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Geistliche in Frankreich müssen bald QR-Code tragen

Potenzieller Sex-Straftäter? Katholische Geistliche in Frankreich müssen QR-Code tragen

Die französische katholische Kirche wurde in den vergangenen Jahren immer wieder von Missbrauchsskandalen erschüttert. Um dagegen vorzugehen, hat die Bischofskonferenz nun ein neues Instrument eingeführt: einen Ausweis mit QR-Code für Geistliche. Die Reaktionen fallen mässig aus.
17.05.2023, 17:29
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Neue Ausweise mit QR-Code

Seit Jahren wird die französische Kirche immer wieder von sexuellen Missbrauchsfällen erschüttert. Oft handelt es sich dabei um Fälle, die jahrzehntelang geheim gehalten worden waren. Nun hat die französische Bischofskonferenz (CEF) beschlossen, transparenter zu werden.

Im Rahmen dieses Vorhabens möchte sie Priester, Bischöfe und Diakone mit Ausweisen ausstatten, die einen scannbaren QR-Code enthalten, wie sie Anfang Mai bekannt gab. Nach dem Scannen soll dieser über den Status der geistlichen Person Auskunft geben. Dazu werden drei Farben angezeigt.

  • Grün: Der Geistliche ist dazu befugt, diverse Sakramente auszuführen. So darf er etwa Messen leiten oder Beichten abnehmen. Er unterliegt keinen Einschränkungen.
  • Orange: Es bestehen einige Einschränkungen. Diese können sowohl auf Sanktionen als auch auf zu geringe Erfahrung zurückzuführen sein. So könnte es beispielsweise sein, dass ein junger Priester kürzlich geweiht worden ist, aber noch nicht qualifiziert ist, eine Messe zu leiten oder eine Beichte abzunehmen.
  • Rot: Diese Farbe bedeutet, dass der Geistliche nicht mehr predigen oder praktizieren darf oder dass ihm der klerikale Status aberkannt worden ist. Der Grund für diese Sanktionen wird nicht genannt.

Im Prinzip nichts Neues

Eine ID für Geistliche ist nichts Neues. In der französischen katholischen Kirche gibt es schon seit langem das sogenannte celebret. Dabei handelt es sich um ein Papierdokument, das den Beruf des Geistlichen bescheinigt. Gebraucht wurde es bisher vor allem, wenn Geistliche auf Reisen waren und beispielsweise einem anderen Priester vorweisen wollten, dass sie berechtigt sind, eine Messe mitzuleiten. Das Problem: Die Dokumente waren sowohl einfach zu fälschen als auch mühsam zu aktualisieren.

Das zeigt unter anderem ein erschütternder Bericht aus dem Jahr 2021. Die Unabhängige Missbrauchskommission in der Kirche (CIASE) rechnete hoch, dass seit den 1950er Jahren in Frankreich 216'000 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Rechnet man von der Kirche betriebene Einrichtungen hinzu, beträgt die Opferzahl gar geschätzte 330'000. Während Jahren waren solche Fälle innerhalb geistlicher Institutionen bekannt, wurden aber vertuscht.

Einen Monat nach der Veröffentlichung dieses Berichtes fand sich die Vollversammlung der französischen Bischöfe zusammen. Ihnen war klar, dass sie etwas ändern mussten. Aus diesem Grund stimmten sie unter anderem für eine digitale Version des celebret. Dieser Entscheid war ein Teil eines ganzen Massnahmenpakets zur Intensivierung des Kampfes gegen sexuelle Gewalt in der Kirche.

Alexandre Joly, Bischof von Troyes und Sprecher der Konferenz, sagte im Anschluss:

«Es schien uns wichtig, zu schauen, was wir ändern können, um die Kirche sicherer zu machen.»

«Top 3 der dümmsten Ideen»

Die Begeisterung über die neue ID-Karte innerhalb der Kirche hält sich in Grenzen. So weist etwa Christina Pedotti, Leiterin der christlichen Wochenzeitschrift «Témoignage Chrétien» («Christliches Zeugnis»), gegenüber France24 darauf hin, dass die neuen Ausweise nicht einfach von allen Kirchgängerinnen und Kirchgängern geprüft werden können. Dies sei Priestern oder Laien, die für eine Pfarrei verantwortlich seien, vorbehalten. Auf diese Weise könnten sie die Legitimität einer Person überprüfen.

