Offiziell bestätigt: Am Nord-Stream-Tatort waren russische Militärschiffe
Die Bundeswehr hat kurz vor den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines russische Militärschiffe am späteren Tatort registriert. Dies hat das deutsche Verteidigungsministerium nun erstmals auf Anfrage von T-Online bestätigt.
Alle damit in Zusammenhang stehenden Informationen habe die Behörde dem Generalbundesanwalt für seine Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Öffentlich sollen sie nicht werden.
Was haben Journalisten bislang herausgefunden?
T-Online hatte im vergangenen März exklusiv über einen geheimen russischen Konvoi zu den späteren Anschlagsorten berichtet, der offenkundig wenige Tage vor den Anschlägen eine Reaktion von Nato-Streitkräften auslöste.
Teil des Konvois waren Spezialschiffe für Unterwassermissionen, unter anderem die mit einem Mini-U-Boot ausgestattete «SS-750» sowie das Hebeschiff «SB-123». Die Schiffe erreichten das Gebiet am 21. September 2022 und verliessen es einen Tag später wieder. Am 26. September explodierten die Pipelines.
Recherchen internationaler Medien bestätigten anschliessend Details des T-Online-Berichts. Zunächst gab Dänemark gegenüber der dortigen Tageszeitung «Information» an, Fotos der Schiffe gemacht zu haben. Unter anderen mehrere der «SS-750».
Eine Recherchekooperation mehrerer skandinavischer Fernsehsender ergab ausserdem, dass ein ehemaliger britischer Agent den Funk des Konvois abgehört hatte und so seine weitere Ortung ermöglichte – obwohl die Schiffe keine Positionsdaten sendeten.
Was wissen die deutschen Ermittlungsbehörden?
Unklar blieb zunächst, ob Deutschland über eigene Informationen zu den russischen Schiffsbewegungen verfügte.
Für Spekulationen sorgte, dass das Aufklärungsschiff «Oste» am 22. September auf dem Rückweg vom alljährlichen Herbstmanöver Northern Coasts für zwei Stunden im betreffenden Gebiet vor Bornholm Halt machte. Zur gleichen Zeit, als dort dänische und schwedische Schiffe und Flugzeuge offenbar die russischen Schiffe verfolgten.
T-Online stellte deswegen beim deutschen Verteidigungsministerium einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz und forderte alle Dokumente und die Kommunikation zu den russischen Schiffen an, die am 21. und 22. September am späteren Tatort gesichtet wurden, insbesondere alle Fotos, Videos und sonstige Dokumentationen, die an Bord der «Oste» erstellt wurden, sowie alle sonstigen Dokumentationen der konkreten sechs russischen Militärschiffe.
Zwar lehnte das Ministerium den Antrag ab – allerdings nicht mit dem Hinweis, es gäbe keine Unterlagen dazu.
Stattdessen argumentiert das deutsche Ministerium, die Informationen seien dem Generalbundesanwalt übermittelt worden und ihr Bekanntwerden könne die Ermittlungen beeinträchtigen. Im schriftlichen Bescheid heisst es:
Damit ist erstmals offiziell, dass die russischen Schiffe Teil der deutschen Ermittlungen sind.
Was wissen wir zur angeblichen Ukraine-Spur?
Im Anschluss an die mutmassliche Sabotage hatten deutsche, dänische und schwedische Strafverfolgungsbehörden jeweils eigenständige Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Schweden betrachtet einen staatlichen Akteur als weiterhin wahrscheinlichste Tatvariante. Der deutsche Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt folgten bislang jedoch hauptsächlich Hinweisen, die als Spuren in die Ukraine gedeutet werden. Demnach könnten die Anschläge von einem kleinen Team auf einer Segeljacht ausgeführt worden sein, wie unter anderem «Zeit», ARD und «Spiegel» berichteten.
Die Spurenlage wird allerdings nicht nur in Osteuropa und Skandinavien weiterhin mit Argwohn betrachtet. Auch in deutschen Sicherheits- und Expertenkreisen glauben viele weiterhin an absichtlich gelegte Fährten in die Ukraine, die die wahren Täter verschleiern sollen. Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendiensts, erklärte vor wenigen Wochen, es gebe Hinweise «in alle möglichen Richtungen».
Erst am Montag berichtete der deutsche Privat-TV-Sender RTL, dass eine der verdächtigten Schlüsselpersonen sich derzeit frei in Russland bewegt. Das deckt sich mit bislang unveröffentlichten Recherchen von T-Online. Russland hat für den heutigen Dienstag eine Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Thema beantragt.
Laut jüngsten Berichten gibt es zu der Segeljacht «Andromeda», die ja laut unbestätigten Berichten von Ukrainern gemietet worden sein soll, eine russische Spur: Demnach wurde das Schiff über eine Scheinfirma in Polen gemietet. Und in den Papieren zu dieser Scheinfirma taucht eine Russin auf, die sich seit einiger Zeit in Russland aufhält. Die Frau habe nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland 2014 geholfen, für die Besatzer Wahlen durchzuführen. Einen ukrainischen Pass habe sie nicht.
Diese Frau könnte sich nicht in Russland aufhalten oder dort frei bewegen, «wenn sie gegen den russischen Staat gehandelt hätte», argumentiert Kiesewetter. Denn bei der Sprengung der Gas-Pipelines sei ja bekanntlich ein Millionenvermögen vernichtet worden.
Quellen
- Eigene Recherchen
- n-tv.de: Nord-Stream-Sprengung: Die Spur führt nach Moskau (11. Juli)
- zdf.de: Putins Schadenkrieg (sehenswerte dreiteilige TV-Dokumentarfilm-Serie zu russischen Spionage- und Untersee-Sabotage-Schiffen Russlands in Europa)
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(t-online/dsc)