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Russland bombardiert ein Kinderspital in Kiew – so reagiert die Welt

Russland bombardiert ein Kinderspital – und die Welt findet klare Worte

09.07.2024, 13:3209.07.2024, 14:16
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Die russische Armee hat am Montag Luftangriffe auf mehrere ukrainische Städte weit entfernt von der derzeitigen Front gestartet. Allein in der ukrainischen Hauptstadt wurden dabei mindestens 27 Menschen getötet und 82 verletzt, wie das Innenministerium mitteilte.

Bei den Angriffen wurde unter anderem das Okhmatdyt-Kinderspital in Kiew bombardiert. Zwei Stockwerke des Spitals mit einer Fläche von 400 Quadratmetern wurden zerstört, teilte der Rettungsdienst mit. Der ukrainische Gesundheitsminister Viktor Liashko erklärte, Intensivstationen, onkologische Abteilungen und chirurgische Einheiten seien beschädigt worden.

Experten gehen von russischer Rakete aus
Das Kinderspital in Kiew ist nach vorläufigen Untersuchungen des UN-Menschenrechtsbüros von einer russischen Kh-101-Rakete direkt getroffen worden.

Zu diesem Schluss kommen Experten, die Videoaufnahmen ausgewertet und die Schäden vor Ort direkt untersucht haben, wie Danielle Bell, die Leiterin der Beobachtermission für Menschenrechte der Vereinten Nationen in der Ukraine, sagte. Sie nennt dies «einen der ungeheuerlichsten Angriffe, die wir seit Beginn der Invasion erlebt haben».

Das Personal habe die kleinen Patientinnen und Patienten kurz vor dem Angriff am Montag im Bunker in Sicherheit gebracht, sagte sie. Ansonsten wäre die Opferzahl deutlich höher gewesen. Nach ihren Angaben kamen bei dem Angriff zwei Menschen ums Leben. (sda/dpa)

Bilder und Videos zeigen das Ausmass der Zerstörung:

Russischer Raketenangriff auf Kinderspital

Video: watson/emanuella kälin

Die Welt findet klare Worte für diese Tat:

Die Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte noch am Montag mehrere Posts auf X. Unter anderem klagt er Russland mit diesen Worten an:

«Russland kann nicht behaupten, es wisse nicht, wohin seine Raketen fliegen, und muss für alle seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Gegen Menschen, gegen Kinder, gegen die Menschheit im Allgemeinen.»

Auf Telegram informierte der ukrainische Staatschef später am Tag, dass alle Patienten von Okhmatdyt in andere medizinische Einrichtungen verlegt worden seien. Fotos zeigen, wie Kinder, die blutverschmiert sind oder an Infusionen hängen, durch die Trümmer getragen werden.

A rescuer tends to a youth at the site of Okhmatdyt children?s hospital hit by Russian missiles, in Kyiv, Ukraine, Monday, July 8, 2024. Russian missiles have killed multiple people and struck a child ...
Ein Kind wird aus dem zerstörten Spital evakuiert.Bild: keystone

Die ukrainische Tennisspielerin Elina Switolina brach nach ihrem Sieg bei Wimbledon in Tränen aus. Sie sagte:

«Es ist heute ein sehr schwieriger Tag für Ukrainer.»

Obwohl Teilnehmende in Wimbledon normalerweise komplett weiss gekleidet sein müssen, wurde für Switolina eine Ausnahme gemacht: In Gedenken an die Toten durfte sie ein schwarzes Schleifchen an ihr Dress heften.

Weitere Reaktionen

Der US-Präsident Joe Biden verurteilt Russland einmal mehr:

«Die russischen Raketenangriffe, die heute Dutzende ukrainische Zivilisten töteten und Schäden und Opfer in Kiews grösstem Kinderspital verursachten, sind eine schreckliche Erinnerung an die Brutalität Russlands.»

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau drückt sein Beileid aus und schreibt auf X:

«Das ist abscheulich. Ein Anschlag gegen ein Kinderspital – und die unschuldigen Kinder darin – ist nicht zu rechtfertigen.»

Die estnische Premierministerin Kaja Kallas meint auf X:

«Der Angriff auf das Okhmatdyt-Spital ist eine Erinnerung daran, warum wir die Ukraine unterstützen müssen und warum russische Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden müssen.»

Die UNO zitiert den Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, der meint, dass diejenigen mit Einfluss alles tun müssten, um den Anschlägen Einhalt zu gebieten.

Der ehemalige NASA-Astronaut und Kapitän der US Navy, Scott Kelly, schreibt auf X:

«Dies ist kein militärisches Ziel. Dort werden Kinder aus früheren russischen Angriffen behandelt. Jetzt greift Russland diese Kinder erneut an. Entsetzlich. Kriminell. Unmenschlich.»