Sie sieht deshalb keinen grossen Nutzen in dem neuen Ausweis:

«Die grosse Mehrheit der Katholiken wusste bisher nicht, dass es überhaupt Papierausweise gibt. Es gibt für sie kaum einen Grund, jetzt nach einem Ausweis zu fragen.»

Noch direkter drückt sich François Devaux aus. Er ist der ehemalige Präsident von La Parole Libérée (Das befreite Wort), einer Organisation, die 2015 von Opfern des ehemaligen katholischen Priesters und Pädophilen Bernard Preynat gegründet wurde. Über die neuen Ausweise sagte er gegenüber France24:

«Das ist eine ganz aussergewöhnliche Massnahme, die meiner Meinung nach zu den drei dümmsten Ideen der katholischen Kirche gehört.»

Seiner Meinung nach hat die Kirche die Kritik, die ihr entgegengeschlagen ist, nicht verstanden. Zudem sei die Initiative weit von den Massnahmen entfernt, die im Ciase-Bericht empfohlen worden seien. Weiter wettert er:

«Wenn wir die QR-Codes von Mitgliedern des Klerus scannen müssen, um die Katholiken zu beruhigen, bedeutet das, dass die Kirche einen neuen Tiefpunkt erreicht hat. Das ist nicht mehr als ein Werbegag und zeigt, wie sehr das Vertrauen zwischen den Gläubigen und ihrer Hierarchie zerstört ist.»

Eine von vielen Lösungen

Tatsächlich befindet sich der digitale Ausweis nicht unter den 45 vom Ciase-Bericht vorgeschlagenen Massnahmen. Auch Pedotti kritisiert, dass es sich bei dem neuen Ausweis vielmehr um eine Umverteilung der Macht handle:

«In der Frage [des sexuellen Missbrauchs] hat die französische katholische Kirche keine Lösung angeboten und diese grundlegende Frage nicht beantwortet: Warum halten sich manche Priester für Götter und meinen, sie könnten sich am Körper anderer bedienen?»

Die französische katholische Kirche betont derweil, dass das neue Instrument bloss eine von vielen Lösungen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs sei. So sagte etwa Matthieu Rougé, Bischof von Nanterre, gegenüber dem Radiosender RMC, dass man sicherstellen wolle, dass man jetzt eine «Kultur der Transparenz und des guten Umgangs mit anderen» habe.

Bis Ende Jahr sollen alle 18'000 Priester und Diakone im Land ihre QR-Codes haben, verspricht die französische Bischofskonferenz. Die Bischöfe haben sie bereits erhalten. (saw)

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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insert_brain_here
17.05.2023 18:42registriert Oktober 2019
Übergriffige Priester werden also auch weiterhin vor der Strafverfolgung geschützt, sie werden nur besser kategorisiert. Natürlich rein intern, geht die Schäfchen schliesslich nichts an.

Mit Vollgas am Ziel vorbei, bravo!
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cereza
17.05.2023 18:15registriert Februar 2023
Pädokriminelle Priester konsequent anzeigen, dann kann der Staat ein Berufsverbot für alle Tätigkeiten mit Kontakt zu Kindern aussprechen. Ausweis mit QR bringt vermutlich nur wenig, zumal er ja nicht jedem Kirchenbesucher auf Verlangen vorgezeigt werden muss. Der Ausweis offenbart aber, dass die katholische Kirche nach wie vor ein großes Problem unter ihren Angestellten hat. Eine Abschaffung des Zölibat würde wohl geeignetere Kandidaten anziehen.
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nichtMc
17.05.2023 20:07registriert Juli 2019
Waren den die bisherigen Täter alle samt rausgeworfene oder freigestellte Priester?
Es gab also keine Vorkommnisse, in denen die katholische Kirche ihre Priester gedeckt hat und unter dem Mantel des Schweigens einfach an anderen Orten praktizieren liessen?

Hmm, dann muss ich meine Meinung über die RKK revidieren. 🙃

Dieser Lösungsvorschlag ist fast gleich stupid, wie das Verteilen von Waffen, der Amerikanische Antwort auf Amokläufe…
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