Zarte 16 Jahre, 2 Monate und 6 Tage war der Spanier Lamine Yamal alt, als er diese Saison für Barcelona in der Champions League debütierte. Trainer Xavi liess den Teenager (Jahrgang 2007) gegen Royal Antwerpen für die letzten 22 Minuten ran.
Bei Nina Schläfli und Pascal Schmid hat es bis zum ersten Einsatz bei «den Grossen» etwas länger gedauert, am Freitag war es so weit. Die SP-Politikerin (34) und der SVP-Mann (47) – beide im Oktober neu in den Nationalrat gewählt – haben zum ersten Mal an der SRF-«Arena» partizipiert.
«Gut, danke. Es ging wahnsinnig schnell vorbei», antwortete Nina Schläfli bestens gelaunt auf die Frage von Moderatorin Nathalie Christen, wie es ihr ergangen sei. «Es ist wirklich unglaublich schnell vorbeigegangen, ich dachte, es sei schlimmer. Man überlebt es», so das Fazit von Pascal Schmid am Ende der Sendung.
Doch so geeint die beiden Thurgauer Neo-Parlamentarier – was ihre Premiere betraf – auftraten, so gross der Dissens in Bezug auf die Asylpraxis der Schweiz. SVP-Nationalrat Pascal Schmid sprach von einem «Asylchaos», von einbrechenden, vergewaltigenden Migranten. Schläfli betonte mehrfach, die Menschenrechte seien auch bei Asylbewerbern zu wahren, es brauche eine «schnellere, bessere und mehr Integration».
So viel der einleitenden Worte, nun zur Gäste-Übersicht. Folgende Politikerinnen und Politiker kreuzten in der Asyl-«Arena» die Klingen:
Ausserdem im Studio:
Die Debatte drehte sich zunächst um einen Vorstoss von Ständerätin Gössi, der am Freitag von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats mit 14 zu 11 Stimmen gutgeheissen wurde. Der Ständerat hatte sich bereits zuvor für das Bestreben der Schwyzerin ausgesprochen.
Die FDP-Nationalrätin will, dass abgewiesene Asylsuchende aus Eritrea via Drittstaaten zurück in ihr Heimatland gebracht werden. Als solche Transitstaaten kommen Ruanda und allenfalls auch Äthiopien infrage.
Gössi und ihre Gesinnungsgenossen erhoffen sich von der Massnahme eine abschreckende Wirkung. Sie solle ausserdem dazu führen, dass Asylbewerber ohne positiven Bescheid die Schweiz verlassen und nicht Plätze belegen, die man für andere Asylsuchende nutzen könne.
Grünen-Nationalrat Glättli kann dem Vorstoss nichts abgewinnen, es handle sich um «untaugliche Symbolpolitik». Man wisse, dass Eritrea keine Personen wiederaufnehme, die nicht freiwillig ins Land zurückkehren möchten. Glättli führte aus:
Für SVP-Asylchef Pascal Schmid – Nachfolger von Andreas Glarner – lässt sich am Beispiel Eritrea die gescheiterte Schweizer Asylpolitik veranschaulichen. In der Schweiz lebten derzeit rund 43'000 Eritreer, zwei Drittel davon bezögen Sozialhilfe. Der Vorstoss Gössis sei keine perfekte Lösung, aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. Schmid sagte:
Der Thurgauer Nationalrat stärkte seine Argumentation, indem er mehrfach die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern des eritreischen Regimes erwähnte, die sich in den vergangenen Monaten in der Schweiz zugetragen haben. Tatsächlich hat die Kantonale Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) alle Schweizer Gemeinden vor dem eritreischen Nationalfeiertag gewarnt.
Am 24. Mai feiert Eritreas Diktator Isayas Afewerki den 31. Jahrestag seiner Machtergreifung, in der Schweiz soll es an diesem Tag zu Veranstaltungen mit hohem Gewaltpotenzial kommen.
