Während die ukrainische Gegenoffensive läuft, findet in der litauischen Hauptstadt Vilnius am 11. und 12. Juli das jährliche NATO-Gipfeltreffen statt. Ein zentraler Punkt wird die Lieferung von Streumunition sein, die auf Kritik gestossen ist, sowie die Position der Ukraine im Sicherheitsbündnis.
Die Ukraine fordert eine Sicherheitsgarantie, solange ihr der Beitritt verwehrt bleibt. Joe Biden hat im Vorfeld nun eine Übergangslösung vorgeschlagen: ein Israel-Modell, das die Souveränität des Landes langfristig sicherstellen soll.
Es ist nicht das einzige Thema, das bereits vor dem Gipfeltreffen für Gesprächsstoff sorgt:
Nach Angaben von Präsident Biden sind die USA bereit, der Ukraine einen ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel – allerdings erst nach einem Friedensabkommen oder Waffenstillstand.
Die Vereinigten Staaten unterstützen Israel jährlich mit rund 3,8 Milliarden US-Dollar – davon geht ein beachtlicher Teil in die Abwehr von Raketen und in die Militärtechnik. Seit 1948 sind rund 121 Milliarden Dollar geflossen. Kein anderes Land hat von der Supermacht seit dem Zweiten Weltkrieg mehr Unterstützung erhalten.
Präsident John F. Kennedys Bemerkung gegenüber Israels Aussenministerin Golda Meir im Jahr 1962 hat sich demnach bewahrheitet:
Das Modell ist im Falle eines Angriffs keine Sicherheitsgarantie, doch die finanzielle Militärhilfe hat erheblich dazu beigetragen, dass die einzige (noch) Demokratie im Nahen Osten eine der weltweit führenden Verteidigungsarmeen aufbauen konnte.
Damit nicht genug. Im letzten Jahr bewilligte der US-Kongress zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe für das Raketenabwehrsystem Iron Dome, das die USA mitentwickelt haben und das seit 2011 eingesetzt wird. Die «Eisenkuppel» gilt auch als Symbol für die Rolle der USA als Schutzmacht Israels. Das Abwehrsystem zerstört etwa Kurzstreckenraketen in der Luft.
Ein NATO-Beitritt rückt weiter in die Ferne. «Ich denke nicht, dass es innerhalb der NATO Einigkeit darüber gibt, ob die Ukraine jetzt, mitten im Krieg, Mitglied werden soll», sagt Joe Biden gegenüber CNN. Der Prozess brauche Zeit.
In der Zwischenzeit könnten die USA die Ukraine mit Waffen versorgen, um sich selbst zu verteidigen. Sie sind mit Abstand die grössten Unterstützer der Ukraine. Bislang haben die USA rund 71 Milliarden Euro in Form von militärischer, finanzieller und humanitärer Unterstützung bereitgestellt.
Weiter sagt Biden, dass man nun einen rationalen Weg aufzeigen solle, damit die Ukraine sich für einen möglichen Beitritt qualifizieren könne. Die Ukraine sei derzeit noch nicht bereit dafür. Das Land müsse erst die Reformen, darunter die Demokratisierung sowie «einige dieser Themen», umsetzen.
Nach Bidens Ankündigung drängt sich die Frage auf, wie sinnvoll ein Sicherheitsversprechen à la Israel ist. Schliesslich sind Israels Nachbarn keine Grossmächte und keiner davon ist in Besitz von Atomwaffen, Israel hingegen schon. Und: Auch das israelische Modell konnte Angriffe nicht verhindern.
Dennoch könnte ein Israel-Sicherheitsmodell «eine der besten der schlechten Optionen sein», um die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten, wie US-Medien berichten. Eine Zusage könne jetzt schon als Abschreckung dienen.
Die Ukraine weiterhin in der NATO-Frage im Regen stehenzulassen, findet auch Claudia Major, Expertin für Internationale Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, keine gute Idee. «Dies könnte den Anreiz für Russland schaffen, den Krieg in die Länge zu ziehen – ein faktisches Vetorecht auf dem Schlachtfeld», sagt sie gegenüber SRF. Bidens Idee sei im Prinzip ein guter Lösungsansatz, der aber vorsichtig überarbeitet werden müsse.
Für die Ukraine heisse die optimale Sicherheitsvereinbarung nach einem Waffenstillstand demnach: NATO-Beitritt, wie Peter Douglas Feaver, US-amerikanischer Politikwissenschaftler und Theoretiker, im Magazin «Foreign Policy» schreibt. Putin ziehe klare Grenzen zwischen den ehemaligen Teilen der Sowjetunion, die zur NATO-Allianz gehören: Während Putin die Souveränität von Ländern wie Georgien, Moldawien und der Ukraine verletzt, hält er sich von den baltischen Staaten fern.
Neben der Türkei sprechen sich die baltischen Staaten sowie Frankreich und Polen klar für einen Beitritt der Ukraine aus.
Eine unerwartete Ankündigung vor dem Gipfeltreffen erfolgte aus der Türkei: Das einzige NATO-Land, das bei den Sanktionen ausschert, spricht sich für eine Mitgliedschaft nach Kriegsende aus. «Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Ukraine die Mitgliedschaft in der NATO verdient», sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Die Aussage überrascht, da sich Erdogan erstmals auf eine Seite schlägt – und sich gleichzeitig als Vermittler aufdrängt. Er verurteilte zwar den Krieg, beteiligte sich aber nicht am Sanktionspaket der NATO. Der Grund: Erdogan möchte die Gesprächskanäle zu Moskau und Kiew offen halten. Im August wird ihn Putin zum ersten Mal seit Beginn des Ukrainekriegs in der Türkei besuchen – sofern er das Treffen nun nicht abbläst.
Mit Material der Nachrichtenagentur sda.
Und jetzt hat sein Nachfolger noch einen draufgelegt, so dass bald auch Schweden und die Ukraine NATO-Mitglieder werden .. well done 😂