Salma al-Shehab lebte in Leeds, wo sie ihren PhD machte. Im Dezember 2020 reiste sie in ihre Heimat zurück, um dort Ferien zu machen. Danach wollte sie ihren Mann und ihre zwei kleinen Kinder mit nach England nehmen. Doch so weit sollte es nicht kommen.
Sie wurde von den saudischen Behörden zum Verhör vorgeladen und weniger später, im Januar 2021, festgenommen. Zunächst wurde sie «nur» für drei Jahre Gefängnis verurteilt. Ihr Vergehen: die Benutzung einer Website, «die öffentliche Unruhe auslöse und die öffentliche und nationale Sicherheit destabilisiere.»
Doch dann bat ein Staatsanwalt das Gericht, weitere «Straftaten» zu berücksichtigen – und fand Gehör. Das Berufungsgericht verkündete am Montag das neue Urteil: 34 Jahre Gefängnis, gefolgt von einem 34-jährigen Reiseverbot.
Der Guardian hatte einen Einblick in die Gerichtsakten. Demnach wird ihr in neuen Anklagepunkten vorgeworfen, dass sie Twitter-Accounts unterstützt habe, indem sie ihnen gefolgt sei und deren Tweets weiter geteilt habe. Diese Twitter-Accounts wiederum hätten öffentliche Unruhe verursacht und die zivile und nationale Sicherheit destabilisiert.
Wer jetzt aber denkt, dass al-Shehab in den sozialen Medien eine laute Stimme gewesen sei, wie das Urteil dies suggeriert, liegt falsch. Auf Twitter soll sie gerade mal 2597 Follower gehabt haben, schreibt der «Guardian». Sie twitterte über Corona, teilte Bilder ihrer Kinder und retweetete manchmal Tweets von saudischen Dissidenten, die im Ausland lebten und die Freilassung von politischen Gefangenen forderten. Sie schien dabei vor allem den Fall von Loujain al-Hathloul unterstützen zu wollen.
Al-Hathloul, eine prominente saudische, feministische Aktivistin kam ebenfalls hinter Gitter, wo sie mutmasslich gefoltert worden sein soll, da sie sich für Autofahrrechte der Frauen einsetzte. Mittlerweile befindet diese sich wieder auf freiem Fuss – darf allerdings Saudi-Arabien während fünf Jahren nicht verlassen.
Al-Shehab war auch auf Instagram aktiv. Ihr Profil ist allerdings privat und sie hat nur 159 Follower – sie ist also weit entfernt davon, in irgendeiner Weise ein Sprachrohr für regierungskritische Stimmen zu sein.
Wie könne sie ein Sicherheitsrisiko darstellen, wirft sie die entsprechende Frage in ihrer Berufung auf. Die Europäische Saudi-Arabische Organisation für Menschenrechte verurteilte die Verurteilung von al-Shehab als die längste Haftstrafe, die jemals gegen eine Aktivistin verhängt wurde. Die Organisation wies zudem darauf hin, dass Aktivistinnen oft unfairen Prozessen mit willkürlichen Verurteilungen ausgesetzt seien. Ebenso komme es in den Gefängnissen zu schwerer Folter, was auch sexuelle Belästigung beinhalte.
Al-Shehab legte Berufung ein und beschwerte sich darin unter anderem darüber, dass sie 285 Tage in Einzelhaft gehalten worden sei. Zudem wollte sie dem Richter unter vier Augen noch etwas über ihre Behandlung mitteilen, ohne dass ihr Vater dies hört. Der Wunsch wurde ihr nicht gewährt.
(saw)