Am Montag sind zwei ukrainische Drohnen in zwei russische Militärflugplätze eingeschlagen. Dies bestätigten das russische Verteidigungsministerium sowie ein hochrangiger ukrainischer Beamter. Die ukrainische Regierung hat sich jedoch, ähnlich wie bei dem Anschlag auf die Krim-Brücke, nicht offiziell verantwortlich gezeigt.
An unexplained incident occurred this morning at the Engels military aerodrome in Saratov Oblast, Russia. It is believed the aerodrome held two regiments of Russian strategic bombers - part of Russian nuclear deterrence forces. pic.twitter.com/vpajANTqlC
— Dmitri (@wartranslated) December 5, 2022
Bei den verwendeten Waffen handle es sich um «Drohnen aus der Sowjet-Zeit», verkündete der Kreml laut der New York Times. Der ehemalige US-General Mick Ryan vermutet, dass damit modifizierte Aufklärungsdrohnen vom Typ Tu-141 aus den 1970er-Jahren gemeint sein könnten. Diese fliegen mit hoher Geschwindigkeit und haben die nötige Reichweite für solche Angriffe. Gemäss dem ukrainischen Beamten seien Spezialkräfte vor Ort gewesen, um die Drohne genau ins Ziel zu lenken.
Das russische Verteidigungsministerium gab an, dass die Drohnen abgefangen wurden, durch die herabstürzenden Trümmer und die darauffolgende Explosion jedoch zwei Flugzeuge beschädigt, drei Mann getötet und vier weitere verwundet wurden.
Zusätzlich sind heute, Dienstag, bei einem weiteren Drohnenschlag ein Öldepot auf einem dritten Flugplatz sowie gemäss Angaben des russischen Medienportals Baza ein Industriekombinat getroffen worden. Letzteres wurde jedoch noch nicht von offizieller Seite bestätigt.
Looks like fuel depot got struck by ukie drones in Kursk. pic.twitter.com/3E7Q9t9YcQ
— Ghost (@mdfzeh) December 6, 2022
Die ersten beiden Angriffe ereigneten sich auf dem Flugplatz Engels und der Militärbasis Djagilewa. Der Flugplatz beherbergt unter anderem taktische Bomber der Typen Tu-160 und Tu-95, welche nukleare Sprengköpfe tragen können. Der Angriff vom Dienstag traf den Flugplatz von Kursk sowie das Slawa-Konglomerat bei Brjansk.
Es ist erkennbar, dass die Angriffe vom Montag beide sehr weit von der ukrainischen Grenze entfernt sind: Engels 600 km, die Basis bei Rjasan rund 500 km. Zur Erinnerung: Auch Moskau liegt etwas mehr als 500 Kilometer von der Ukraine entfernt.
Mit diesem Schlag demonstriert die Ukraine, dass sie durchaus das Potenzial hat, Ziele tief im Innern Russlands zu treffen – mitunter Moskau. Zwar gelang dem ukrainischen Geheimdienst mit dem Anschlag auf die Krim-Brücke vom September bereits ein Schlag auf russischem Gebiet, allerdings durch Sabotage vor Ort. Dass nun auch weitreichende Mittel verwendet werden, ist ein Novum.
Bislang hatten die russischen Streitkräfte unter General Surowikin den asymmetrischen Vorteil, dass sie mit solchen Mitteln auch zivile Ziele angreifen konnten. Die ukrainischen Schläge symbolisieren nun, dass man auch von der anderen Seite her dazu fähig ist. Natürlich heisst das nicht, dass solche Angriffe auch durchgeführt werden.
Russland reagierte am Montag in erster Linie mit eigenen Raketen- und Drohnenangriffen in üblicher Manier. In russischen Medien wurde die ukrainische Offensive als «terroristische Angriffe auf Langstreckenflugzeuge» eingeschätzt.
Auch in der russischen Milblog-Szene werden die Ereignisse diskutiert. Die einen verlangen nach harten Konsequenzen für die Ukraine, während die anderen die eigenen Reihen scharf kritisieren. So schreibt der populäre Kanal «Военный Осведомитель», zu Deutsch «Militärischer Geheimdienst» (keine offizielle Verbindung):
Klingt für mich als ob beim Fussball gesagt wird: „Unsere Verteidigung hat den Angriff aufgehalten. Dabei wurde der Ball zum Torwart gespielt, der ihn gekonnt mit den Händen, hinter der Torlinie, unter Kontrolle brachte, was im neuen Spielstand resultierte.“