International
Schweiz

Wegen Regulierungen: Droht der Schweiz Abwanderung der UBS?

Der CEO der UBS, Sergio Ermotti anlaesslich des Swiss Media Forum vom Donnerstag, 23. Mai 2023 im KKL in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
UBS-Chef Sergio Ermotti ist kein Fan von weitergehenden Regulierungen für den Schweizer Finanzplatz.Bild: keystone

Wegen Regulierungen: Droht der Schweiz Abwanderung der UBS?

Drohungen mit dem Standortwechsel sind wirkungsvoll, wenn Banken eine Lockerung der Regulierungen erzwingen möchten. Doch der Schuss kann nach hinten losgehen, wie eine Analyse der britischen Notenbank zeigt. Das Papier hat für die UBS viel praktische Relevanz.
17.03.2025, 06:4217.03.2025, 07:42
Daniel Zulauf / ch media
Mehr «International»

Die Schweiz braucht eine sichere UBS. Aber gern hätte das Land auch eine Grossbank, die international erfolgreich bleibt, in der heimischen Wirtschaft den grössten Nutzen stiftet und viele gut bezahlte Arbeitsplätze schafft. Finanzministerin Karin Keller-Sutter sprach vor einem Jahr im Interview mit CH Media von einem «Spagat» in der Too-big-to-fail-Regulierung, deren Verschärfung mit dem Credit-Suisse-Debakel zur unbestrittenen Notwendigkeit geworden ist.

Mit dem «Spagat» meinte die Bundesrätin, dass Finanzplätze, die den Sparern, den Steuerzahlenden und den Investorinnen den maximalen Schutz garantieren möchten, nicht gleichzeitig das Wachstum priorisieren können. Das Thema wird am Dienstag auch den Nationalrat beschäftigen.

Bundespraesidentin Karin Keller-Sutter spricht zur Kleinen Kammer, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 10. Maerz 2025 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Vall ...
Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die UBS haben das Heu nicht immer auf der gleichen Bühne.Bild: keystone

Finanzmarktaufseher und Regulatoren sind gezwungen, je nach den politischen Vorgaben, eine Route zwischen Stabilitätssicherung und Wachstumsförderung zu wählen. Forscher der Bank of England haben das Dilemma unter den Bedingungen eines intensiven, internationalen Standortwettbewerbs modelliert. Für die Schweiz sind die Erkenntnisse von grosser praktischer Relevanz.

Einen Vorgeschmack bietet die aktuelle parlamentarische Debatte zum PUK-Bericht, im Mai schickt der Bundesrat das Massnahmenpaket «zur Stärkung und Weiterentwicklung des Too-big-to-fail-Dispositivs» in die Vernehmlassung. Allen 22 geplanten Massnahmen voran soll die vorgesehene Verschärfung der Kapitalverordnung für systemrelevante, internationale Banken deren Widerstandsfähigkeit stärken und damit die Risiken für die für den Staat und die ganze Volkswirtschaft vermindern.

Die Drohung mit der Sitzverlegung

Es ist klar, dass es dabei vor allem um die UBS geht. Abseits der Öffentlichkeit lobbyiert die Bank denn auch heftig gegen zusätzliche Kapitalauflagen. Nicht selten zur Sprache kommt auch das Szenario einer UBS, die der Schweiz abhandenkommen könnte. Entweder, weil sie selber das Weite sucht oder weil übermässige Kapitalauflagen ihren Börsenwert so weit dezimieren könnten, dass sie ein Übernahmeobjekt für andere Banken wird.

Nicht zufällig hat Roman Studer, der frühere UBS-Lobbyist und jetzige Chef der Bankiervereinigung, jüngst im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» das Wegzugsargument im Zusammenhang mit einer möglicherweise starken Eigenkapitalauflagen für die UBS ins Spiel gebracht.

