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Ukraine

Oleksandr Matsievskyi: Der ermordete ukrainische Soldat wurde identifiziert

Identität geklärt: Das ist der erschossene ukrainische Scharfschütze

Er sagte «Ruhm der Ukraine» und wurde dann von der russischen Armee mit mehreren Schüssen niedergestreckt. Nun steht die Identität des zuvor unbekannten ukrainischen Helden fest: Es handelt sich um Oleksandr Igorevich Matsievskyi.
13.03.2023, 15:0013.03.2023, 16:46
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Zu Beginn der letzten Woche wurde auf Telegram ein 12-sekündiges Video geteilt, das für Entsetzen sorgte.

Es zeigt einen ukrainischen Soldaten, der in einem flachen Graben steht und eine Zigarette raucht. Er schaut in die Kamera und sagt ruhig «Ruhm für die Ukraine» (ukrainisch: Slava Ukraini), bevor er von einem russischen Kugelhagel niedergestreckt wird.

Im Netz erreichte er damit sofort Heldenstatus. Viele Details rund um das Video waren zunächst unklar, doch die brennendste aller Fragen war: Wer war der Mann?

Gestern wurde diese Frage vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beantwortet. Dank Analysen habe die Identität des Mannes geklärt werden können: Beim Mann handelte es sich um den 42-jährigen Oleksandr Igorevich Matsievskyi. Gemäss dem ukrainischen Geheimdienst SBU soll er ein Kriegsgefangener gewesen ein.

Nun ist er noch viel mehr als das: Selenskyj ehrte den Mann posthum mit dem Titel «Held der Ukraine». Der 42-Jährige sei «ein Mann, an den man sich für immer erinnern» werde, sagte Selenskyj in einer am Sonntag in Kiew verbreiteten Videobotschaft.

Der Scharfschütze, der vor dem Krieg in Kiew als Elektriker arbeitete, starb dem Geheimdienst zufolge am 30. Dezember 2022. Die Leiche sei im Februar übergeben worden. Selenskyj sagte, der Soldat sei ein Mann, «den alle Ukrainer kennen werden». Er zeichne ihn aus «für seine Tapferkeit, für seinen Glauben an die Ukraine und für sein ‹Ruhm der Ukraine›».

Der falsch identifizierte Held: Tymofiy Shadura

Der endgültigen Klärung der Identität des Mannes ging ein Ringen zweier Parteien voraus. Zwei Familien, zwei Bataillone und zwei verschiedene Heimatstädte beanspruchten den Mann als ihren eigenen.

Einen Tag nach der Veröffentlichung des Videos gab das ukrainische Militär bekannt, dass es sich bei dem Soldaten um Tymofiy Shadura von der 30. Separatistischen Mechanisierten Brigade handele. Zugleich wiesen sie darauf hin, dass eine endgültige Bestätigung erst möglich sei, wenn die Leiche geborgen worden sei.

Dennoch verbreiteten sich diese Informationen wie ein Lauffeuer auf Twitter, worauf Tymofiy Shadura als Held gefeiert wurde:

Laut der Brigade ist der 41-Jährige am 3. Februar in der Nähe von Bachmut verschwunden. Gegenüber der BBC meldete sich die Schwester Shaduras zu Wort: Ihr Bruder wäre sicherlich in der Lage gewesen, sich den Russen auf diese Weise zu widersetzen. Dennoch war auch sie sich nicht sicher:

«Ich erkenne meinen Bruder in diesem Video. Aber wenn er das nicht ist, dann fühle ich mit seinen Verwandten. Falls das so sein sollte, kann mir jemand helfen, meinen Bruder zu finden?»

Shadura wird auch heute noch vermisst.

Die Identifikation von Oleksandr Igorevich Matsievskyi

Ukrainische Medien und Blogger behaupteten währenddessen – korrekt, wie sich nun herausstellte –, dass es sich bei dem Ermordeten um den 42-jährigen Oleksandr Igorevich Matsievskyi handelte. Dieser war im November ebenfalls in Bachmut stationiert.

