Mit knapp 52 Prozent der ausgezählten Stimmen lag die Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) am Freitagmorgen bei 41,93 Prozent, teilte die Nationale Wahlbehörde (IEC) mit. Das vorläufige Ergebnis bedeutet eine massive Einbusse von rund 15 Prozentpunkten für die Regierungspartei, die bei den Parlamentswahlen 2019 noch 57,5 Prozent der Stimmen erhielt.
Bleibt die einstige Partei des Anti-Apartheid-Kämpfers Nelson Mandela unter der 50-Prozent-Marke, wie nun als wahrscheinlich gilt, wird sie eine Koalition bilden müssen. In den vergangenen 30 Jahren, seit Beginn der Demokratie 1994, hatte der ANC immer die absolute Mehrheit errungen und die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents allein regiert.
Die wirtschaftsliberale Demokratische Allianz (DA) kam den vorläufigen Ergebnissen zufolge auf 23,43 Prozent, während die erst vor sechs Monaten von Ex-Präsident Jacob Zuma gegründete Partei, uMkhonto we Sizwe (MK), bei 10,58 Prozent liegt. Die marxistisch geprägte Partei Economic Freedom Fighters (EFF) folgt knapp dahinter mit 9,78 Prozent.
Der ANC wird nach den vorläufigen Ergebnissen auch die absolute Mehrheit in der wirtschaftsstärksten Provinz des Landes, Gauteng, in der die Hauptstadt Pretoria und die Wirtschaftsmetropole Johannesburg liegen, verlieren. Ebenso wird der ANC mutmasslich in KwaZulu-Natal, der Heimatprovinz Zumas, unter 50 Prozent fallen. Die wirtschaftlich zweitstärkste Provinz, das Westkap, in dem Kapstadt liegt, wird bereits seit Jahren von der DA geführt, die dort den vorläufigen Ergebnissen zufolge die absolute Mehrheit behalten wird.
Mitglieder von 52 Parteien konkurrierten am 29. Mai um die 400 Sitze des Nationalparlaments. Nach Verkündung der Ergebnisse muss das neugewählte Parlament innerhalb von 14 Tagen eine Regierung bilden und einen Präsidenten wählen. Auch Provinzregierungen wurden neu gewählt.
Der Grund für den historischen Machtverlust des ANC in dem Land mit 61 Millionen Einwohnern am Südzipfel Afrikas wird mit einer schwachen Regierungsbilanz begründet: eine kränkelnde Wirtschaft, Massenarbeitslosigkeit, marode Staatsunternehmen, regelmässige Stromabschaltungen sowie hohe Kriminalität und Korruption.
Die Wahlen sind auch für Deutschland und Europa relevant. Südafrika gilt politisch sowie wirtschaftlich als «Tor zu Afrika», als Zugangsland zu einem Kontinent, der aufgrund seiner für die Energiewende benötigten Rohstoffvorkommen international immer wichtiger wird. Obwohl Südafrika gute Beziehungen zu westlichen Ländern unterhält, ist die Regierung eng mit Russland und China verbunden. Im Gaza-Krieg vertritt Südafrika eine starke propalästinensische Position. Es hat vor dem Internationalen Gerichtshof Klage gegen Israel wegen Völkermords im Gazastreifen erhoben. (sda/dpa)