Die gleiche Keule schwingen medienwirksam auch UBS-Aktionäre: Lars Förberg, Partner der schwedischen Investmentfirma Cevian, die Ende 2023 eine Milliardeninvestition in UBS-Aktien publik gemacht hatte, sagte der «NZZ am Sonntag» im Februar auf die Frage, ob er eine Sitzverlegung begrüssen würde, zunächst beschwichtigend:

«Die Schweiz ist gut für die UBS, und die UBS ist gut für die Schweiz.»

Aber in der nächsten Antwort kommt die Drohung: Nordea, die schwedische Grossbank, die ihren Hauptsitz 2018 nach Finnland verschoben hat und an der Cevian ebenfalls beteiligt ist, habe Schweden Steuereinnahmen gekostet. Während dort viele den Wegzug bedauerten, sei Finnland heute «sehr glücklich» über den Zuzug. Und dies, obschon Nordea gemessen an der Wirtschaftsleistung Finnlands sogar noch grösser sei als die UBS für die Schweiz.

Förberg spricht dem internationalen Wettbewerb der Finanzplätze das Wort. Finanzplätze buhlen um die Gunst grosser, mobiler Banken in der Hoffnung Steuersubstrat, attraktive Arbeitsplätze und Prestige zu gewinnen. Doch dieser Wettbewerb hat das Potenzial, die Finanzstabilität zu unterlaufen. Ironischerweise kann der auch die Eigentümerinteressen beschädigen.

Die Forscher der britischen Notenbank zeigen in ihrem Modell was geschehen könnte, wenn die Regulatoren von Finanzplätzen nebst ihrem Stabilitätsauftrag auch ein Wachstumsziel verfolgen müssen. Gefangen in diesem Dilemma könnten sich die Behörden in einem internationalen Standortwettbewerb gezwungen sehen, das Stabilitätsziel zugunsten des Wachstumsziels zu lockern. Das Szenario wir wahrscheinlicher, je weniger sich die Banken zu ihrem Standort bekennen.

Für die Banken selbst ist dieser Wettbewerb ein zweischneidiges Schwert. Standorte, die bekannt dafür sind, die Wünsche der Banken leichtfertig zu erfüllen, können schnell in Verdacht geraten instabil zu sein. Daraus kann den Aktionären, den Gläubigern und nicht zuletzt den Kunden ein Schaden erwachsen. Auf solchen Finanzplätzen mögen die Banken mehr Freiheiten geniessen, aber sie könnten sich genötigt sehen fehlendes Vertrauen in die Regulierung durch dickere und teure Kapitalpolster zu kompensieren.

Bluff und Selbstbetrug

Daraus folgern die Forscher der Bank of England, dass Banken sich und ihren Aktionäre einen Gefallen täten, wenn sie statt mit der Sitzverlegung zu bluffen, die Qualitäten des Standorts in seiner Gesamtheit anerkennen und sich zu diesem bekennen würden. Anders ausgedrückt: Ein Finanzplatz mit einer im Konkurrenzvergleich strengen Regulierung muss auch für ambitionierte Banken keine Hölle sein, ebenso wenig wenig, wie ein Platz mit lockeren Regeln nicht der Himmel sein muss.

Dass sich ausgerechnet die britische Notenbank dem Thema widmet, kommt nicht von ungefähr. Seit 2023 ist die Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes London ein expliziter Auftrag der Aufsichtsbehörde «Prudential Regulation Authority». Zwar handelt es sich dabei um ein Ziel, das dem Hauptauftrag der Stabilitätssicherung nachgelagert ist. Doch in einer Welt, in der die globale Festlegung minimaler Stabilitätsstandards immer schwieriger wird, kann auch die Hierarchie der behördlichen Ziele schnell verschwimmen.

London, Downtown
In London haben die Aufsichtsbehörden seit 2023 nicht mehr nur den ausdrücklichen Auftrag, die Stabilität des Finanzplatzes zu sichern, sondern auch, dessen Wachstum zu fördern.Bild: shutterstock

Im schweizerischen Bundesgesetz über die Finanzmarktaufsicht heisst es unter Artikel 4:

«Die Finanzmarktaufsicht bezweckt nach Massgabe der Finanzmarktgesetze den Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten sowie den Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte. Sie trägt damit zur Stärkung des Ansehens, der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz bei.»

