Was würde passieren, wenn es einen Stopp geben würde für alle russischen Exporte von Energieträgern und Rohstoffen in die Europäische Union? Dazu könnte es kommen, wenn entweder Russland den Export verweigert oder die Europäische Union einen Importstopp verhängt.
Antworten auf 5 Fragen zu den Verwicklungen der Schweiz im Rohstoffhandel und die Folgen eines Importstopps für russisches Öl und Gas:
Würde die Schweiz per sofort kein russisches Gas und Erdöl mehr kaufen, wäre dies ein harter Schlag für die Schweizer Wirtschaft: Das Wachstum würde viel geringer ausfallen. Zu diesem Schluss kommt die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. Aber die Wirtschaft würde noch immer wachsen. Eine Rezession würde es nicht geben.
Laut KOF käme die Wirtschaft im Jahr 2022 dann nicht mehr auf ein Wachstum von gut 3 Prozent. Es wäre nur ein Wachstum von einem Prozent. Demnach würde ein Exportstopp die Schweiz wirtschaftlich hart treffen: Es gingen 2 Prozentpunkte an Wachstum verloren, was ungefähr 15 Milliarden Franken an Wertschöpfung entspricht.
Und im Jahr darauf käme nochmals ein Wachstumsverlust obendrauf: 2023 gingen 3.5 Prozentpunkte an Wachstum verloren im Vergleich zu einer Welt ohne Ukraine-Krieg. Total käme verteilt über 2 Jahre dann ein Wachstumsverlust zusammen von 5.5 Prozentpunkten – oder ungefähr 41 Milliarden Franken.
Sollte die Europäischen Union (EU) den russischen Gas- und Erdölhahn zudrehen, käme es in der EU zu einer Rezession, was wiederum die Schweiz treffen würde. Wenn der wichtigste Schweizer Handelspartner leidet, leidet die Schweiz mit. Gemäss KOF käme es in der EU zu «gravierenden Engpässen». Energieträger und Rohstoffe würden derart knapp, dass Unternehmen ihre Produktion unterbrechen müssten.
«Beängstigend» seien die Zahlen, sagt der französische Ökonom Jean Pisani-Ferry. 2019 importierte die EU 47 Prozent seines Kohleverbrauchs aus Russland, 41 Prozent des Gases und 27 Prozent des Öls. Was nach einem Importstopp noch vorhanden wäre, würden nicht mehr durch einen freien Markt verteilt - sondern der Staat würde diese Verteilung übernehmen. Das Angebot würde rationiert. Damit fände der Aufschwung ein jähes Ende: Zuvor hatte die Wirtschaft in der EU die Coronakrise gut weggesteckt, die Arbeitslosenquote fiel auf ein Allzeittief; neu geriete Europa in eine Rezession.
Der Handel mit russischen Rohstoffen hat in der Schweiz erstaunliche Ausmasse angenommen, wie die KOF vorrechnet – und er würde wohl vollständig zum Erliegen kommen, wenn die Schweiz einen Importstopp für russisches Öl und Gas verhängte. Ungefähr 80 Prozent des russischen Rohöls werden hierzulande abgewickelt – über Transithandelsfirmen in der Schweiz.
Doch der Transithandel ist breit aufgestellt, wie die gesamte Schweizer Wirtschaft auch. Und so macht der Transithandel mit russischem Rohöl gemessen am gesamten Transithandel recht wenig aus: Gemäss KOF sind es rund 10 Prozent. Und dieser Gesamttransithandel vereint auf sich wiederum rund 7 Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts der Schweiz. Gemessen an der gesamten Schweizer Wirtschaft macht der Handel mit russischen Rohstoffen also ungefähr 0.7 Prozent aus.
Die Schweiz hat kein eigenes Gas, weder eigene Lager noch eigene Vorkommen. Alles kommt direkt aus dem Ausland, wie das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung aufzeigt. Die Schweiz deckt sich auf dem EU-Markt mit Gas ein. Und dort ist Russland ein wichtiger Akteur – und damit auch für die Schweiz. Fast die Hälfte des in die Schweiz importierten Gases kommt aus Russland.
Sollte sich die EU also für einen Boykott entscheiden und würde die Schweiz mitziehen, stünde die Schweiz vor einer Versorgungslücke. Kurzfristig wäre dies kein Problem, da der EU-Markt und somit die Schweiz andere Quellen anzapfen könnte, etwa Flüssiggas (LNG). Käme es dennoch zu Versorgungsengpässen, müsste die Schweiz Erdgas durch Heizöl extraleicht aus den Pflichtlagern ersetzen. Diese reichen 4.5 Monate. Daneben könnte der Bund in einem solchen Fall Sparappelle oder gar eine Kontingentierung des Heizöls veranlassen.
Weniger am Tropf von Russland hängt die Schweiz beim Erdöl. Das importierte Rohöl stammt aus Libyen, Nigeria oder den USA. Etwa ein Viertel des aus der EU importierten Benzins oder Diesel stammt zwar aus Russland. Doch hier hätte die Schweiz einige Reserven, die für 4.5 Monate reichen würden bei Autobenzin, Dieselöl und Flugpetrol.
Die kurzfristigen wirtschaftlichen Kosten sind nur die eine Seite. Eine andere Seite haben die verstörenden Bilder aus der ukrainischen Stadt Butscha gezeigt, wo russische Soldaten allen Anzeichen nach schwere Kriegsverbrechen begangen haben.
Der Ökonom Pisani-Ferry argumentierte schon vor Butscha gegen eine kurzfristige Betrachtungsweise. Seiner Ansicht nach sollten Europas Staats- und Regierungschefs der Öffentlichkeit eines klarmachen: «Europa kann einen Gegner nicht besiegen, wenn dieser bereit ist, einen Rückgang des Nationaleinkommens um 20 Prozent zu ertragen, wenn Europa seinerseits nicht bereit ist, einen Rückgang seines eigenen Einkommens um 2 Prozent zu riskieren.»
Es ist ja nicht so, dass wir tatsächlich etwas verlieren würden sondern wir würden einfach weniger Gewinn/Einnahmen haben. Zudem wird unser "potenzielles" Wachstum doch wahrscheinlich auch durch das Verbot von Sklaverei und Kinderarbeit gebremst aber da käme niemand darauf einen Artikel zu schreiben.
Oder verstehe ich da etwas völlig falsch?