Wie Wikipedia funktioniert, wissen mittlerweile alle: Die Internet-Enzyklopädie kann von allen Menschen bearbeitet und mitentwickelt werden. Dieses Prinzip brachte der Website grossen Erfolg: Die Wissensdatenbank gibt es mittlerweile in über 300 Sprachversionen – unter anderem auch auf Russisch.
Der russische Krieg in der Ukraine stellt die Autorinnen und Autoren vor grosse Herausforderungen. Schuld daran ist ein Gesetz des russischen Staates, in dem bestimmte Tatsachenbehauptungen sanktioniert werden. Das erfuhr auch Wikimedia, die Organisation hinter Wikipedia: Sie wurde von der russischen Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor zu einer Geldstrafe von insgesamt fünf Millionen Rubel (rund 87’000 Franken) verurteilt, weil sie sich weigerte, gewisse Informationen zu löschen.
Die Kreml-Entscheide richteten sich dabei auf zahlreiche Wikipedia-Artikel, so etwa auf jenen über die russische Invasion in der Ukraine (2022), den Kampf um Kiew oder die Kriegsverbrechen während der russischen Invasion in der Ukraine. Betroffen waren auch die Artikel über das Massaker in Butscha und über die Bombardierung des Theaters und des Spitals in Mariupol.
Wikimedia lässt sich das nicht bieten, wie die gemeinnützige Organisation in einer Mitteilung festhält. Sie hat Berufung gegen die Entscheide eines Moskauer Gerichts eingelegt. In ihrer Argumentation schreibt Wikimedia, dass die Informationen auf Wikipedia durch das Recht der freien Meinungsäusserung geschützt werden sollten – insbesondere, da es sich bei den Inhalten auf Wikipedia nicht um Desinformation hält.
We have filed an appeal to challenge a Moscow Court's decision that the Foundation committed an offense by refusing to remove "prohibited" information on @Wikipedia, largely related to the Russian government's invasion of Ukraine. #ForFreeKnowledge (1/6) https://t.co/jzbk6oNr7x pic.twitter.com/eyXi0Izi6J
— Wikimedia Foundation (@Wikimedia) June 13, 2022
«Die fraglichen Informationen beruhen auf Fakten und werden von Freiwilligen überprüft, die die Artikel auf der Website kontinuierlich bearbeiten und verbessern», schreibt Wikimedia. Die Inhalte seien zudem «gut recherchiert und enthalten Verweise auf eine Vielzahl von etablierten Nachrichtenquellen».
Der Entscheid zur Berufung kam nicht ohne politische Kritik. Wikimedia-Juristin Stephen LaPorte kritisiert, dass die Roskomnadsor-Argumentation bedeute, dass «gut fundiertes, verifiziertes Wissen, das nicht mit den Darstellungen der russischen Regierung übereinstimmt, eine Desinformation darstellt». Die Kreml-Regierung habe es auf Informationen abgesehen, die für das Leben der Menschen in Krisenzeiten lebenswichtig seien.
Von Roskomnadsor war zunächst keine Stellungnahme zu lesen. Anfang April teilte die staatliche Behörde in Russland mit, dass Wikipedia laufend mit «ungenauen Informationen zum Thema der speziellen Militäroperation in der Ukraine» überschwemmt werde. Wikipedia fördere dadurch eine «ausschliesslich antirussische Interpretation der Ereignisse».
Und wie steht’s mit dem Überfall auf einen souveränen Staat? Dem Weizendiebstahl? Den Vergewaltigungen und Ermordung ukrainischer Bürger:innen? Dem Erpressen von sämtlichen demokratischen Staaten?
Wo kämen wir hin, wenn wenn Lügen nicht mehr ernst genommen werden.