Zurück zur Gegenseite. Nebst Glättli wies auch Nina Schläfli die Ruanda-Pläne von Gössi zurück. Die SP-Nationalrätin untermauerte ihre Position mit Zahlen. Aktuell gäbe es in der Schweiz 261 Personen aus Eritrea, die man nicht rückführen könne. «Das wirklich Erschreckende an diesem Vorstoss ist, dass die FDP probiert, die SVP rechts zu überholen.» Das Vorhaben Gössis führe dazu, dass man über «absurde Vorschläge diskutieren müsse, die kein einziges Problem lösen».
Als das geladene Polit-Quartett einmal der Reihe nach für oder gegen die Pläne von Petra Gössi votieren konnte, präsentierte Grünen-Nationalrat Glättli einen konkreten Gegenvorschlag. Man solle die 261 angesprochenen Eritreer nicht in die Nothilfe (Minimalanspruch auf Kleider, Nahrung, Unterkunft und medizinische Leistungen) stecken.
In diesem Zustand würden diese Menschen verelenden, hätten keine Perspektiven, dies könne kriminelles Verhalten begünstigen. Helfen würde, den betroffenen Personen aus Eritrea eine vorläufige Aufnahme zu gewähren oder ihnen den humanitären Status zuzusprechen.
Dass die Meinungen zum Umgang mit eritreischen Asylsuchenden längstens gemacht waren, zeigte sich bereits vor Ablauf der ersten «Arena»-Viertelstunde. Zeit, Claudio Martelli vom Staatssekretariat für Migration (SEM) ins Boot zu holen. Seine Expertise – frei von politischer Couleur – war das Geländer, an dem sich die Fernsehzuschauer festhalten konnten.
Die erste Amtshandlung des Behördenvertreters: den SVP-Vorwurf des Asylchaos zu entkräften. Das Asylverfahren und die Rückkehrpolitik in der Schweiz funktionierten, so Martelli. «Rund 57 Prozent der Rückführungen können wir vollziehen, das ist doppelt so hoch wie in der EU.»
Martelli äusserte jedoch Bedenken, was das Verhalten des eritreischen Regimes betrifft. Ob das Land von der Schweiz abgewiesene Landsfrauen und Landsmänner gegen deren Willen wieder aufnehme, nur weil diese Personen via einen Transitstaat (z. B. Ruanda) einreisten, sei unklar.
Auch auf die in der Schweiz lebenden Unterstützer des eritreischen Regimes ging der SEM-Vertreter ein. Eine einmalige Teilnahme an einer hierzulande stattfindenden regimetreuen Veranstaltung reiche noch nicht, der entsprechenden Person den Flüchtlingsstatus abzuerkennen.
Reise ein Eritreer jedoch regelmässig in sein Heimatland, also in denjenigen Staat, in welchem er verfolgt wurde, könne die Schweiz die Flüchtlingseigenschaft entziehen.
SVP-Asylchef Schmid zeigte sich teilweise zufrieden, seine Partei erwarte aber mehr. «Es gibt ganz sicher mehr Fälle, wo man hinschauen und unser Asylgesetz anwenden müsste.»
Nebst den abgewiesenen Eritreern diskutierten die geladenen Parlamentarier auch über verstärkte Grenzkontrollen, die verschärfte Praxis von Justizminister Beat Jans und den Schutzstatus S der Ukrainer.
Doch egal, wie man es drehte und wendete, inhaltliche Schnittmengen zwischen links und rechts gab es wenige, Übereinstimmung bestand nur in der Haltung, sich gegenseitig zuzuhören und niemanden zu unterbrechen. Für eine «Arena» mit dem Schwerpunkt Asylpolitik jedoch bereits eine ganz anständige Eigenschaft.
Ich sehe bei uns viel zu viele Leute in der Politik, die eigene, oder die Interesse der Partei vertreten.
Die Bezeichnung «Volksvertreter» für unsere Nationalräte ist ein Witz.