immer wieder dieselben Clips, die bereits viral gegangen sind. Ob er tatsächlich ein Huthi ist oder nicht, hat er bisher nicht bestätigt. In einem Interview mit Twitch-Streamer Hasan Piker übersetze der anwesende Dolmetscher eine entsprechende Frage mit:
Auch das dürfte der Internet-Gemeinde egal sein. Für sie bleibt er der «Hot Houthi».
Die Huthi sind eine religiös-extremistische Miliz, die sich übrigens im Bürgerkrieg mit der legitimen Regierung Jemens befindet. Sie praktizieren öffentliche Hinrichtungen und ganz offen auch Sklaverei und stehen insgesamt für eine noch steinzeitlichere Auslegung des Islams als manche andere Bewegungen.
…gibt‘s überhaupt gute Seiten an Social Media?