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Donald Trump: Untersuchungskommission zeigt ihn so, wie noch nie

«Das war verstörend»: Untersuchungskommission zeigt Trump so, wie man ihn noch nie sah

Am 6. Januar 2021, als seine Anhänger in Washington randalierten, da blieb der damalige US-Präsident Donald Trump bewusst untätig. Diesen Vorwurf erhebt eine parlamentarische Kommission.
22.07.2022, 19:4323.07.2022, 06:23
Renzo Ruf, Washington / ch media
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187 Minuten. So lange dauerte es am 6. Januar 2021, bis sich Donald Trump öffentlich über den Sturm auf das Kapitol zu Wort meldete. Nachdem der damalige Präsident die gewalttätigen Ausschreitungen in Washington am TV mitverfolgt hatte, ohne seine Anhängerinnen und Anhänger zu stoppen, liess sich der Republikaner am späten Nachmittag dazu überreden, ein Twitter-Video aufzunehmen.

epa10085597 Video of then US President Donald J. Trump recording a video message directed at rioters on January 6, 2021 is displayed during a hearing of the House Select Committee to Investigate the J ...
Die Untersuchungskommission des Repräsentantenhauses gab am Donnerstag Auskunft darüber, wie der damalige Präsident Donald Trump den Nachmittag des 6. Januar 2021 im Weissen Haus verbrachte.Bild: keystone

Trump wäre aber nicht Trump, hätte er sich an das Skript gehalten. «Ich bitte Sie, die Region um den Capitol Hill JETZT zu verlassen und auf friedliche Weise nach Hause zu gehen», hätte der Präsident laut seinen besorgten Beratern sagen sollen. Doch Trump improvisierte; in der Video-Botschaft schwadronierte stattdessen über angebliche Wahlfälschung und sagte den gewalttätigen Demonstranten: «Geht nach Hause. Wir lieben Euch. Ihr seid aussergewöhnlich.»

Trump-Gefährte Bannon wegen Missachtung des Kongresses verurteilt
Der einstige Chefstratege von Ex-US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, ist vor einem Bundesgericht in Washington wegen Missachtung des Kongresses verurteilt worden. Das meldeten US-Medien am Freitag übereinstimmend. Der Sender CNN berichtete, die Geschworenen hätten den 68-Jährigen einstimmig für schuldig befunden.

Ein Strafmass soll erst zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden. Bannon war im November angeklagt worden, weil er eine Vorladung des Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 ignoriert hatte. Ihm wurde auch vorgeworfen, angeforderte Dokumente nicht zur Verfügung gestellt zu haben.
sda/dpa

Eine ähnliche Szene spielte sich am Tag darauf ab. Als Trump eine Rede hielt, die eine aufgebrachte Nation beruhigen sollte, da weigerte er sich, gewisse Formulierungen zu verwenden. «Ich will nicht sagen, die Wahl ist vorbei», sagte er zum Beispiel, als er im Weissen Haus vor einer Kamera stand und die Ansprache aufnahm. Auch wollte er seinen Anhängern nicht erneut sagen, dass sie hart bestraft würden, falls sie am Vortag gegen Gesetze verstossen hätten. «Das kann ich nicht sagen.» Angeblich habe es fast eine Stunde lang gedauert, um die drei Minuten lange Ansprache aufzunehmen.

Diese Episoden beweisen, in den Augen der Untersuchungskommission, die im Auftrag des demokratisch dominierten Repräsentantenhauses die dramatischen Vorfälle am Dreikönigstag 2021 untersucht, dass Trump wusste, was er tat. Der abgewählte Präsident war am 6. Januar nicht ein unschuldiger Fernsehzuschauer, der im Weissen Haus die Berichterstattung auf dem «Fox News Channel» mitverfolgte.

Vielmehr goss Trump Öl ins Feuer, hetzte die Meute auf und tat nichts, um seine Anhänger zu stoppen – weil er letztlich hoffte, dass der Sturm auf das Kapitol die Bestätigung des Wahlsiegs seines Kontrahenten Joe Biden verhindern könnte. Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger sagte am Donnerstag, während der 9. Anhörung der Kommission: «Er versäumte es nicht, zu handeln. Er entschied sich, nicht zu handeln.»