Und auch der britische Chef-Mäusefänger, Larry, meldete sich zu Wort:

«Wir dürfen nicht zulassen, dass solch barbarische Akte zur Normalität werden. Es sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Verbrechen gegen alles, was Menschsein bedeutet.»

Das Okhmatdyt-Kinderspital in Kiew

Auf der Internetseite des Spitals heisst es, dass das Okhmatdyt das grösste Kinderspital der Ukraine sei. In Friedenszeiten wurden jährlich über 10'000 Operationen durchgeführt und über 20'000 Menschen behandelt.

Gerade bei Krebs bei Kindern oder seltenen Krankheiten sei die Klinik die beste Anlaufstelle in der Ukraine gewesen. Auch hochspezialisierte Eingriffe wie Knochenmark-Transplantationen von nichtverwandten Spendern wurden mehrfach erfolgreich durchgeführt.

Doch seit dem Krieg in der Ukraine würden schwerkranke Kinder in Kellern leben und Frauen in Notunterkünften gebären. «Alle unsere Pläne wurden durch den Krieg zerstört und zunichtegemacht», schreibt die Ärzteschaft online. Und:

«Heute werden äusserst komplexe Operationen in provisorischen Operationssälen in Kellern durchgeführt. Wie zuvor retten wir Leben. Nur bringen uns jetzt Krankenwagen Kinder und Erwachsene, die vor einer Woche noch glücklich und gesund waren.»

Russlands Reaktion und das Kriegsverbrechen vom 9. März 2022

Die Geschehnisse vom Montag erinnern an den 9. März 2022. Es waren die ersten Wochen des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, als der AP-Fotograf Evgeniy Maloletka das Bild geschossen hat, das später zum World Press Photo 2023 gekürt wurde.

FILE - Ukrainian emergency employees and volunteers carry an injured pregnant woman from a maternity hospital that was damaged by shelling in Mariupol, Ukraine, March 9, 2022. The woman and her baby d ...
Sanitäter tragen eine Frau aus den Trümmern einer Geburtsklinik. Das Becken der Frau sei gequetscht und ihre Hüfte abgetrennt gewesen, wie ihr Arzt später gegenüber AP sagte. Das ungeborene Kind konnte ihr nur noch tot aus dem Bauch geschnitten werden. Kurz vor dem Kaiserschnitt soll sie verzweifelt gesagt haben: «Tötet mich jetzt!» Sie hat die Operation nicht überlebt. Bild: keystone

Das Bild dokumentiert eine der schlimmsten Gräueltaten, die eine Armee im Krieg tun kann: Ein Spital bombardieren. Ein Spital, in dem Kinder untergebracht sind. In Mariupol war es das Maternity Hospitals No. 3, ein Spitalkomplex, der sowohl als Kinderkrankenhaus als auch als Entbindungsstation diente.

Damals, im März 2022, behauptete Russland, dass die Entbindungsklinik von ukrainischen Extremisten übernommen worden sei, um es als Stützpunkt zu nutzen – und es seien keine Patienten oder Sanitäter darin zurückgelassen worden. Beweise dafür legte der Kreml nicht vor. Unabhängige Untersuchungen haben längst das Gegenteil bewiesen. Ein Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) beurteilte den Angriff auf das Spital in Mariupol als russisches Kriegsverbrechen.

Und nun hat es Russland mutmasslich also wieder getan, ein Kinderspital angegriffen. Diesmal ist gemäss dem russischen Narrativ die NATO schuld. Fotos und Filmaufnahmen aus Kiew würden eindeutig belegen, dass die Zerstörung durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht wurde, behauptet der Kreml auf Telegram. Präsident Selenskyj reagierte daraufhin prompt und bezeichnete die russische Führung als «Mistkerle im Kreml».

Eine unabhängige Untersuchung wurde seitens der Ukraine bereits gefordert. (yam/emk)

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Einmaliger Gebrauch: Russischer Raketenangriff auf Kinderspital
Video: watson
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200 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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winglet55
09.07.2024 12:22registriert März 2016
Das Desaster ist doch, dass nur ein Teil der Welt klare Worte findet, der grössere Rest zuckt mit den Achseln! Unsere Regierung befürwortet weiterhin, abwarten und Tee trinken!
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P.Rediger
09.07.2024 12:32registriert März 2018
Mehr Taten und weniger Worte wären schon lange angebracht.
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Rhabarber
09.07.2024 12:28registriert Dezember 2023
Wieso kann die Weltgemeinschaft diese irren Diktatoren nicht stoppen? Angst vor weniger Batzeli auf dem Konto, weil die Wirtschaft leiden könnte?
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    Die USA verweigern der Ukraine wichtige Geheiminformationen über russische Truppenbewegungen und Ziele. US-Präsident Donald Trump hat angewiesen, die Ukraine erst wieder mit Informationen von Geheimdiensten zu versorgen, wenn Friedensgespräche begonnen haben. Das hat schwerwiegende Folgen.

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