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Bundesrat stoppt grosszügige Auslegung des Nato-Überflugrechts

Dürfen Frachter der Nato, wie jener der US Air Force C5 Galaxy, über die Schweiz fliegen?
Dürfen Frachter der Nato, wie jener der US Air Force C5 Galaxy, über die Schweiz fliegen?bild: imago-images

Bundesrat stoppt grosszügige Auslegung des Überflugrechts für Nato-Flieger

Bundesrätinnen Sommaruga und Amherd wollten Flüge zwischen Nato-Staaten über die Schweiz grundsätzlich erlauben und auf die Einzelfallprüfung verzichten. Doch die zwei SVP-Magistraten traten wegen der Neutralität auf die Bremse. Mit Erfolg.
12.03.2022, 12:33
Stefan Bühler / ch media
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Seit die Schweiz die Sanktionen der EU gegen Russland vollumfänglich übernommen hat, tobt im Land eine Debatte über die Neutralität: Die SVP sieht diese verletzt. Der Bundesrat argumentiert hingegen, militärisch sei die Eidgenossenschaft neutral wie eh und je.

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Wie sich nun aber zeigt, führte der Bundesrat an seinen beiden letzten Sitzungen auch intensive Diskussionen über die Neutralität in einem militärischen Kontext. Thema: Nach welchen Grundsätzen erlaubt oder verbietet der Bund Überflüge über die Schweiz von Nato-Flugzeugen?

Bundesrat ist unter Druck geraten

Die Diskussion erfolgte nicht im luftleeren Raum. «Es gab Anfragen für Nato-Überflüge, diese wurden aber in der Zwischenzeit wieder zurückgezogen.» Dies teilte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) aus dem Verkehrsdepartement von Simonetta Sommaruga bereits am Donnerstag auf Anfrage mit. Nähere Angaben machte das Amt dazu nicht.

Doch liegt nahe, dass der Bundesrat durch die Nato-Gesuche unter Druck geraten ist. Denn in der «Verordnung über die Wahrung der Lufthoheit» des Bundes heisst es:

Politisch brisante Gesuche und «insbesondere Gesuche um Bewilligungen für Flüge, die der Vorbereitung oder Unterstützung von Kampfhandlungen dienen», seien dem Bundesrat vorzulegen.

Dass es sich bei den Nato-Gesuchen um solche mit politischer Tragweite gehandelt haben dürfte, liegt auf der Hand. Denn wiewohl das westliche Militärbündnis nicht direkt in den Krieg in der Ukraine involviert ist, liefern Nato-Mitgliedsländer Waffen, Munition und Ausrüstung an die von Russland attackierte ukrainische Armee. Transportflüge mit solchen Gütern dürfen den Schweizer Luftraum gemäss der erwähnten Verordnung nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Bundesrats durchqueren.

Keine Luftbrücke über die Schweiz

Gespräche mit involvierten Personen legen nahe, dass Sommaruga zusammen mit Verteidigungsministerin Viola Amherd und gestützt auf Analysen der Direktion für Völkerrecht aus dem Aussendepartement dem Bundesrat vor einer Woche eine grosszügige Regelung der Bewilligung von Nato-Überflügen beantragten. Sie schlugen vor, dass militärische Flüge von einem Nato-Staat in einen andern Nato-Staat über die Schweiz grundsätzlich möglich sein sollten.

Dass also nicht mehr in jedem einzelnen Fall eine Bewilligung erteilt werden müsste. Im Kontext mit dem Krieg in der Ukraine hätte diese Erleichterung auch Flüge betroffen, mit denen Material und Personal aus dem Süden und Südwesten Europas beispielsweise nach Polen oder in die baltischen Staaten verschoben wird, um die Nato-Ostgrenze militärisch zu stärken.

Keine Erleichterung forderten die beiden federführenden Bundesrätinnen laut übereinstimmenden Angaben hingegen für Transportflüge mit Kriegsmaterial, das für die Ukraine bestimmt ist. Es sollte «keine Luftbrücke für Waffenlieferungen in die Ukraine über die Schweiz ermöglicht werden», wie eine involvierte Person versichert.

Zwei Argumente für generelle Bewilligung

Für die generelle Bewilligung von Flügen zwischen Nato-Staaten brachten Amherd und Sommaruga unter anderem folgende Argumente vor. Erstens: Würden Gesuche für Transportflüge etwa von Frankreich nach Rumänien abgelehnt, würde man diese Nato-Staaten gleich behandeln wie den Kriegstreiber Russland, wohin Kriegsmaterialtransporte grundsätzlich verboten sind.

Zweitens sei es nicht kohärent, dass Waffenexporte aus der Schweiz in Nato-Staaten weiter möglich seien, Transportflüge der Nato über die Schweiz aber eingeschränkt würden. In der Praxis würden deshalb ohnehin wohl alle Nato-Überflüge ohne direkten Kriegsbezug bewilligt, wie das in gewöhnlichen Zeiten die Regel sei.

Im Bundesrat setzte sich diese Linie jedoch nicht durch. Dies zeigt das Communiqué des Bundesrats von Freitagabend. Von einer Erleichterung für bestimmte Nato-Überflüge ist darin nicht die Rede. Offensichtlich war dieser Entscheid der Mehrheit des Bundesrats angesichts der angeheizten Neutralitätsdebatte zu gewagt.

Faktisch dürften die Nato-Staaten für die erwähnten Überflüge dennoch eine Bewilligung erhalten, einzelfallgeprüft. Oder sie umfliegen die Schweizer Bürokratie mit einem Aufwand von ein paar zusätzlichen Flugminuten. (aargauerzeitung.ch)

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1949: In Washington wird am 4. April der Nordatlantikvertrag unterzeichnet. Das Bündnis hat anfangs zwölf Mitglieder: Belgien, Dänemark, Frankreich, Grossbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA.
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65 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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D. Valldumatin
12.03.2022 13:27registriert September 2020
Die zweite Begründung sagt ja eigentlich schon alles, was mit der SVP seit eh und jeh falsch läuft!
Kriegsmaterialexport ist mit der Neutralität vereinbarbar, wenn nur die Kohle stimmt. -
Überflugsrecht für humanitäre Rettungsmissionen = lieber nicht. Wir sind ja neutral und wollen niemanden bevorteilen - aussert eben, er hat das nötige 'Kleingeld'.
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Lowend
12.03.2022 13:26registriert Februar 2014
Die NATO ist nicht Kriegspartei, also betreffen Überflüge unsere Neutralität in keinster Weise. Ausserdem sind wir Teil des NATO Programms Partnership for Peace.

Die SVP vertritt mehr und mehr die Interessen der Moskauer Junta und langsam sollte mal die Nähe der SVP zu den neofaschistischen Und rechtspopulistischen Bewegungen, die alle von Putin unterstützt werden, thematisiert werden und darum stelle ich direkt eine Frage an die SVP; könnt ihr der Schweizer Bevölkerung bitte mitteilen, ob je russische Gelder, in welcher Form auch immer, in die Parteikasse oder zu SVP-Politikern flossen?
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Hadock50
12.03.2022 13:45registriert Juli 2020
Der Tag an dem die SVP mal etwas sinnvolles raus lässt werde ich vermutlich nicht mehr erleben..... 🙈🤬
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