US-Präsident Donald Trump zeigte sich froher Stimmung. Die spontane Einladung des niederländischen Königspaar zur Übernachtung in ihrem Palast ist ihm offensichtlich gut bekommen. «Der Tag beginnt in den schönen Niederlanden», schrieb er gut gelaunt auf seiner Online-Plattform am Mittwochmorgen. Er habe hervorragend geschlafen, wird er später sagen. Der Auftakt war also geglückt. Das grosse Nato-Treffen konnte beginnen.
Natürlich war der Plan, den US-Präsidenten im Königsschloss einzuquartieren, Teil des «Trump-rundum-Wohlfühlpakets», welches sich der Nato-Generalsekretär Mark Rutte ausgedacht hatte. Alles, aber wirklich alles, war bei diesem Gipfeltreffen in Den Haag auf Trump zugeschnitten.
Die Erhöhung der Nato-Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts ist ein massiver Kurswechsel. Und es sollte Trumps «Sieg» allein sein. So hat es Generalsekretär Mark Rutte als Losung ausgegeben. Jetzt müsste Trump seinen «Sieg» bloss noch einstreichen.
Das Schlimmste für die Nato wäre es nämlich gewesen, wenn Trump wieder aus irgend einem Grund in den Krawall-Modus gewechselt wäre und zum Beispiel die Nato-Beistandspflicht in Zweifel gezogen hätte. Das hatte er bereits beim Nato-Treffen 2018 gemacht. Damals war das ein Schock. Und auch jetzt liess er die Verbündeten kurzfristig noch nervös werden. Die Nato-Pflicht, einander bei einem Angriff beistehen zu müssen? Das sei «Definitionssache», so Trump zu Reportern kurz vor dem Gipfel.
Doch nach dem Treffen mit den 32 Staats- und Regierungschefs zeigte sich schnell: Es kann Entwarnung gegeben werden. Trump zeigte sich geradezu leutselig. Er fahre jetzt «ein wenig verändert» nach Amerika zurück, sagte der Amerikaner an der Pressekonferenz.
Er habe das Gefühl, am Tisch mit aufrechten «Patrioten» gesessen zu haben, die für ihr Land einstünden. Und jetzt, da dank ihm Hunderte Milliarden an Dollar in die Nato-Kasse fliessen, findet er auch nicht mehr, dass die Allianz eine «Abzocke» sei. Es sei ein «monumentaler Sieg» für die USA.
Sogar für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatte er ein paar nette Worte übrig: «Er ist ein netter Kerl, der einen tapferen Krieg kämpft», sagte Trump nach einem bilateralen Treffen. Einer ukrainischen Journalistin, deren Mann zuhause im Militärdienst ist, versprach er, die Lieferung neuer Patriot-Luftabwehrsysteme zu prüfen.
Das «Glück» der Nato-Alliierten war aber auch, dass Trump sowieso mit anderen Sachen beschäftigt war. Statt über die Verteidigungsallianz zu reden, lieferte er sich Rededuelle mit amerikanischen Reportern, die ihn mit Fragen über den Erfolg oder Nicht-Erfolg seines Militärschlags auf die iranischen Atomanlagen löcherten.
Ein CNN-Bericht legte gestützt auf eine US-Geheimdienstanalyse nahe, dass die US-Bombenangriffe das iranische Atomprogramm nur unwesentlich beschädigt hätten. Das machte Trump derart wütend, dass er sich zu ziemlich wüsten Beschimpfungen hinreissen liess. Die CNN-Journalisten seine «Abschaum» sagte Trump. Die iranischen Anlagen seien «vollständig vernichtet» worden und jeder, der etwas anderes behaupte, rede die aussergewöhnliche Leistung des US-Militärs schlecht.
Auch die europäischen Staats- und Regierungschefs hätten ihm bestätigt, dass niemand ausser den USA so etwas hätte vollbringen können. Mit dem Selbstvertrauen eines siegreichen Feldherrn sagte Trump: «Wir fühlen uns wie Krieger.»
Nichtsdestotrotz sei jetzt sei die Zeit für Frieden gekommen. Er sei zuversichtlich, dass Iran und Israel sich an die Waffenruhe halten werde. Immerhin habe er ja auch zwischen Indien und Pakistan, zwischen Kosovo und Serbien sowie zwischen Ruanda und Kongo Frieden gestiftet – und das nur in den letzten paar Wochen.
Trump der Nato-König, Trump der Kriegsherr, Trump der Friedensstifter: So viel «Erfolg» für den US-Präsidenten kommt ohne Zweifel auch der westlichen Verteidigungsallianz zu Gute. Die Organisatoren konnten zufrieden sein. Das Gipfeltreffen kann als gelungen abgehakt werden. Zu neuen Spannungen kam es nicht. Zumindest für den Moment.
Denn hinter der Fassade gibt es freilich weiterhin Differenzen. Das fängt bei Spanien an, das sich nicht an den Aufrüstungsbestrebungen im gleichen Umfang beteiligen will. Trump drohte dem Land, das Problem mit neuen Strafzöllen zu lösen. Unklar ist aber auch weiter, wie Trump zur Ukraine steht.
Er sagte, dass er «etwas tun und bald mit Putin telefonieren» wolle. Doch sonderlich für den Krieg zu interessieren scheint sich Trump nicht mehr. Bei neuen Sanktionen gegen Russland wollen die USA jedenfalls nicht mitmachen, wie Aussenminister Rubio sagte.
Und dann ist da noch die Überprüfung der amerikanischen Truppenstationierung in Europa. Hinter vorgehaltener Hand heisst es, der Abzug Zehntausender US-Soldaten sei bereits beschlossene Sache. Für die Europäer wäre das angesichts der Bedrohung durch Russland ein schwerer Schlag.
Der US-Präsident mag international gerade mit starker Hand auftreten. Aber in Europa wird man den Verdacht nicht los, dass im Fall des Falles eben doch heisst: Der Starke ist am mächtigsten allein. (hkl/aargauerzeitung.ch)
Die ganze Schmeichelei darum herum dient dazu, den Schein nach aussen zu wahren, denn auch ein Lippenbekenntnis der Amerikaner zur NATO ist besser als ein sofortiger Austritt. Da gönnt man Trump doch den grossen Sieg gerne.