Es ist eines der ikonischen Bilder, welche der Ukraine-Krieg bisher hervorgebracht hat: Mit blutverschmiertem Gesicht hebt der ukrainische Pilot den Daumen, um zu zeigen, dass alles in Ordnung ist.
Major Vadym Voroshylov, call sign Karaya, shot down 2 missiles and 5 drones during a ruscist attack on Vinnytsia. A photo of his bloodied face went viral. On December 5, President @ZelenskyyUa signed a decree awarding him the title of Hero of Ukraine, Order of the Gold Star. pic.twitter.com/b0iH9QXw4N
— Defense of Ukraine (@DefenceU) December 8, 2022
Gemäss den offiziellen Angaben hat dieser Jagdflieger soeben den Ausstieg mit dem Schleudersitz aus seiner MiG-29 überlebt. Zuvor schoss er zwei russische Raketen und fünf iranische Schahed-136-Drohnen ab, wobei sein Flugzeug durch Trümmerteile zum Absturz gebracht wurde. Vor dem Herauskatapultieren mit dem Schleudersitz ist es ihm aber noch gelungen, seinen brennenden Düsenjet weg von der Stadt Winnyzja zu steuern, damit das Wrack nicht auf Zivilisten fällt.
Der Flieger ist Major Wadim Woroschilow. Seine militärische Glanzleistung vollbrachte er am 12. Oktober. Von seinen Fans wird er anerkennend als «Schahed-Killer»,« ukrainischer Maverick» oder «Geist von Winnyzja» tituliert. Diese Woche zeichnete ihn Präsident Wolodimir Selenski mit dem goldenen Stern des Helden der Ukraine aus, der höchsten ukrainischen Tapferkeitsmedaille. Dies gab das ukrainische Verteidigungsministerium am Donnerstag bekannt.
Dass Woroschilow nun von den feindlichen Russen ebenso gehasst wie von seinen Landsleuten bewundert wird, liegt in der Natur des Krieges. Unglücklich dabei ist, wie er von sich aus die russische Mär bedient, alle Ukrainer seien Nazis und die Russen die eigentlichen Befreier.
So wird er in sozialen Netzwerken von Russlandfreunden als «Ukronazi-Pilot» beschimpft, was noch eine der harmloseren Bezeichnungen ist. Schuld daran ist sein fliegerisches Rufzeichen «Karaya», das Woroschilow gut sichtbar auf seinem Fliegerhelm trägt.
In militärgeschichtlich bewanderten Kreisen weiss man sofort: Dieses Rufzeichen hat eine mit Nazi-Deutschland verbundene Vorgeschichte. Als «Karaya-1» wurde der deutsche Jagdflieger Erich Hartmann im Zweiten Weltkrieg weltberühmt. Dieser führt heute noch mit Abstand die Liste der erfolgreichsten Jagdpiloten aller Zeiten an.
Erich «Bubi» Hartmann (1922-1993) überlebte den Krieg mit der unglaublichen Zahl von 352 bestätigten Abschüssen, während es die besten alliierten Piloten nur in ganz wenigen Fällen auf mehr als 40 abgeschossene Feindmaschinen brachten. Seine militärischen Erfolge erzielte Hartmann überwiegend an der Ostfront gegen sowjetische Piloten.
In Anlehnung an einen damals populären Schlager, «das exotische Märchen Karaya», übernahm Hartmanns Staffel den Liedtitel als fliegerisches Rufzeichen. Zusätzlich liess er den Schriftzug auf sein Jagdflugzeug malen.
Von US-Truppen 1945 an die Sowjetunion ausgeliefert, wurde Hartmann als Kriegsgefangener vor ein Sondertribunal gestellt und wegen Kriegsverbrechen und antisowjetischer Umtriebe zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Hartmann wehrte sich gegen die Verurteilung zeitweise mit Hungerstreik und sprach von einer konstruierten Anklage: Er habe als Jagdflieger nie das Kriegsrecht gebrochen.
Vorzeitig begnadigt gehörte er 1955 zu den letzten deutschen Soldaten, die im Tauwetter nach Stalins Tod aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimkehren durften. In der Bundeswehr, in die er anschliessend eintrat, brachte es Hartmann bis zum Flieger-Obersten.
Gemäss seinen (wohlgesinnten) amerikanischen Biografen Raymond Toliver und Trevor Constable galt der eher schmächtig gebaute Pilot als unangenehmer, äusserst kritischer Soldat, der im Zuge der Starfighter-Absturzserie 1970 aus Enttäuschung über die Generalität seinen Abschied nahm. Zuvor waren Hartmanns Warnungen vor dem hochgezüchteten, für die Bundeswehr ungeeigneten US-Düsenjet ungehört verhallt.
Nun gäbe es in Woroschilows Kampfpiloten-Universum sicher schlimmere Vorbilder: Im Gegensatz zu unverbesserlichen fliegerischen Alt-Nazis wie Oberst Hans-Ulrich Rudel galt Erich Hartmann stets als politisch unverdächtig und einzig von der Fliegerei besessen. Ein gefundenes Fressen für russische Kriegspropaganda ist der Karaya-Bezug trotzdem, wie sich jetzt in den sozialen Netzwerken zeigt.
So weisen Kreml-Propagandisten genüsslich darauf hin, dass sich unter den von Hartmann im Zweiten Weltkrieg abgeschossenen und dabei vielfach getöteten Sowjetpiloten auch viele Ukrainer befanden.
Von Woroschilow selbst, der nach seiner Verwundung wieder Einsätze fliegen soll, sind noch keine Aussagen zu Karaya oder Erich Hartmann überliefert. Einer seiner Fans äussert aber auf Twitter Verständnis für ihn: Es sei doch logisch, wenn ein Flieger-Ass sich mit dem Besten der Besten seiner Branche vergleichen wolle und diesem seine Reverenz erweise.
Mit dem Rufzeichen eines Nazipiloten schiesst er Faschistische Piloten ab.
Unter Fliegern gibt's halt viele sonderliche Eigenheiten, die nicht alle nachvollziehen und verstehen können.
"Juliet Bravo" könnte uns sicher noch viel mehr erzählen... 😉👍