Seit Monaten bittet die ukrainische Regierung darum, Raketen mit einer höheren Reichweite aus dem Westen zu bekommen – nun wird ihr Wunsch erfüllt. Grossbritannien liefert «Storm Shadow»-Marschflugkörper an die Ukraine, wie der britische Verteidigungsminister Ben Wallace am Donnerstag im britischen Unterhaus bestätigte.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierung in London mit der Lieferung neuer Waffensysteme vorweggeht. Schon im Januar 2023 war es Grossbritannien, das sich als erstes Land dazu entschloss, Kampfpanzer westlicher Bauart in die Ukraine zu schicken. Nun ist die nächste politische Barriere durchstossen.
Mit den modernen Marschflugkörper erhält die Ukraine neue taktische Optionen. Wie wird das den Krieg verändern? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Marschflugkörpern im Überblick:
Der «Storm Shadow»-Marschflugkörper ist laut dem europäischen Rüstungsunternehmen MBDA eine Langstreckenrakete. Dabei hat er lediglich eine Reichweite von 250 Kilometern, deutlich weniger als etwa eine Kontinentalrakete, die bis zu 15'000 Kilometer weit reicht. Trotzdem gehört die Rakete zu den effektivsten und präzisesten gelenkten Waffen im Arsenal der Nato-Staaten.
Der Marschflugkörper wurde ursprünglich von Grossbritannien, Frankreich und Italien entwickelt – für Luft-Boden-Angriffe. Darüber hinaus haben ihn auch andere Länder erworben oder planen den Kauf. Zu den Nutzern gehören etwa Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Griechenland und Katar.
Die «Storm Shadow»-Rakete bietet eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten und ist dafür konzipiert, tief in feindliches Gebiet einzudringen und Ziele mit Präzision zu zerstören. Hier sind einige Haupteinsatzbereiche:
Tiefgreifende Angriffe: Der Marschflugkörper wird von Kampfflugzeugen gestartet und hat die Fähigkeit, in taktische Tiefen vorzudringen. Die Rakete kann strategische Ziele wie Bunker, Kommandozentralen, feindliche Verteidigungssysteme und Infrastruktur effektiv zerstören. Ihre Sprengladungen können die Panzerungen auch von unterirdischen Anlagen durchschlagen.
Marineeinsätze: Die Rakete kann auch von Schiffen oder U-Booten aus gestartet werden, um Ziele an Land oder auf See anzugreifen. Dies macht sie zu einer vielseitigen Waffe, die in maritimen Konflikten eingesetzt werden kann. Allerdings verfügt die Ukraine eigentlich nicht mehr über eine Marine.
Präzisionsattacken: Dank ihrer ausgeklügelten Lenkung und ihres Navigationssystems ist die «Storm Shadow»-Rakete für Präzisionsangriffe geeignet und soll laut Hersteller Kollateralschäden minimieren.
Über den genauen Einsatzzweck lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Als wahrscheinlich gilt aber, dass die Ukraine die Raketen für Angriffe auf die russischen Nachschub- und Versorgungswege an die Front nutzen dürfte.
Die nämlich sind eine Achillesferse Russlands. Mit den Himars-Systemen aus den USA gelang es Kiew im vergangenen Jahr, effektiv russische Waffenarsenale anzugreifen. Doch Wladimir Putins Armee lernte aus den eigenen Fehlern und verlagerte die Versorgungsdepots und Waffenarsenale weiter von den Frontlinien weg.
Das ist mit den britischen Marschflugkörpern schwieriger möglich. Die ukrainische Armee könnte mit den «Shadow Storm»-Raketen Ziele angreifen, die weiter entfernt sind. Der Kreml müsste seine Waffendepots dann noch weiter weg von der Frontlinien verlegen, wodurch sich die Versorgungslinien abermals verlängerten. Die Folge: Die russische Armee würde dadurch weniger flexibel, sie bräuchte mehr Zeit, um auf ukrainische Angriffe zu reagieren.
Weitere Möglichkeiten hätte die Ukraine, wenn sie es schaffen würde, bei einer Gegenoffensive bis an das Asowsche Meer vorzustossen. Dann wären auch die Krim und die Krim-Brücke in Reichweite der Raketen, für den Kreml ein strategischer Albtraum. Die Wirksamkeit hängt aber auch von der Anzahl der Raketen ab, die der Westen liefern kann. Dazu hat sich die britische Regierung bisher nicht geäussert.
Der Westen hat lange gezögert, Waffen zu liefern, mit denen die Ukraine theoretisch Angriffe auf russisches Staatsgebiet starten kann. Das wäre mit dem «Shadow Storm» möglich. Allerdings habe die Ukraine der britischen Führung versichert, dass sie keine Ziele auf russischem Territorium angreifen werde, wie t-online aus Sicherheitskreisen erfuhr.
Ausserdem wurde erst zum Jahresbeginn getestet, ob die Rakete kompatibel mit ukrainischen Kampfflugzeugen wie der Suchoi Su-24 ist. Der Test war positiv, aber Kiew sieht die Lieferung der Marschflugkörper auch als Vorstufe zu einer möglichen Unterstützung mit F-16-Kampfflugzeugen aus dem Westen. Darüber wird in Nato-Kreisen schon länger diskutiert.
Mittlerweile wiegt bei den Marschflugkörpern der strategische Nutzen für die Ukraine offenbar stärker als das Risiko. Die Ukraine hat nun weitere Möglichkeiten, die russische Armee empfindlich zu treffen, und bislang hat sich Kiew stets an Absprachen zur Verwendung der westlichen Waffensysteme gehalten. In jedem Fall dürften die britischen Raketen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die geplante ukrainische Gegenoffensive zum Erfolg wird. Aber dafür müssten wahrscheinlich jetzt auch andere Länder nachziehen und ebenfalls Marschflugkörper liefern.
(oee)
Wenn sie nämlich ihre Flugzeuge für die "Storm Shadow" umgerustet haben könnte Frankreich auch heimlich die Version "SCALP" liefern die gleich aussieht aber eine Reichweite von 560km hat.
Dann müssten die Ukrainer nicht zuerst zum Asowschen Meer vorstossen um die Krimbrücke zu erreichen ;-)
Und die Munitionslager der Russen in mehr als 250km Entfernung würden zum grosen erstaunen der Russen trotzdem plötzlich in Flammen aufgehen ;-)