Wer Donald Trump und den Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Gipfeltreffen der westlichen Verteidigungsallianz diese Woche live miterlebt hat, kam um einige Momente des Fremdschämens kaum herum.
Zuerst war da die geschwollene SMS, die der Nato-Chef an Trump schickte. Endlich würden die Europäer «GROSS einzahlen», alles dank ihm, Trump habe geschafft, was «jahrzehntelang KEIN US-Präsident» fertiggebracht hatte. Nicht einmal eine Minute, nachdem Rutte auf Senden gedrückt hatte, machte Trump diese Nachricht öffentlich.
Der zweite Moment zum Fremdschämen kam bei einem öffentlichen Gespräch der beiden. Trump sprach von Israel und Iran und bemühte wieder einmal seine Analogie der streitenden Kinder, worauf Rutte sich einschaltete und sagte, es sei gut, dass «Papi» dazwischengegangen sei.
Dass Rutte den US-Präsidenten öffentlich «Daddy» nannte, kann einen zusätzlich irritieren, wenn man weiss, dass das Wort im Englischen nicht nur am Familientisch, sondern mitunter auch im elterlichen Schlafzimmer Verwendung findet. Trump jedenfalls hatte verstanden.
Jetzt kann man die Nase rümpfen ob so viel Anbiederung. «Devot» und «erniedrigend» sei das Verhalten Ruttes, meinten manche Kommentatoren in Europa. «Operation Schleimspur» titelte der Spiegel. Aber nichts wäre falscher, als dem Nato-Generalsekretär seine Schmeicheleien vorzuhalten. Richtig ist das Gegenteil.
Im Prinzip ist es ganz einfach: Donald Trump ist der Präsident der Vereinigten Staaten und das ist ein Fakt. Wenn Europa will, dass sich Amerika in den kommenden Jahren nicht abrupt vom Alten Kontinent abwendet, muss es mit Trump ein Auskommen finden. Und zwar nicht erst morgen, sondern jetzt.
Zur Erinnerung: Es ist Feuer im Dach des europäischen Hauses. In der Ukraine führt Wladimir Putin einen mörderischen Krieg. Die Gefahr, dass er auf Nato-Gebiet überschwappt, ist real. Vor allem, wenn Donald Trump das Interesse an der transatlantischen Allianz verliert. Die USA müssen deshalb mit allen verfügbaren Mitteln und so lange wie möglich an Europa gebunden werden. Wenn es dafür ein paar rhetorischer Feinmassagen von Donald Trumps Ego bedarf, dann ist das halt so.
Oder wie die Amerikaner sagen würden:
Mark Rutte ist der richtige Mann dafür. In seiner Zeit als niederländischer Premier nannten sie ihn «Teflon-Mark». Nicht nur, weil jede Krise an seiner Geschliffenheit abtropfte, sondern auch, weil Rutte in der Lage ist, sich absolut schmerzfrei in jede Richtung zu verbiegen, die die politische Opportunität gerade verlangt.