Der bekannte ukrainische Journalist Yuriy Butusov beschrieb in einem langen Facebook-Beitrag diverse Faktoren, die auf Matsievskyis Identität hinwiesen. So sei beispielsweise 10 Tage vor der Aufnahme des Videos ein Foto von ihm gemacht worden. Dies zeige ihn mit einem grossen Pflaster über der rechten Augenbraue. Auch auf dem Video sei dieses Pflaster zu sehen.

Oleksandr Matsiyevsky
Matsievskyi mit dem Pflaster zehn Tage, bevor er hingerichtet wurde.Bild: facebook/Юрій Бутусов

Des Weiteren habe er ein Foto aus dem Leichenschauhaus erhalten, nachdem Matsievskyis Leiche in die Ukraine überführt worden war. Das Foto zeige deutlich Einschusslöcher an den Stellen, an denen die Kugeln im Video eingeschlagen waren.

Schliesslich meldete sich auch noch Matsievskyis Territorialverteidigungseinheit zu Wort. Sie erklärte, dass Matsievskyi und vier weitere Soldaten am 30. Dezember 2022 am Rande von Soledar an einem Gegenangriff beteiligt gewesen seien. Danach hätten sie den Kontakt zu ihm verloren. Sie waren überzeugt, dass es sich beim Mann im Video um Matsievskyi handelte.

Auch seine Familie habe ihn im Video erkannt, so Matsievskyis Brigade. Matsievskyis Mutter entdeckte das Video zu Hause auf dem Sofa, als sie durch Facebook scrollte, erzählte sie der Bild. Sofort habe sie geschrien:

«Sasha! Sasha! Das ist unser Sasha!»
Die Mutter nannte ihren Sohn bei dem Spitznamen «Sasha»

Ihr Enkel (Matsievskyis Sohn) habe das Video ebenfalls gesehen, sie unter Tränen angerufen und geschrien:

«Ich habe gesehen, wie mein Vater getötet wurde!»

Auch wenn der Verlust Matsievskyis für seine Familie nur schwer zu verkraften ist, so spricht seine Mutter mit Stolz über ihn. Er ist nun im ganzen Land zum Symbol der Widerstandskraft der Ukraine geworden. Der Journalist Butusow schrieb auf Facebook:

«Wir werden gewinnen, weil es in Russland keinen solchen Kämpfer gibt und weil die Ukraine von vielen zehntausend anderen Helden wie diesem beschützt wird.»

(saw, mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa)

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9 Kommentare
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Chalbsbratwurst
13.03.2023 17:02registriert Juli 2020
"Ihr Enkel (Matsievskyis Sohn) habe das Video ebenfalls gesehen, sie unter Tränen angerufen und geschrien:
«Ich habe gesehen, wie mein Vater getötet wurde!»"

Ich kann das wahrscheinlich niemals auch nur im Ansatz nachfühlen was der Sohn in diesem Moment gefühlt hat.

Aber ich bin mir sicher das er und ganze viele andere Ukrainer diesen Krieg und die Verbrechen der Russen niemals vergessen werden. Der Krieg wird evtl. irgendwann enden aber der Schmerz und die Wut werden bleiben.
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Martin Baumgartner
13.03.2023 16:19registriert Juni 2022
Ruhe in Frieden!
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Unicron
13.03.2023 17:41registriert November 2016
Und für jeden dieser Fälle welche ans Licht kommen, gibt es wohl hundert von welchen wir nie erfahren werden. Tragisch.
42 Jahre alt. Ein Mensch wie wir, geboren, in den Kindergarten, zur Schule, erste Freundin, Ausbildung gemacht, von zuhause ausgezogen, geheiratet, Kind aufgezogen und DANN in einem sinnlosen Krieg in einem Graben kaltblütig von Russen erschossen worden.

In Friedenszeiten ist jeder Mord eine Tragödie, und im Krieg ist es einfach Alltag.
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