Damit habe Trump gegen seinen Amtseid verstossen, doppelte die Demokratin Elaine Luria nach. Diese Behauptung untermauerte die Kommission mit einer Präsentation, in der während mehr als zweieinhalb Stunden minutiös aufgezeigt wurde, was sich am 6. Januar im Weissen Haus abspielte. Zur besten Sendezeit reihten Kinzinger und Luria Aussagen von hochrangigen Zeuginnen und Zeugen – allesamt Republikaner und Weggefährten Trumps – aneinander, die ihre Beschuldigungen untermauerten.

Secret Service-Agenten nahmen Abschied von ihren Familien

Anhand von bisher nicht veröffentlichten Tondokumenten zeigte die Kommission, wie knapp die USA zu Beginn des Jahres 2021 an einer noch grösseren Katastrophe vorbeigeschrammt war. So befürchteten die Leibwächter von Vizepräsident Mike Pence, der von Trump als Verräter gebrandmarkt worden war, eine direkte Konfrontation mit den gewalttätigen Randalierern. Einige Secret Service-Agenten seien derart besorgt gewesen, berichtete ein Angestellter des Weissen Hauses, dass sie sich per Funk von ihren Familienmitgliedern verabschiedet hätten. «Das war verstörend», sagte der anonyme Trump-Mitarbeiter.

Andere Szenen lösten im Publikum in Washington Gelächter aus. So zeigte die Abgeordnete Luria den rechtspopulistischen Senator Josh Hawley, wie er am 6. Januar im Kapitol vor dem Mob flüchtete. Hawley, der mit einer Präsidentschaftskandidatur liebäugelt, hatte Stunden zuvor in einer ikonischen Geste die Demonstranten beim Kapitol zugejubelt und sie angefeuert.

Kommissionspräsident Bennie Thompson, ein Demokrat, und seine Stellvertreterin Liz Cheney, eine Republikanerin, versprachen zu Abschluss der Anhörung, dass die Arbeit des Gremiums noch nicht fertig habe. Bereits jetzt sei aber klar, dass Trumps Verhalten «harte Konsequenzen» nach sich ziehen müsse, sagte Thompson. Und Cheney sagte: «Wir müssen uns daran erinnern, dass wir nicht die Wahrheit aufgeben und eine freie Nation bleiben können.»

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US-Senator Ron Johnson in Kapitol-Sturm verwickelt?
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68 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stormcloud
22.07.2022 20:11registriert Juni 2021
Niemals wieder darf dieser Typ US-Präsident werden. Niemals!
Es wäre das Ende der US-Demokratie und ein dramatischer Rückschritt in alte Zeiten, wo man Minderheitenrechte und die Gleichberechtigung der Frau nicht achtet. Ich mag mir gar nicht vorstellen, welchen Schaden dieser Typ anrichten könnte.
Er gehört schnellstens vor Gericht.
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HugiHans
22.07.2022 20:13registriert Juli 2018
Ok, politisch wird Trump durch die Kommission als eindeutig schuldig angesehen. Hoffe das reicht der Justiz endlich eine Klageschrift zu verfassen!
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Callao
22.07.2022 22:50registriert April 2020
Himmel, was braucht‘s denn noch um ihn dingfest zu machen?
Jeder Normalo wäre schon längstens hinter Schloss und Riegel!
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Hilfe! Die Saudis haben die Linie gesch(n)(r)u(m)pft

The Line – die Linie. 170 Kilometer lang hätte das Monsterprojekt in Saudi-Arabien werden sollen, 500 Meter hoch, 200 Meter breit, mit 9 Millionen Einwohnern. Ein gigantischer Wohnkomplex mit Einkaufs- und Arbeitsmöglichkeiten, mit vertikaler Landwirtschaft und einem Hochgeschwindigkeitszug.

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