Neben dem US-Präsidenten zählen auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und sein Kollege Recep Tayyip Erdogan aus der Türkei zu den frühen Sprechern zum Auftakt der 79. Generaldebatte in New York (ab 15.00 Uhr MESZ).
Bei den Vereinten Nationen hat Biden als Verfechter internationaler Zusammenarbeit einen deutlich besseren Ruf als sein UN-kritischer Vorgänger Donald Trump – es wird erwartet, dass Biden bei seiner Rede die Rückkehr der USA in internationale Abkommen und sein Bemühen um den Multilateralismus betonen wird.
Doch viele Zuhörer werden dem mächtigsten Mann der Welt auch eine Mitschuld für das humanitäre Desaster im Gazastreifen geben. Die USA hatten ihren Verbündeten Israel immer wieder geschützt – zum Beispiel mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat.
Am Nachmittag plant zudem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an einer Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu Russlands Angriffskrieg teilzunehmen. Vor seiner USA-Reise hatte Selenskyj Erwartungen an einen seit Wochen angekündigten «Siegesplan» geweckt, dessen Details er zuerst US-Präsident Biden vorstellen will.
Einem Bericht der britischen «The Times» nach enthält er die Forderung nach westlichen Sicherheitsgarantien ähnlich denen einer Nato-Mitgliedschaft. Zudem sollen nicht näher genannte spezifische Waffen und weitere Finanzhilfen angefordert werden. Vor der Vollversammlung soll Selenskyj Mittwochvormittag (Ortszeit) sprechen.
Der Auftakt der UN-Generaldebatte wird dabei von der Eskalation in Nahost überschattet. Tägliche neue schwere Angriffe von Israel auf die Schiitenorganisation Hisbollah im Libanon mit vielen zivilen Opfern lassen die Sorge vor einem grossen regionalen Krieg aufkommen. Es wird davon ausgegangen, dass UN-Generalsekretär António Guterres in seiner Rede mit deutlichen Äusserungen in Richtung Israel und seiner Verbündeten zur Mässigung aufrufen wird.
In den kommenden Tagen sollen bei der Generaldebatte etwa 120 Staats- und Regierungschefs Reden halten. Bei vielen Reden dürften der Nahost-Konflikt und der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eine wichtige Rolle spielen.
Die Schweiz wird von Bundespräsidentin Viola Amherd und Aussenminister Ignazio Cassis vertreten. Die Botschaft der beiden Bundesräte an die Staatsleute in New York: Höchste Zeit, Uno-Reformen anzupacken und den Multilateralismus zu stärken.
Amherd beschrieb die Welt an einem Uno-Treffen am Montag als «zunehmend geprägt von Ungleichheit, demokratischen Rückschritten und Misstrauen». Cassis zeigte sich in New York gleichentags besorgt über die global ansteigende Zahl von bewaffneten Konflikten – 120 sind es zur Zeit, im Vergleich zu knapp zwei Dutzend vor 25 Jahren – infolge derer Millionen von Menschen humanitäre Hilfe und Schutz benötigen.«Wir haben eine Pflicht, dafür zu sorgen, dass unsere gemeinsame Zukunft nicht ausschliesslich von nationalen Eigeninteressen bestimmt wird», sagte die Bundespräsidentin am Uno-Zukunftsgipfel am Sonntag.
In ihrer Rede am Dienstag (gegen 17.30 Uhr Schweizer Zeit) wird Amherd auch über die Erfahrungen der Schweiz sprechen, die das Land 2023 und 2024 als gewähltes Mitglied des Sicherheitsrates gemacht hat. Die Bundespräsidentin lobte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA die Arbeit der Schweizer Diplomaten, die sich im Rat tatkräftig für humanitäre Hilfe und den Schutz der Zivilbevölkerung einsetzten.
Amherd nimmt am Mittwoch an einer Sitzung des Gremiums zum Thema «Führungsstärke für den Frieden» teil. Auch für Aussenminister Cassis liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Sicherheitsrat, nicht zuletzt, weil die Schweiz im Oktober erneut für einen Monat den Vorsitz des mächtigsten Uno-Gremiums übernimmt.
Cassis wird im Rat dabei sein, wenn am Dienstagnachmittag (Lokalzeit) die Situation in der Ukraine besprochen wird. An der Sitzung werden auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der amerikanische Aussenminister Antony Blinken teilnehmen.
Cassis beschäftigt in New York zudem, dass Uno-Mitarbeitende im vergangenen Jahr vermehrt zur Zielscheibe von Angriffen wurden. Die Schweiz hatte im vergangenen Sommer die Resolution 2730 des Sicherheitsrats zum Schutz von humanitärem und Uno-Personal eingebracht, die mit der Unterstützung von 98 Uno-Mitgliedstaaten angenommen wurde.
Sie bekräftigt die Verpflichtung von Staaten und Konfliktparteien, humanitäres und Uno-Personal, einschliesslich nationaler und lokaler Mitarbeiter, zu respektieren und zu schützen und verurteilt Angriffe auf solches Personal.
«Humanitäre Helfer sind eine Lebensader für Millionen Zivilisten weltweit, die täglich ihr Leben riskieren, um Betroffenen zu helfen und sie zu schützen. Wir müssen ihre Fähigkeit, diese lebenswichtige Arbeit zu leisten, besser schützen», sagte Cassis.
(sda/dpa/con)