«Zerstörung der europäischen Völker»: Putins Anti-West-Film wird in Russland zum Mega-Flop
«Der Virus der falschen europäischen Werte, der die Menschheit zerstört, versucht auch nach Russland einzudringen.» Mit diesem Satz beginnt der Film «Toleranz» des russischen Regisseurs Andrej Gratschew, in dem der bekannte Propagandist und Schriftsteller Sachar Prilepin mitspielt.
«Die Abkehr Europas von traditionellen spirituellen Werten wird zu seiner Zerstörung und zum Zusammenbruch der europäischen Völker führen», heisst es weiter.
Im Mai 2023 wurde Prilepins Auto mit Panzerabwehrminen gesprengt, aber der Schriftsteller überlebte und spielte die Hauptrolle in dem Film. Trotz der Unterstützung des Kulturministeriums floppte der Film an den Kinokassen in Russland grandios.
In dem Film über die Gefahren des westlichen Lebensstils spielte Prilepin einen «gerechten Mörder», der «21 Vertreter des Liberalismus ermordete»: Prostituierte, Homosexuelle, Drogenabhängige und einen Abgeordneten.
Trans-Tochter und Flüchtlinge
Das Skript des Films beeindruckt dadurch, dass es fast alle propagandistischen Klischees des Kremls über Europa vereint. Der Handlung zufolge leben die Figuren in Franglia, einem fiktiven europäischen Land, in der kleinen südlichen Stadt Parilon.
Die Tochter des örtlichen Pastors ist transgender. In der Nähe der Stadt entsteht ein Flüchtlingslager mit arabischen Männern, die «bereit sind, alles zu vergewaltigen, was sich bewegt». Eines Nachts überfallen die Bewohner des Lagers die Tochter des Pfarrers, um sie zu vergewaltigen, doch als sie erkennen, dass sie transgender ist, schneiden sie ihr den Penis ab und kreuzigen sie an der Fassade der Kirche.
Dieser Moment wird auch im Trailer des Films gezeigt. Der örtliche Polizeichef bittet während der Ermittlungen seinen Mentor, einen Wahnsinnigen, gespielt von Zakhar Prilepin, um Rat. Unterdessen setzen die Flüchtlinge ihre Serie von Übergriffen und Vergewaltigungen von Frauen fort. Der Vater der betroffenen Transfrau nimmt die Flüchtlinge als Geiseln, doch der Polizeichef erschiesst ihn und kommt dafür ins Gefängnis.
Die wichtigsten Propagandathesen werden von einer Figur verkündet, die von Sachar Prilepin gespielt wird und als eine Art Gewissen der Nation auftritt. «Ich bin ein Mensch, der euch warnen wollte – dass ihr mit eurer Toleranz und eurem Multikulturalismus zu weit gegangen seid.»
In dem Film gibt es auch eine Nebenfigur, die Einheimische Leila, die zusammen mit einem arabischen Mann vor der Polizei geflohen ist. Sie sagt: «Araber sind echte Männer, Europäer sind ekelhaft und schwach.»
Hohn und Spott auf Telegram
Der Film dauert fast drei Stunden, und nicht jeder ist in der Lage, die Herausforderung zu bestehen und ihn bis zum Ende anzuschauen. Tatsächlich haben es auch nur wenige versucht: Der Film kam am 11. September in die Kinos des Landes, spielte umgerechnet weniger als tausend Franken ein und wurde kurz danach aus dem Programm genommen.
Das russische Kulturministerium hatte den Film in die Liste der «sozial bedeutenden Projekte» aufgenommen - und rund 1,78 Millionen Franken dafür zur Verfügung gestellt.
Auch die patriotisch gesinnten, Kreml-freundlichen Telegram-Kanäle haben den Film «Toleranz» nicht gut bewertet. «Bitte hört auf, Geld für diesen Arthouse-Mist auszugeben», schrieb der Blogger Alexander Kartawykh. Und weiter: «Ich würde gerne sagen, dass ich den Tiefpunkt des heimischen Kinos erreicht habe, aber das wäre eine unzulässige Schmeichelei für dieses Machwerk. Ich denke, wenn ich ein Video drehe, in dem ich mit einer Katze tanze und «Ruhm für Russland» rufe, würde es sogar mehr Einspielergebnisse erzielen.»
Insgesamt finanziert das russische Kulturministerium Filme, die 17 für den Kreml vorrangige Themen behandeln, darunter «der Niedergang Europas», «die Friedensmission Russlands», «die Popularisierung des Dienstes in der russischen Armee» und andere. Im Jahr 2025 sollen 140 dieser «nationalen» Filme gefördert werden. (aargauerzeitung.ch)
