Der ultrarechte US-Moderator und Verschwörungstheoretiker Alex Jones (48) musste sich diese Woche für seine Lügen über das Sandy-Hook-Massaker vor Gericht verantworten. Das Urteil vom Donnerstag verdonnerte ihn zur Zahlung von 4,1 Millionen Dollar Schadenersatz. Der Radiomoderator hatte in der Vergangenheit auf seiner Plattform «Infowars» wiederholt behauptet, dass das 2012 im US-Bundesstaat Connecticut verübte Schulattentat, bei dem 20 Erstklässler und sechs Erwachsene getötet wurden, inszeniert gewesen sei.
Ziel dieser «Inszenierung» laut Jones: «Die Verschärfung des amerikanischen Waffengesetzes.» Die Opferfamilien? Alles «instruierte Schauspieler» im Auftrag des «Deep State». Dies und vieles mehr hatte Jones immer wieder ekstatisch in die Kamera gebrüllt und damit Millionen Aufrufe seiner Videos generiert, sowohl auf YouTube als auch auf seinen Social-Media-Kanälen – auf denen er mittlerweile überall gesperrt ist. Dabei hatte er sich auch nicht davor gescheut, Eltern, die kurz nach dem Attentat bei Pressekonferenzen zusammenbrachen, in seinen Videos nachzuäffen und sie bei seinen Millionen Zuschauern als «schlechte Schauspieler» abzustempeln.
Die Eltern eines sechsjährigen Opfers sind nun vor Gericht gezogen und hatten einen Schadenersatz von 150 Millionen Dollar verlangt. Ein texanisches Geschworenengericht hat den Eltern in einem ersten Schritt 4,1 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen, wobei Jones für seine Lügen noch zu einer wesentlich höheren Summe verurteilt werden könnte: Die Geschworenen müssen noch über einen Strafschadenersatz richten, der in der Regel viel höher ausfällt. Zudem war dies der erste von drei Verleumdungsklagen für Alex Jones. Zwei weitere Gerichtsprozesse gegen den Trump-Supporter sind für nächsten Monat angesetzt.
In einem sehr emotionalen Prozess richtete sich eine betroffene Mutter eines 6-jährigen Opfers direkt an Jones: «Mein Sohn hat existiert.» Sie fügte weiter hinzu: «Wahrheit ist die Basis für unsere Realität.» Alex Jones hat vor Gericht schliesslich eingestanden: «Das Attentat ist zu 100 Prozent real.»
‘My son existed’ — Scarlett Lewis, whose 6-year-old son Jesse was killed in the Sandy Hook Elementary School shooting, confronted conspiracy theorist Alex Jones in court about the lies he spread around the massacre pic.twitter.com/s4OC02Hrbg
— NowThis (@nowthisnews) August 4, 2022
Doch selbst während des Prozesses, sowohl im als auch ausserhalb des Gerichtssaales, blieb Jones seiner Linie treu: Auf seiner Internetseite Infowars wurde beispielsweise die Richterin in einem Bild mit Feuerflammen dargestellt. In einem Video bezeichnete Jones den betroffenen Vater des Opfers als «langsam» und «autistisch» und dass dieser von «schlechten Menschen» manipuliert sei.
News to no one but Alex Jones is clearly not the sharpest. Probably not a good idea to broadcast photos of your judge in flames repeatedly on your trash show while the trial is still going on. And then lie about it in front of her. pic.twitter.com/N3L8T9aCxN
— Christopher Webb🇺🇸 Pro-Choice (@cwebbonline) August 4, 2022
Dass ihr Bild auf Infowars mit Feuer und Flammen publiziert wurde, fand die Richterin noch amüsant. Worüber sie jedoch überhaupt nicht lachen konnte, war die Tatsache, dass Jones sich auch während des Gerichtsprozesses immer wieder in Lügen verstrickte. Richterin Maya Guerra Gamble ermahnte Alex Jones, dass er unter Eid die Wahrheit sagen müsse und nicht lügen dürfe. Die Richterin weiter: «Das ist nicht Ihre Show.»
A judge scolded right-wing conspiracy theorist Alex Jones on Tuesday for lying under oath during his defamation trial in Travis County, Tex.
— The Washington Post (@washingtonpost) August 3, 2022
“You must tell the truth while you testify,” Judge Maya Guerra Gamble said. “This is not your show.”https://t.co/YzxxNm93Op pic.twitter.com/4sQ48lJEgU
In einer weiteren Szene scheint die Richterin von Alex Jones' Anwalt genervt zu sein und pikst ihn mit einem Stift von ihrem Pult weg:
The judge in the Sandy Hook Trial getting annoyed with Alex Jones lawyer 🤣😂🤣😂🤣 #SandyHook #AlexJonesTrial pic.twitter.com/d9AH1JpR73
— Mingii (@Mingii3art) August 4, 2022
Auch einen weiteren Infowars-Moderator muss die Richterin ermahnen und ihn wiederholt über die Gepflogenheiten und Regeln eines Gerichtsprozesses aufklären.
Judge is NOT happy! - After the jury left, the judge confronted Owen Shroyer about being on the air with #AlexJones on Tues. He confirmed they talked about the trial. Judge asked him if defense informed him about the rule of witness sequestration. WATCH: pic.twitter.com/kM5O4GBw3E
— Cathy Russon (@cathyrusson) July 28, 2022
Aufgefallen war auch die Szene, als der Verteidiger der betroffenen Eltern des Sandy-Hook-Massakers Alex Jones darüber informierte, dass sein eigener Anwalt ihm versehentlich den gesamten Inhalt seines Telefons, und damit alle Textnachrichten der letzten zwei Jahre, versendet hatte.
Alex Jones, in cross-examination for his defamation trial, was shown texts from his phone that his lawyers appeared to have accidentally sent to lawyers for Sandy Hook parents.
— The New York Times (@nytimes) August 4, 2022
"You know what perjury is, right?" one of the parents' lawyers asked him. https://t.co/kTzdceqbFD pic.twitter.com/BftNzvkDcQ
Das Urteil brachte Jones aber nicht zur Besinnung. Nach dem Prozess schimpfte er auf seiner Plattform: «Die Demokraten und alle Medienkonzerne haben sich gemeinsam gegen Infowars verschworen.» Und: Gegen das Recht eines jeden US-Amerikaners auf «freie Meinungsäusserung».
Der Anwalt der Kläger sieht das Urteil laut «New York Times» hingegen als Warnung für Jones' Gleichgesinnte: «Ich hoffe, dass alle anderen Medien-Leute, die das sehen und sich denken, dass sie Menschen derart diffamieren können, nun wissen, dass es dafür sehr teure Konsequenzen gibt.»
Manchmal muss es halt via das Portemonnaie gehen. Die eine oder der andere wird vielleicht erst dann einsichtig werden,