Bei den Untersuchungen zu den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 haben die Ermittler nach eigenen Angaben Sprengstoffspuren auf einer verdächtigen Segeljacht gefunden.
«In den während der Untersuchung vom Boot entnommenen Proben wurden Spuren von Unterwassersprengstoff gefunden», heisst es in einem gemeinsamen Brief der deutschen UN-Botschafterin Antje Leendertse und der Botschafterinnen von Dänemark und Schweden an den UN-Sicherheitsrat in New York.
Das Schreiben liegt der Nachrichtenagentur DPA und T-Online vor. Darin heisst es weiter, es bestehe der Verdacht, dass die Segeljacht zum Transport des Sprengstoffs genutzt worden sei, der bei der Sabotage der Pipelines eingesetzt wurde.
Die drei Ländervertreterinnen betonten gegenüber dem mächtigsten UN-Gremium, dass die Ermittlungen andauerten:
In dem Schreiben heisst es, die Ermittler seien dabei, die genaue Route des Bootes nachzuzeichnen. Man habe herausgefunden, dass das Boot im Namen einer Person angemietet worden sei, die Dokumente verwendet habe, mit denen die Identität des echten Mieters verschleiert werden sollte. Ob sich diese Person tatsächlich dann an Bord befunden habe, sei noch nicht festgestellt worden.
Dem Brief der Botschafterinnen ist allerdings nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Sprengstoffspuren bei der Untersuchung der «Andromeda» entdeckt wurden.
Nach Experteneinschätzungen sei es möglich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten, an denen die Gasleitungen beschädigt worden seien, heisst es in dem Schreiben weiter.
T-Online hatte im März exklusiv über einen geheimen russischen Konvoi zu den späteren Anschlagsorten berichtet, der offenkundig wenige Tage vor den Anschlägen eine Reaktion von Nato-Streitkräften auslöste.
Teil des Konvois waren Spezialschiffe für Unterwassermissionen, unter anderem die mit einem Mini-U-Boot ausgestattete «SS-750» sowie das Hebeschiff «SB-123».
Die Schiffe erreichten das Gebiet am 21. September 2022 und verliessen es einen Tag später wieder. Am 26. September explodierten die Pipelines.
Auch die Bundeswehr hat kurz vor den Anschlägen auf Nord Stream russische Militärschiffe am späteren Tatort registriert. Das bestätigte das Verteidigungsministerium auf Anfrage von T-Online. Alle damit in Zusammenhang stehenden Informationen habe die Behörde dem deutschen Generalbundesanwalt für seine Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Öffentlich sollen sie nicht werden.
Am 26. September 2022 waren zunächst Explosionen in der Nähe der dänischen Insel Bornholm registriert und wenig später vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen der Pipelines entdeckt worden. Der Betreiber von Nord Stream 1 sprach später von metertiefen Kratern und weit verteilten Trümmern am Meeresgrund.
Nord Stream 1 und 2 verlaufen jeweils als Unterwasser-Doppelstrang über eine Strecke von rund 1200 Kilometern von Russland nach Deutschland. Nord Stream 1 lieferte seit 2011 einen erheblichen Anteil des nach Europa importierten Gases.
Allerdings hatte Moskau die Lieferungen im Zuge der Konfrontation mit dem Westen nach seinem Angriff auf die Ukraine schon vor der Zerstörung gedrosselt und dann ganz eingestellt. Die neuere Nord-Stream-2-Pipeline war bereits mit Gas gefüllt, aber mangels Zertifizierung noch nicht in Betrieb.
Die schwedische Staatsanwaltschaft hatte im November die von Anfang an gehegte Vermutung bestätigt, dass es sich um Sabotage handelte. Analysen hätten Sprengstoffreste an mehreren Fremdkörpern gezeigt, erklärte der zuständige schwedische Staatsanwalt Mats Ljungqvist.
In Deutschland haben die Ermittler Berichten zufolge eine gecharterte Segeljacht in den Fokus genommen, mit der das Sabotageteam mutmasslich unterwegs war. ARD, SWR und «Zeit» hatten im März berichtet, dass ein Einsatzkommando den Ermittlern zufolge von Rostock aus in See gestochen sein soll. Spuren sollen demnach auch in die Ukraine führen. So hiess es in dem Bericht, die Jacht sei angeblich von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden, die offenbar zwei Ukrainern gehöre.
Auch von Zwischenstopps der Jacht in Wiek auf Rügen und an der dänischen Insel Christiansø nordöstlich von Bornholm war die Rede. Späteren Medienberichten zufolge handelte es sich um das von einem Vermieter auf der Insel Rügen bereitgestellte Schiff «Andromeda».
Die Spurenlage zur «Andromeda» wird nicht nur in Osteuropa und Skandinavien mit Argwohn betrachtet. Auch in deutschen Sicherheits- und Expertenkreisen glauben viele weiterhin an absichtlich gelegte Fährten in die Ukraine, die die wahren Täter verschleiern sollen. Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendiensts, erklärte vor wenigen Wochen, es gebe Hinweise «in alle möglichen Richtungen».
Wann die Untersuchungen abgeschlossen seien, lasse sich weiter nicht sagen, schrieben Leendertse und ihre skandinavischen Kolleginnen. Die Art der Sabotageakte sei beispiellos, die Nachforschungen seien komplex.
Der schwedische Staatsanwalt Ljungqvist hatte vor wenigen Wochen im schwedischen Radio gesagt, er hoffe, dass man im Herbst Stellung zur Täterfrage beziehen könne – das sei zumindest das Ziel.
Russland kritisiert, nicht in die Untersuchungen einbezogen zu werden. Dazu heisst es in dem Schreiben, die russischen Behörden seien über die laufenden Ermittlungen informiert worden.
(t-online/dsc)