Potenzieller Sex-Straftäter? Katholische Geistliche in Frankreich müssen QR-Code tragen
Neue Ausweise mit QR-Code
Seit Jahren wird die französische Kirche immer wieder von sexuellen Missbrauchsfällen erschüttert. Oft handelt es sich dabei um Fälle, die jahrzehntelang geheim gehalten worden waren. Nun hat die französische Bischofskonferenz (CEF) beschlossen, transparenter zu werden.
Im Rahmen dieses Vorhabens möchte sie Priester, Bischöfe und Diakone mit Ausweisen ausstatten, die einen scannbaren QR-Code enthalten, wie sie Anfang Mai bekannt gab. Nach dem Scannen soll dieser über den Status der geistlichen Person Auskunft geben. Dazu werden drei Farben angezeigt.
- Grün: Der Geistliche ist dazu befugt, diverse Sakramente auszuführen. So darf er etwa Messen leiten oder Beichten abnehmen. Er unterliegt keinen Einschränkungen.
- Orange: Es bestehen einige Einschränkungen. Diese können sowohl auf Sanktionen als auch auf zu geringe Erfahrung zurückzuführen sein. So könnte es beispielsweise sein, dass ein junger Priester kürzlich geweiht worden ist, aber noch nicht qualifiziert ist, eine Messe zu leiten oder eine Beichte abzunehmen.
- Rot: Diese Farbe bedeutet, dass der Geistliche nicht mehr predigen oder praktizieren darf oder dass ihm der klerikale Status aberkannt worden ist. Der Grund für diese Sanktionen wird nicht genannt.
« Confrontée à des affaires de violences sexuelles, l'Église de France numérise d'ici la fin de l'année les documents d'identité professionnelle des évêques, des prêtres et des diacres, pour les empêcher de célébrer en cas de sanction. » https://t.co/Jyh6kkPNm2
— Agir pour notre Église (@AgirNotreEglise) May 10, 2023
Im Prinzip nichts Neues
Eine ID für Geistliche ist nichts Neues. In der französischen katholischen Kirche gibt es schon seit langem das sogenannte celebret. Dabei handelt es sich um ein Papierdokument, das den Beruf des Geistlichen bescheinigt. Gebraucht wurde es bisher vor allem, wenn Geistliche auf Reisen waren und beispielsweise einem anderen Priester vorweisen wollten, dass sie berechtigt sind, eine Messe mitzuleiten. Das Problem: Die Dokumente waren sowohl einfach zu fälschen als auch mühsam zu aktualisieren.
Das zeigt unter anderem ein erschütternder Bericht aus dem Jahr 2021. Die Unabhängige Missbrauchskommission in der Kirche (CIASE) rechnete hoch, dass seit den 1950er Jahren in Frankreich 216'000 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Rechnet man von der Kirche betriebene Einrichtungen hinzu, beträgt die Opferzahl gar geschätzte 330'000. Während Jahren waren solche Fälle innerhalb geistlicher Institutionen bekannt, wurden aber vertuscht.
Einen Monat nach der Veröffentlichung dieses Berichtes fand sich die Vollversammlung der französischen Bischöfe zusammen. Ihnen war klar, dass sie etwas ändern mussten. Aus diesem Grund stimmten sie unter anderem für eine digitale Version des celebret. Dieser Entscheid war ein Teil eines ganzen Massnahmenpakets zur Intensivierung des Kampfes gegen sexuelle Gewalt in der Kirche.
Alexandre Joly, Bischof von Troyes und Sprecher der Konferenz, sagte im Anschluss:
«Top 3 der dümmsten Ideen»
Die Begeisterung über die neue ID-Karte innerhalb der Kirche hält sich in Grenzen. So weist etwa Christina Pedotti, Leiterin der christlichen Wochenzeitschrift «Témoignage Chrétien» («Christliches Zeugnis»), gegenüber France24 darauf hin, dass die neuen Ausweise nicht einfach von allen Kirchgängerinnen und Kirchgängern geprüft werden können. Dies sei Priestern oder Laien, die für eine Pfarrei verantwortlich seien, vorbehalten. Auf diese Weise könnten sie die Legitimität einer Person überprüfen.
Sie sieht deshalb keinen grossen Nutzen in dem neuen Ausweis:
Noch direkter drückt sich François Devaux aus. Er ist der ehemalige Präsident von La Parole Libérée (Das befreite Wort), einer Organisation, die 2015 von Opfern des ehemaligen katholischen Priesters und Pädophilen Bernard Preynat gegründet wurde. Über die neuen Ausweise sagte er gegenüber France24:
Seiner Meinung nach hat die Kirche die Kritik, die ihr entgegengeschlagen ist, nicht verstanden. Zudem sei die Initiative weit von den Massnahmen entfernt, die im Ciase-Bericht empfohlen worden seien. Weiter wettert er:
Eine von vielen Lösungen
Tatsächlich befindet sich der digitale Ausweis nicht unter den 45 vom Ciase-Bericht vorgeschlagenen Massnahmen. Auch Pedotti kritisiert, dass es sich bei dem neuen Ausweis vielmehr um eine Umverteilung der Macht handle:
Die französische katholische Kirche betont derweil, dass das neue Instrument bloss eine von vielen Lösungen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs sei. So sagte etwa Matthieu Rougé, Bischof von Nanterre, gegenüber dem Radiosender RMC, dass man sicherstellen wolle, dass man jetzt eine «Kultur der Transparenz und des guten Umgangs mit anderen» habe.
Bis Ende Jahr sollen alle 18'000 Priester und Diakone im Land ihre QR-Codes haben, verspricht die französische Bischofskonferenz. Die Bischöfe haben sie bereits erhalten. (saw)