Zwar ist die Förderung von Wachstum in der Schweiz kein eigenständiges Ziel der Finanzmarktaufsicht. Doch das Gesetz lässt Spielraum für politische Interpretationen. 2012, im Jahr der grossen Euro-Schuldenkrise, sagte der damalige Finma-Direktor Patrick Raaflaub auf einer Pressekonferenz eher beiläufig:

«Unsere Aufgabe ist es nicht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu fördern.»

Der Satz löste in der Politik einen Sturm der Entrüstung aus. Er veranlasste den damaligen Genfer FDP-Nationalrat und Finanzplatzlobbyisten Christian Lüscher, eine parlamentarische Initiative zu ergreifen, um die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit als expliziten Auftrag im Finanzmarktgesetz zu verankern. Die Initiative scheiterte zwar, aber der Druck auf die im Urteil der Finanzbranche allzu strenge Finma blieb hoch – zu hoch, wie die Analysen der Parlamentarischen Untersuchungskommission im Fall Credit Suisse gezeigt haben.

Zeichen stehen auf Deregulierung

Nun stehen die Zeichen international abermals auf Deregulierung. Wird die Schweiz ihre Stabilitätsziele mit der UBS in diesem Umfeld erreichen? Die Forscher der Bank of England konstatieren, dass die Wahrscheinlichkeit einer kompetitiven Deregulierung zunimmt, wenn mehrere Finanzplätze gleichzeitig Wachstumsziele avisieren. Erst recht, wenn ein eher für Stabilität bekannter Finanzplatz stärker auf Wachstum fokussieren will.

Die Jäger orientieren sich naturgemäss am weltweit grössten Finanzplatz New York. Neben London haben unter dessen Verfolgern auch Plätze wie Hongkong und Singapur explizite Wachstumsziele – zum Teil sogar mit dem ausdrücklichen Auftrag zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Die Abstände zwischen den Finanzplätzen sind kleiner geworden (vgl. Grafik unten). Was das aber für den Wettbewerb bedeutet bleibt abzuwarten. Knifflig bleibt die Aufgabe für die Schweiz so oder so.

finanzplätze grafik az

(aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
93 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
tss
17.03.2025 06:57registriert Juni 2020
Ist der UBS Führung klar warum es diese noch gibt? Wenn ich ein Konto, bei der UBS hätte, wäre heute Abend auf einer anderen Bank. So grosse Worte waber verdanken alles dem Schweizervolk. Die CS wäre besster verstaatlicht worden als diesen Arroganten Menschen auf dem Silbertaplett zu servieren. Wenn das Management es nicht im griff hat, muss der Staat halt regulieren. Und bei sie können es nicht. Hat die UBS und die CS ganz gut bewiesen. Und nein ihr habt es noch nicht gelehrnt. Und nein ihr könnt es noch nicht alleine. Ihr seit bereits wieder zu hochmütig und Hochmut kommt vor dem Fall.
1009
Melden
Zum Kommentar
avatar
Firefly
17.03.2025 07:28registriert April 2016
Ja soll sie halt gehen, dann kann sie irgendwo anders untergehen und wir müssen nicht dafür bezahlen.

Wer als normaler Büezer noch Geld bei der UBS hat dem ist eh nicht mehr zu helfen.
949
Melden
Zum Kommentar
avatar
Methylphenidate ftw
17.03.2025 07:23registriert Oktober 2022
Oh nein, wer hätte gedacht, dass grosse Konzerne ihre wirtschaftliche Macht ausnutzen. Ich bin ausgesprochen überrascht.
744
Melden
Zum Kommentar
93
    Straumann will in Villeret BE hunderte Stellen streichen

    Der Zahnimplantate-Hersteller Straumann wird an seinem Standort Villeret im Berner Jura bis zu 250 Stellen abbauen. Grund ist die teilweise Verlagerung der Produktion für China nach Schanghai.

    Zur Story