Francis Jared Pusok, 30 Jahre alt, weiss, hat ein langes Vorstrafenregister: Verkehrsübertretungen, versuchter Raub, Schlägerei, Tierquälerei, Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Pferdediebstahl gehörte bisher nicht dazu. Am Donnerstag Nachmittag hat sich das geändert. Nachdem Polizisten des San Bernardino County am Wohnort des 30-Jährigen klopften, um einer Untersuchung über Identitätsdiebstahl nachzugehen, ergriff Pusok die Flucht. Warum, ist bisher unklar.
Mit dem Auto liefert sich Pusok eine Verfolgungsjagd durch das halbe Apple Valley – die Sherrifs dicht an den Fersen. Dann, in der Nähe einer Ranch, verlässt Pusok den Wagen und schwingt sich auf ein Pferd, ein gestohlenes Pferd, wie die Polizei später im Rapport festhält.
Die Deputies sind mittlerweile mit einem Grossaufgebot hinter Pusok her: Polizeiautos, Off-Road-Motorräder, Hubschrauber. Als der Polizeihubschrauber wenige Meter über Pusok kreist, wirft das nervös gewordene Pferd seinen Reiter ab.
Hier endet der Polizeireport und die Berichterstattung von NBC beginnt. Der Fernsehsender ist mit einem eigenen Helikopter vor Ort – ein übliches Vorgehen in Kalifornien – und dokumentiert das Geschehen live aus der Luft:
Der erste Polizist zückt seinen Taser und richtet ihn auf Pusok. Pusok wirft sich daraufhin auf den Boden, Arme und Beine weit von sich gestreckt. Er weiss, das Spiel ist zu Ende, er legt die Hände hinter den Rücken, im Wissen darum, dass Amerikas Polizisten allergisch sind auf freie Hände.
Ob der Taser seine Wirkung entfaltet oder nicht, ist unklar. Die Polizei behauptet später, aufgrund der losen Kleidung des Verdächtigen habe der Taser nicht funktioniert.
Die Beamte kümmert die Kapitulation herzlich wenig: Was folgt, ist eine eindrückliche Demonstration der Schlagkraft der San-Bernardino-County-Sherrifs. Die NBC-Reporter haben genau gezählt:
Nach zwei Minuten hat die Tortur ein Ende. Die Polizisten sind erschöpft. Zwei von ihnen sind dehydriert, einer muss sich später medizinisch behandeln lassen, vermutlich, weil er von den Hufen des Pferdes getroffen wurde. Pusok liegt währenddessen leblos am Boden. 45 Minuten lang. Ohne, dass einer der Beamten erste Hilfe leisten würde.
Die Gesundheit der Polizisten scheint von grösserer Wichtigkeit, als derjenige Pusoks. Als sich dessen Freundin später nach seinem Zustand erkundigt, verweist die Polizeistelle auf die eigenen Verluste. Zu Pusoks Gesundheitszustand gibt es nur eine lapidare Auskunft: Nicht lebensbedrohlich.
Das grenzt, angesichts der Anzahl Schläge und Tritte gegen den Kopf, an ein Wunder.
Im Gespräch mit NBC kündigte der oberste Polizist des San Bernardino County Konsequenzen an. Die Bilder seien verstörend und eine interne Untersuchung sei bereits eingeleitet, so Sheriff John McMahon.
Obwohl noch nicht klar ist, ob die Beamte eine Strafe verbüssen werden, kann man sich auch im Fall Pusok fragen:
Was wäre passiert, wenn es keine Zeugen und keine Videoaufnahmen gegeben hätte?
Das brutale Vorgehen der kalifornischen Polizisten wirft ein weiteres Schlaglicht auf das Thema Polizeigewalt in den USA. Kein Tag vergeht, ohne dass in den USA Menschen bei Polizeieinsätzen ums Leben kommen.
Der jüngste Fall spielte sich in North Charleston ab, wo ein 33-Jähriger Polizist den 50-Jährigen Schwarzen Walter Scott erschoss. Von hinten. Ohne, dass Scott eine Bedrohung für den Polizisten dargestellt hätte.
Wie der Fall Pusok dokumentiert, findet Polizeigewalt allerdings auch auf niedriger, nicht-tödlicher Ebene statt. Und zwar noch viel häufiger. Auch hier sind die Opfer von Gewalt mehrheitlich schwarzer Hautfarbe oder Mitglied einer anderen Minderheit. Der Fall Pusok zeigt aber auch: Polizeigewalt ist ein amerikanisches Problem. Eine Feststellung, die Obama im Nachgang von Ferguson und dem Tod von Eric Garner im Dezember 2014 gemacht hat.
Vielleicht hatte Pusok aber auch Glück im Unglück. Ein Kommentarschreiber bei Buzzfeed formulierte es so: «Trauriger Gedanke, aber wenigstens haben ihn die Polizisten nur getasert und krankenhausreif geprügelt und nicht erschossen.» (wst)